Die Lahrer Ehrenbürger haben die Stadt geprägt. In einer Serie stellt Historiker Walter Caroli diese Persönlichkeiten vor. Heute geht es um Paul von Hindenburg und Adolf Hitler, denen die Ehrenbürgerwürde als symbolischer Akt wieder wieder aberkannt wurde. Im Normalfall erlischt diese nach dem Tod.
Etwa 4000 Gemeinden in Deutschland – neben Lahr etwa auch Allmannsweier, Friesenheim, Kappel und Meißenheim – verliehen Adolf Hitler und Paul von Hindenburg, einige auch an Reichsstatthalter Robert Wagner, die Ehrenbürgerwürde. Die meisten darunter waren sich in der Nachkriegszeit der Peinlichkeit dieses Sachverhalts bewusst und beschlossen die Aberkennung.
Die Ehrenbürgerwürde kann eigentlich jedoch gar nicht aberkannt werden. Sie besteht auf Lebenszeit des Geehrten und erlischt mit dem Tod. So ist die nachträgliche Annullierung, die viele Gemeinden vollzogen haben, nur ein symbolischer Akt, der allerdings gute Gründe hat. „Es gehört zur politischen Kultur, dass ein Trennstrich zu Hitler gezogen wird, dass er auch symbolisch ausgebürgert wird“, formulierte es der Historiker Hans Günter Hockerts. Die Aberkennung sei, so Hockerts, ein symbolisches Handeln, das zeige, dass die Werte der Demokratie gegensätzlich zu den Werten des NS-Regimes stünden.
Die Recherche zu der 1933 vollzogenen Verleihung hat zu teilweise nicht erwarteten Ergebnissen geführt: Das von der Reichsregierung im März 1933 beschlossene Gleichschaltungsgesetz war nur eine Zwischenstufe zur Beseitigung aller Reste von Demokratie in Deutschland. Für die vorläufige Zusammensetzung der Gemeinderäte besagte der Paragraf 12, dass die bisherigen Gemeinderäte und Ausschüsse aufgelöst waren und die Neubildung auf der Grundlage der Ergebnisse der Reichstagswahl vom 5. März erfolgen sollte.
Stadtrat beschließt am 13. März 1933 die Verleihung
Für den Lahrer Gemeinderat errechneten sich fünf Stadträte der NSDAP, ein Sitz für das Zentrum, ein Sitz für die Sozialdemokraten und ein Sitz für die Kommunisten. Im Bürgerausschuss hatten die Nazis elf Sitze, der Evangelische Volksdienst einen Sitz, das Zentrum drei, die Sozialdemokraten zwei und für die Kommunisten gab es drei Sitze. Durch die Ausschaltung der Kommunisten ergab sich mit Wirkung vom 1. Mai 1933 eine Verschiebung.
Der Lahrer Stadtrat beschloss am 13. März 1933, „Seiner Exzellenz dem Herrn Reichspräsidenten Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorf und von Hindenburg und Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht der Stadt Lahr zu verleihen.“ Überraschenderweise gab es kein einmütiges Votum. Stadtrat Professor Winfried Knausenberger (Evangelischer Volksdienst) gab die nachstehende Erklärung zur Aufnahme ab: „Durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Lahr an den Reichspräsidenten Hindenburg wird man dessen großer historischer Persönlichkeit nicht gerecht, und außerdem käme diese Ehrung überhaupt zu spät. Zum Antrag, Hitler das Ehrenbürgerrecht der Stadt Lahr zu verleihen, erklären wir: Wir unterstützen die neue Reichsregierung unter der Führung des Reichskanzlers Hitler in ihrem Bestreben, eine wahre Volksgemeinschaft aller Deutschen herzustellen, in der auch Behebung der schlimmsten wirtschaftlichen Not, Einigkeit, Recht und Freiheit gedeihen. Wenn dieser von uns allen heiß ersehnte Zustand unter der Führung Adolf Hitlers erreicht ist, werden wir obigem Antrag zustimmen. Heute halten wir diesen Zeitpunkt noch nicht für gegeben und werden daher nicht für den Antrag stimmen.“
Stadträte Gustav Richter (SPD), Henninger und Professor Dr. Arthur Goebel (Zentrum) schlossen sich dieser Erklärung an. Eine weitere Erklärung verlas Stadtrat Wilhelm Wernet (Zentrum): „Durch die Wahlen am 5. März 1933 ist der Wille des deutschen Volkes in überwältigender Mehrheit zum Ausdruck gekommen.
OB Heinrich Woltersunterzeichnet Protokoll
Aufgrund dieses Volkswillens ist eine neue Regierung geschaffen worden. Getreu einem alten Grundsatz „Seid untertan der gegebenen Obrigkeit“ werden auch wir vom Zentrum die erforderliche Untertänigkeit und Respektierung entgegenbringen. (...) Was den heutigen Antrag anlangt, so hätten wir gewünscht, dass dieser Antrag bis nach den zu erwartenden Neuwahlen zurückgestellt worden wäre, weil wir denn doch mit den Leuten, die uns hierhergesandt haben, Rücksprache nehmen sollten. Wir werden dem Antrag indes keinen Widerstand entgegensetzen. Sie müssen aber verstehen, dass wir uns in der Abstimmung bei dieser Frage enthalten.“
Zu einer ablehnenden Haltung gehörte schon in diesem Stadium des Nationalsozialismus viel Mut. Die Berufung auf Einigkeit, Recht und Freiheit in der Erklärung Knausenbergers deuten darauf hin, dass zu ihm schon Infos über Drangsalierungen der Nationalsozialisten durchgedrungen waren. Das Stadtratsprotokoll wurde von Oberbürgermeister Heinrich Wolters, Stadtrat Camill Ringwald (NSDAP und SS) und Stadtrat Dr. Goebel (Zentrum, NSDAP ab 1941) unterzeichnet.
Reaktion Hindenburgs
Reichspräsident von Hindenburg richtete am 13. April 1933 ein Dankschreiben an die Stadtverwaltung. „Ich nehme die Ehrung an und sende Ihnen meinen neuen Mitbürgern meine herzlichen Grüße und besten Wünsche für die Zukunft Ihrer Stadt“, heißt es. Der Lahrer Stadtrat hat am 19. Mai 1947 die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Hindenburg und Hitler für nichtig erklärt. Ob unter dem Druck der französischen Militärregierung oder aus freien Stücken, konnte nicht ermittelt werden.