Schon jetzt steht fest: Dieser Prozess dürfte schwierig werden. Die drei Angeklagten haben über „ANOM“ kommuniziert. Die Frage ist: Sind die Erkenntnisse, die aus dem Abhören dieser Plattform erworben wurden, vor Gericht verwertbar?
Dass es ein ganz besonderer Prozess werden dürfte, räumt die Richterin Manuela Haußmann gleich zu Anfang ein. „In diesem Umfang habe ich in meiner Zeit ein oder zwei Verfahren erlebt“, sagt sie. Offiziell lautet die Anklage „unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. Doch das klingt eher noch harmlos.
Tatsächlich wird den drei jungen Männern auf der Anklagebank zur Last gelegt, mehr als 250 Kilogramm hochwertiges Marihuana im Wert von mehreren Hunderttausend Euro sowie drei Kilogramm Kokain ge- und verkauft zu haben.
Der Staatsanwalt spricht von insgesamt 14 Einzeltaten, die von April 2020 bis Juni 2021 sowie im Februar und März dieses Jahres begangen worden seien. Als Tatorte nennt er Pforzheim, Calw und Nagold. Teilweise sei es um Lieferungen von über 50 Kilogramm Marihuana aus dem Ausland gegangen.
Alle drei Angeklagten sind in Haft
Die Angeklagten sind zwischen 30 und 33 Jahre alt, einer soll zudem eine Pistole sowie Munition besessen haben. Alle drei Angeklagten sitzen in Haft.
Doch es gibt eine ganz besondere Schwierigkeit in dem Prozess – und auch die spricht die vorsitzende Richterin gleich zu Beginn an. Die Angeklagten haben in aller Regel beim Einfädeln ihrer Drogendeals über die illegale und geheime Plattform ANOM kommuniziert – aus dem Abhören dieser Plattform haben die Justizbehörden die Erkenntnisse gewonnen, die zur Anklage geführt haben.
Die vermeintlich sichere Kommunikationsplattform wird von Kriminellen genutzt, wird aber von der US-Behörde FBI betrieben. Es ist in Deutschland noch nicht ganz geklärt, ob die daraus gewonnenen Erkenntnisse der Behörden gerichtlich verwertbar sind. Zwar gibt es entsprechende Urteile, die dies bejahen, aber es heißt, letztlich müsse diese Frage wohl höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof geklärt werden – wann ein solches Urteil gefällt werden könnte, ist allerdings völlig unklar.
Richterin deutet Dilemma an
Auch Haußmann deutet dieses Dilemma an, meint aber: „Verwertbar oder nicht ..? Wir gehen davon aus, dass es nach derzeitiger Meinung verwertbar ist.“ Am Rande des Prozesses verlautet aber vertraulich, falls die Erkenntnisse aus ANOM nicht verwertbar sein sollten, würde das gesamte Verfahren in sich zusammenbrechen.
Angesichts dieser vermeintlich problematischen Beweislage kommt möglichen Geständnissen besondere Bedeutung zu. Allerdings ist nur einer der drei Beschuldigten geständig. Der Angeklagte A. lässt von seinem Verteidiger eine entsprechende Erklärung verlesen. Die Anklage sei zutreffend, er sei „zur Finanzierung der eigenen Sucht“ in den Drogenhandel eingestiegen. „Es ist mir im Nachhinein unbegreiflich, dass ich mich in diese Straftaten habe hineinziehen lassen.“ Zugleich fügt er Angeklagte hinzu: „Das soll keine Entschuldigung sein.“ Er habe seitdem versucht, „ein neues Leben zu führen“, die Geburt seiner Tochter helfe ihm dabei.
Sechs Verhandlungstage sind angesetzt
Er habe 2016 eine Lehre als Fahrzeuglackierer abgeschlossen und eine eigene Werkstatt aufgemacht. Die Werkstatt sei aber nicht gut gelaufen, „ich war viel zu blauäugig gewesen“, meint er. Dann sei der Wunsch an ihn herangetragen worden, in seiner Werkstatt Platz zur Lagerung zur Verfügung zu stellen. „So kam ich in Kontakt mit größeren Mengen Marihuana.“ Dann sei er auch in die Kommunikation auf ANOM eingestiegen, habe einen Decknamen erhalten. „Ich hatte immer wieder Angst vor Entdeckung“, und er fügt hinzu: „Mein Verhalten bedauere ich sehr.“
Durch derartige Geständnisse könnte das Verfahren ganz erheblich vereinfacht werden, eine schwierige, langwierige und komplizierte Beweisaufnahme könnte so verkürzt werden – das macht auch Richterin Manuela Haußmann deutlich. Mit Blick auf die beiden anderen Angeklagten, die nicht geständig sind, meint sie denn: „Je früher ein Geständnis kommt“, desto stärker könne dies als strafmilderdend betrachtet werden. „Das müssen Sie abwägen“, sagt die Richterin.
In dem Prozess sind sechs weitere Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil wird Mitte Oktober erwartet.