Die Gesamtanlage der Firma C J Schickhardt im Jahr 1949 Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: In Ebhausen bauten am Ende des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter ein Raketenflugzeug

Marina Lahmann berichtete im jüngsten "Café Forum" über ein spannendes Kapitel in der Ebhauser Geschichte in den Jahren 1944/45.

Ebhausen. Seit 2010 lebt die promovierte Historikerin bereits in Ebhausen. Sie hat im Heimatbuch die Kapitel Flugzeugmontage und Polenlager bearbeitet und erläuterte die nicht immer einfache Recherche zu diesen Themen.

Als am 1. Mai 1944 Teile der Firma "Klemm Flugzeugbau" aus dem bombengefährdeten Böblingen nach Ebhausen ausgelagert wurden, fand sich in den "neuen" Produktionshallen der Firma Schickhardt ein geeigneter Standort. Unter dem Namen "Karosseriebau" wurde die düsengetriebene Me 163 B, das sogenannte "Kraftei" mit Raketenantrieb zusammengebaut. Ab September wurde ein weiterer Zweig der Böblinger Firma Klemm ausgelagert, diesmal nach Nagold in die sogenannte Ölmühle.

Es fehlte zunehmend an Material

Auf dem Gelände der Calwer Deckenfabrik entstand ein Lager für Flugzeugteile und ein Gebäude für die Verwaltung. Über 100 vorwiegend russische und polnische Zwangsarbeiter entluden Eisenbahnwaggons mit Material und sortierten es. Von der Ölmühle aus wurden die Teile nach Ebhausen gebracht. Laut Zeitzeugen konnte an einem Tag die Vormontage eines Flugzeuges bewältigt werden.

Zum Transport wurden die Flügel wieder abmontiert und an der Seite befestigt, das Flugzeug mit einer Plane abgedeckt und mit dem holzgasangetriebenen LKW der Firma Rau nach Nagold zum Bahnhof transportiert. Von dort wurden die Flugzeuge nach Norddeutschland gebracht, in Oranienburg wurde dann der Raketenantrieb eingebaut.

Doch es fehlte zunehmend an Material, so stockte bereits im Oktober die Produktion, und im Dezember 1944 wurde sie ganz eingestellt. Laut Gemeinderatsprotokoll arbeiteten im September 1944 annähernd 400 Mann in diesem Betrieb. Wo waren sie untergebracht? Wie viele Zwangsarbeiter waren eingesetzt? Woher kamen sie? Fragen über Fragen, für die es keine verlässlichen Antworten gibt. Zu Spekulationen Anlass gibt auch der Stollen, der im Gemeindewald Kliemen gegenüber der Firma Schickhardt gebaut werden sollte. Es ist davon auszugehen, dass Ende 1944 30 Russinnen und 45 Ostarbeiter unter steter Bewachung einen Luftschutzstollen in den Berg am rechten Nagold-Ufer getrieben haben.

Im Russenlager lebten 2000 Menschen

Nach der Kapitulation im Mai 1945 wurde das ganze Ausmaß an Zwangsarbeitern deutlich. Um diese wieder in ihre Heimat zurückzubringen, wurden im ganzen Kreis sogenannte Russen- und Polenlager eingerichtet. In Nagold befand sich ein "Russenlager", das teilweise mit 2000 Menschen, nicht nur aus Russland, belegt, war. Dieses Lager wurde bereits im Herbst 1945 geräumt. In Ebhausen gab es ein Polenlager von Juli 1945 bis Mai 1947. In den Gaststätten Waldhorn und Traube waren 181 Polen untergebracht, die auf Kosten der Gemeinde verpflegt werden mussten. Das Zusammenleben war sicher für beide Seiten nicht immer einfach.

Die Ausführungen von Marina Lahmann weckten bei den Teilnehmern Erinnerungen, die weitere Details zur Sprache brachten. Nachdenklich stimmt, dass diese Zeitzeugen so vieles zu erzählen hätten, was nicht in den Protokollen steht. Auch die Tatsache, dass viele Akten verschwunden sind, macht es nicht einfacher, diese dunklen Seiten der Zeitgeschichte aufzuarbeiten.