Der Goldpreis steigt von einem Allzeithoch zum nächsten. Was verbirgt sich hinter der Rallye? Und: Gibt es noch Luft nach oben?
Die Aussicht auf sinkende Zinsen in den USA und geopolitische Risiken treiben den Goldpreis immer weiter nach oben. Um mehr als 20 Prozent hat sich das Edelmetall seit Anfang 2024 bereits verteuert, eine der besten Wertentwicklungen aller Anlageklassen am Finanzmarkt im laufenden Jahr. Zuletzt knackte der Preis pro Feinunze (31,1 Gramm) ein Rekordhoch bei deutlich über 2500 US-Dollar (2240 Euro).
Ein Ende des Höhenflugs sehen Marktbeobachter nicht. Mitte 2025 dürfte ein Preisniveau von 2700 Dollar erreicht werden, prognostiziert Rohstoffstratege Wayne Gordon von der Vermögensverwaltung der Schweizer Bank UBS. Auch andere Fachleute sehen trotz der starken Rallye noch ordentlich Luft nach oben. Die US-Finanzriesen Bank of America und Citi-group rechnen damit, dass in den kommenden sechs bis 18 Monaten die Marke von 3000 Dollar überschritten wird.
Sinken die Zinsen, gewinnt Gold an Attraktivität
Auch bei der Commerzbank in Frankfurt zeigt man sich optimistisch. „Wir haben die Prognose für den Goldpreis deutlich nach oben revidiert“, sagt Analyst Carsten Fritsch. Er und seine Kollegen gehen jetzt davon aus, dass sich die Feinunze im ersten Halbjahr 2025 auf über 2600 Dollar verteuern wird. Auch in zahlreichen anderen wichtigen Währungen wie dem Euro, britischen Pfund, Schweizer Franken und japanischen Yen habe Gold in diesem Jahr Allzeithochs erreicht oder notiere aktuell nicht weit davon entfernt. Aber welche Faktoren stehen hinter dem Aufwärtstrend, der bereits seit Monaten anhält?
Für Fritsch ist klar: „Haupttriebfeder sind die Erwartung von Zinssenkungen der US-Notenbank Fed und die bereits erfolgten Zinssenkungen anderer bedeutender Zentralbanken wie EZB, Bank of England und Schweizerischer Nationalbank.“ Denn Gold wirft im Gegensatz zu Anleihen, Tages- oder Festgeld keine Zinsen ab, gewinnt deshalb für Anleger an Attraktivität, wenn die Leitzinsen sinken.
Während die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinswende bereits im Juni einleitete und ihre Geldpolitik bald weiter lockern könnte, hat sich die Fed angesichts anhaltender Inflationsrisiken bislang geziert. Das dürfte sich jetzt ändern, da sich die lange Zeit boomende US-Wirtschaft abkühlt und der Arbeitsmarkt ins Stottern gerät. Notenbankchef Jerome Powell stellte jüngst die Weichen für eine erste Zinssenkung im September.
Neben Rückenwind durch die Geldpolitik der weltweit wichtigsten Zentralbank gibt es allerdings noch andere Argumente, die im derzeitigen Finanzmarktumfeld für Gold sprechen. „Ein weiterer preistreibender Faktor sind die Spannungen im Nahen Osten“, sagt Experte Fritsch. Gold profitiere bei Krisen, Kriegen und Konflikten von seiner Funktion als sicherer Hafen, den Investoren in Zeiten erhöhter Nervosität ansteuern.
Zentralbanken als wichtige Stütze am Markt
Allerdings hielten sich Finanzanleger bei der bisherigen Preisrallye eher zurück. Hinter dem Boom der Anlageklasse stand bislang vor allem ein Goldrausch in China, wo sich Anleger angesichts von Immobilienkrise und Aktienschwäche auf das Edelmetall stürzten. Auch andere große Länder wie Indien, wo Goldschmuck traditionell beliebt ist, halten die physische Nachfrage hoch. Als entscheidende Stütze gelten zudem Goldkäufe von Zentralbanken, die das Edelmetall als stabile Reservewährung betrachten.
Große Finanzmarktakteure wie Hedgefonds und börsennotierte Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETFs), die massenhaft Geld verwalten, blieben hingegen lange auf Distanz. Aus Gold-ETFs zogen Investoren laut Statistik des Finanzdienstes Bloomberg über einen Zeitraum von drei Jahren unterm Strich Mittel ab, erst seit Juni verbuchen sie im Schnitt wieder Zuflüsse. Sollte die Fondsindustrie in Anbetracht der US-Zinswende im großen Stil Geld umschichten, könnte dies den Goldpreis weiter hochtreiben.
Auch in Deutschland zeigten sich Fondsanleger von der Gold-Hausse zunächst unbeeindruckt. Nach Daten des Analysehauses Barkow Consulting beliefen sich die Nettoabflüsse deutscher Gold-ETFs im ersten Halbjahr 2024 auf rund 1,8 Milliarden Dollar (1,61 Milliarden Euro). Bereits 2023 lagen sie mit 4,7 Milliarden Dollar auf Rekordniveau.
Angesichts der historischen Höchststände des Goldpreises bezeichnen die Marktforscher die Entwicklung als „erstaunlich“. Jedoch könnte sich auch hier eine Trendwende abzeichnen – im Mai und Juni gab es laut Barkow immerhin schon wieder minimale Zuflüsse. Andererseits dämpfen die hohen Preise die Nachfrage nach physischem Gold. Im zweiten Quartal sank sie dem Branchenverband World Gold Council zufolge auf den tiefsten Stand seit fast drei Jahren, besonders die Schmucknachfrage schwächelte.
Nur als Beimischung im Portfolio empfohlen
Verbraucherschützer raten bei Gold generell zur Vorsicht. Sie warnen vor Preisschwankungen, hohen Gebühren und Währungsrisiken. Bei physischem Gold seien Lager- und Versicherungskosten zu beachten, bei Fonds oder Zertifikaten Emittentenrisiken. „Investieren Sie nur einen kleinen Teil Ihres Vermögens in Gold, um die heftigen Schwankungen des Goldkurses durch andere Geldanlagen wie Aktien oder Immobilien abzufangen“, rät die Verbraucherzentrale. Seriöse Finanzberater empfehlen Gold meist nur als Beimischung im Portfolio.