Solistin Julia Galić spielte mit Verve; links: Konzertmeisterin Sibylle Kistermann. Foto: Susanne Conzelmann

Während sich Dirigent Martin Künstner Ludwig van Beethoven optisch immer weiter annähert, präsentierte sein Ebinger Kammerorchester dessen Schicksals-Sinfonie auf hohem Niveau – und Solistin Julia Galić setzte mit der Violine noch einen drauf.

„Musik ist eine höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie“ sagte Ludwig van Beethoven – und wer wollte dem Komponisten widersprechen? Eine Offenbarung war nämlich die Vorstellung des Ebinger Kammerorchesters beim Sinfoniekonzert in der Festhalle.

Doch ehe der Meister musikalisch selbst zu Wort kam, überzeugten das Orchester und die Bläser der Württembergischen Philharmonie Reutlingen mit dem Violinkonzert in e-moll vom nicht minder großartigen Felix Mendelssohn-Bartholdy. Und dem überzeugenden Spiel von Julia Galić. Die Violinistin nahm vom ersten Augenblick das Publikum für sich ein – mit ihrer Ausstrahlung und dank der ungewöhnlichen Komposition: Das Thema stellt hier nicht, wie oft üblich, das Orchester vor, sondern die Solovioline bereits mit den ersten Tönen.

Unfassbar hoch und unfassbar sauber

Ist der erste Satz des romantischen Werks noch beschwingt und die Melodieführung von harmonischer Leichtigkeit, ist die Melancholie im zweiten Satz dank der Einsätze von Fagott, Oboe und Klarinette greifbar – und der unfassbar sauberen hohen Töne, die Galić ihrer Geige entlockt. Während der raren Spielpausen lauscht sie mit geschlossenen Augen dem Orchester, nimmt es im dritten, wieder beschwingten Satz erneut mit, eilt den Holzbläsern fast davon, um im furiosen Finale nochmals alles zu präsentieren. Manch einer merkte erst mit dem letzten Ton, dass er wohl unwillkürlich den Atem anhielt – ein wohliger Schauder, der sich durch fassungsloses Aufatmen in den Reihen des fachkundigen Publikums artikulierte, war zu vernehmen.

Foto: Conzelmann

Mit typischer kleiner Kammerbesetzung – erste und zweite Violine, Bratsche und Cello – überraschte Galić in der Zugabe „Schön Rosmarin“ des österreichisch/amerikanischen Komponisten Fritz Kreisler. Die Melodie im Wiener Tonfall versetze die verzückten Zuhörer ins Caféhaus, wie einst er selbst „versüßte“ Galić das Konzert mit „musikalischem Konfekt“.

Unverwechselbar wie kaum ein zweites Werk

Nach der Pause präsentierte das Orchester ein Werk, dass in seiner Unverwechselbarkeit seinesgleichen sucht. Konzertmeisterin Sibylle Kistermann und Dirigent Martin Künstner hatten bewusst die Sinfonie Nr. 5 in c-moll van Beethovens gewählt. Gerade im ersten Satz erfordert sie mit ihrem bekannten Schicksals-Motiv enorme Präzision im Zusammenspiel.

Die Herausforderung nimmt das Orchester mit Freude an und meistert sie spielend

Intensives Proben und manche Einheit zuhause war im Vorfeld angesagt. Gerade bei bekannten Stücken fällt dem kundigen Publikum der eine oder andere Fehler leichter auf – das Ebinger Kammerorchester scheute diese Herausforderung nicht und muss den Vergleich mit bekannteren Orchestern nicht scheuen.

Ob Dirigent Martin Künstner als zusätzliche Motivation für seine Musiker sich Beethoven daher optisch immer mehr annähert? Eine der Geigerinnen vermutete das augenzwinkernd. Überzeugend jedenfalls war Künstners Dirigat und sein Engagement optisch eine Augenweide.

Unbekannter als der erste Satz – aber echte Perlen

Zu Unrecht weniger bekannt sind der zweite und der dritte Satz der Beethoven-Sinfonie, überzeugend vorgetragen die Pizzicato, bei denen die Saiten der Instrumente mit den Fingern angerissen werden, mitreißend der majestätische Drei-Achtel-Takt im Mittelsatz. Spielerisch meisterten die Musiker die Tempo-Übergänge, von den Achteln zu den Triolen und zurück zu den Sechzehnteln. Nicht nur die erfahrenen Musiker als Laien zu bezeichnen verbietet sich nach diesem Abend – auch der Nachwuchs des Orchesters überzeugt. Die Zuhörer dankten es mit langem Applaus.