Ein Jahr lang musste die Brunnenfigur des Ebinger Marktbrunnens ohne linke Hand und Feuerwaffe auskommen – jetzt hat sie beides zurückbekommen und ist nicht länger invalid.
Albstadt-Ebingen - Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, in der Nacht zum 8. Mai, hatte ein unbekannter Vandale dem Herrn auf dem Brunnenstock, den der gepuffte Waffenrock, der Brustharnisch und der Federhut als modebewussten Renaissancemenschen ausweisen, die linke Hand samt der Schusswaffe, die sie hielt, abgeschlagen. Die Bruchstücke lagen anderntags im Becken; die Stadtverwaltung nahm sie für eine spätere Reparatur in Verwahrung und die Polizei Ermittlungen auf. Ergebnislos.
Eine Spezialfirma kümmert sich darum
Dafür ist aus der Reparatur etwas geworden – am Donnerstag hat ein Restaurator der auf solche (Un-)fälle spezialisierten Fridinger Firma Eduard Schnell die Hand und die bereits zuvor zusammengefügten Bruchstücke der Jagdbüchse wieder an den Armstumpf und den Kolbenrest angefügt und geklebt, nachdem er die Bruchflächen zuvor sorgfältig gereinigt hatte. Auf die Frage des Passanten, wie haltbar die Konstruktion sei, erwiderte der Fachmann, sie sei schon vorher nicht besonders stabil gewesen – so filigran gearbeitete Skulpturenbestandteile wie das Gewehr oder das Langschwert am Wehrgehenk vertrügen vielleicht einen scharfen Blick, aber schon ein festes Zufassen könne fatale Folgen haben. Noch ein paar Tage lang muss das Gewehr mit einer Holzlatte geschient werden, so lange, bis die Chemie ausgehärtet ist. Die Kosten: rund 5000 Euro.
Replik des älteren Originals
Der Ritter vom Marktbrunnen ist übrigens nicht der erste seiner Art – und auch nicht der erste, dem durch Malheur oder Mutwillen buchstäblich "Abbruch" getan wurde. Er wurde erst in den 1960er-Jahren von dem Eninger Bildhauer Eduard Raach-Döttinger geschaffen und ist die Replik eines wesentlich älteren Originals, dem der Zahn der Zeit noch viel länger und stärker zugesetzt hatte – so stark, dass er schließlich vom Sockel heruntergeholt und eingelagert wurde. Heute befindet er sich in der Stadtbücherei, und wer ihn ansieht, stellt sofort fest, dass da einiges fehlt, unter anderem jene Utensilien, die dem Fridinger Restaurator zufolge so empfindlich sind: Die Schwertklinge ist abgebrochen und der Karabiner ebenfalls verschwunden. Das war er auch schon, als sich Raach-Döttinger seinerzeit an die Arbeit machte – dass es ihn einst gab, bezeugt ein altes Foto, das dem Eninger als Vorlage diente.
Zweifel an der Originalausstattung
Wobei es unter den Experten auch einige gibt, die offen anzweifeln, dass die Büchse zur Originalausstattung gehörte. Den historischen Quellen zufolge ist der Ritter schon früher gelegentlich von seinem Piedestal herabgestiegen, nämlich in den Jahren 1754 und 1881 – denkbar, dass er bei dieser Gelegenheit neu bewaffnet wurde. Der Überlieferung zufolge stand einst eine Jahreszahl auf dem Kürass, die "1545", und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts galt eine Feuerwaffe noch nicht unbedingt als besonders ritterlich.
Die Ebinger nennen ihn Ulrich
Und schon gar nicht als herzoglich – ein Herzog aber soll der Ebinger Ritter mit seinem gevierten Württemberger Wappenschild sein; die Ebinger nennen ihn seit eh und je Ulrich. In der Tat wäre Herzog Ulrich, durch den Württemberg evangelisch wurde, der erste Kandidat, wenn die Jahreszahl 1545 stimmte, denn er regierte damals – dass Graf Eberhard im Bart ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod zur Brunnenfigur gekürt worden wäre, schließen die Fachleute aus. Aber vielleicht war der Ritter ja weder Herzog noch Graf – sondern einfach nur ein Ritter.