Eine Frau dreht an einem Heizungsthermostat. Der drohende Energieengpass bereitet vielen Sorgen. Foto: Marcus Brandt/dpa

Die drohende Gasknappheit im nächsten Winter bereitet vielen Menschen Sorgen. Macht es Sinn, Strom im Gas umzuwandeln? Und funktioniert das überhaupt zuverlässig?

Rottweil - "Power to gas" heißt der neue Zauber-Begriff, der manchem angesichts der aktuellen Entwicklung mehr denn je interessant erscheint. Bei diesem Verfahren wird Strom in Gas umgewandelt – sehr vereinfacht gesagt. Die CDU-Fraktion in Rottweil jedenfalls bat die Stadtverwaltung, zu prüfen, ob Power-to-gas-Anlagen in Verbindung mit Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden installiert werden könnten. Die Speicherung der Sonnenenergie in Form von synthetischem Erdgas, das im besten Fall auch ins Gasnetz eingespeichert werden könne, sei reizvoll, so die CDU auch mit Blick auf die enorme Zunahme bei der Solarenergie. Man erhoffe sich eine "lokale Vorbildfunktion". Schließlich habe sich Rottweil als freie Energiestadt positioniert.

Euphorie gebremst

Nun, die Euphorie wurde am Mittwoch im Gemeinderat von Holger Hüneke, Technischer Leiter der ENRW Rottweil, deutlich ausgebremst. Denn das Verfahren, so stellte sich bei seinen umfangreichen Recherchen heraus, ist nicht nur sehr neu, sondern scheint auch noch ziemlich unausgereift. Hüneke beschrieb das Prozedere umfassend – und die Sitzung wurde phasenweise zur Chemiestunde.

Hohe Verluste

Erstes Problem: Die aufwendige Umwandlung sorgt für Verluste und damit recht tiefe Wirkungsgrade. "Das Perpetuum mobile gibt es eben nicht", so Hüneke. Grundsätzlich sei die Umwandlung in Wasserstoff effizienter. Und: Der komplexe verfahrenstechnische Prozess sorge dafür, dass erste Pilotanlagen nicht stabil laufen. "Im Labor geht’s – im Keller mit überschaubarem Personalaufwand eher nicht." Bei einem Pilotprojekt, einem "Zero-Emmission-Wohnpark" in Alzey, sei die hoch geförderte Anlage gar nicht erst geliefert worden, die juristische Aufarbeitung laufe seit Jahren. Bei einer Wohnanlage in Augsburg laufe das Verfahren auch nach jahrelanger Tüftelei nicht stabil – und die Wirtschaftlichkeit sei nicht belegbar.

Strompreis spricht dagegen

Dann ist da noch der ebenfalls stark gestiegene Strompreis. Für Hüneke macht es aktuell mehr Sinn, Überschussstrom gleich als solchen ins Netz einzuspeisen. Also "Power to Geld", wie er es bezeichnete. Sein Fazit: Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sei das Ganze nicht zu empfehlen. "Wir wollen keine Pilotanlage, werden das Thema aber mit Interesse weiterverfolgen", ergänzte Oberbürgermeister Ralf Broß. Dem nostalgischen Ausflug von Stadtrat Frank Sucker, der an Anträge der Grünen aus den 80er-Jahren erinnerte, konnte Broß nichts abgewinnen. Man sei in Rottweil auf einem guten Weg und habe in keinster Weise etwas verschlafen. Vergleiche mit irgendwelchen Anträgen von vor 40 Jahren seien da kaum angebracht.

Die CDU jedenfalls zeigte sich angesichts Hünekes Analyse ernüchtert. Das Resümee sei aber "nachvollziehbar", so Monika Hugger. "Power to gas" – für Rottweil aktuell also kein Thema. Mit einem neuen Solarpark in Hausen will die Stadt aber dennoch eine Vorreiterrolle einnehmen.

INFO

Power-to-Gas (kurz PtG oder P2G, frei übersetzt: "Elektrische Energie zu Gas") ist ein energiewirtschaftliche Technologie, nach der mittels Wasserelektrolyse und unter Einsatz elektrischen Stroms ein Brenngas hergestellt wird. Dieses Brenngas kann zur späteren Verwendung gespeichert werden. Unter anderem kann es in Form von Power-to-Fuel im Verkehrswesen genutzt werden (insbesondere als Treibstoff für Schiffe und Flugzeuge), als chemischer Rohstoff dienen (üblicherweise als Power-to-Chemicals bezeichnet) oder zur späteren Rückverstromung in Gaskraftwerken in der Gasinfrastruktur zwischengespeichert werden. Daneben existieren auch Konzepte für integrierte Speicherkraftwerke auf Basis reversibler Brennstoffzellen. (Quelle: Wikipedia)