Ein 39-Jähriger Mann aus Donaueschingen hat am ersten Prozesstag am Landgericht Konstanz den Handel mit über 1,6 Tonnen Drogen im Raum Donaueschingen in weiten Teilen zugegeben. Wie aber kam es aus seiner Sicht zu der unheilvollen Entwicklung?
Donaueschingen/Konstanz - Bereits mit zwölf Jahren habe er mit Kiffen begonnen, heißt es in seiner Stellungnahme vor Gericht. Drogen hätten zuhause überall herumgelegen, da der Stiefvater offen Betäubungsmittel konsumierte. Kontakt zu seinem leiblichen Vater gab es kaum. Nach Realschulabschluss und Zivildienst folgten Gelegenheitsjobs. Mit der Volljährigkeit habe er angefangen, Alkohol zu trinken, später kamen Speed und Kokain hinzu.
Letzteres konsumierte er bald regelmäßig, war viel in der lokalen Partyszene unterwegs. "Kokain hat mir Sicherheit gegeben und mich leistungsfähig gemacht", heißt es in seiner Aussage. Darüber hinaus habe er bis zu 100 Gramm Marihuana pro Monat konsumiert. Nach und nach begann er auch mit Drogen zu handeln. Ab 2018 dann in großem Umfang, dann auch mithilfe von sogenannten Krypto-Handys, die lange als abhörsicher galten.
Vor elf Jahren sei er eine Beziehung eingegangen, die von Trennungen, Versöhnungen und von Sucht geprägt war. Ein Jahr später kam ein gemeinsamer Sohn zur Welt. "Mein ein und alles", antwortete der Angeklagte Richter Joachim Dospil auf Nachfrage zu den Familienverhältnissen. Der Sohn ist nun offenbar auch Zankapfel in der letztlich gescheiterten Beziehung.
Von leiblicher Mutter erpresst
Die Mutter befinde sich in einer Entzugstherapie, der Sohn ist in einem Internat untergebracht. Die Verteidigung führte an, dass der 39-Jährige von der leiblichen Mutter seines Sohns wohl erpresst worden sei, in der Form von Geld gegen Umgangszeit. Ein möglicher Grund, weshalb der Angeklagte sein Drogengeschäft derart ausgebaut habe und selbst immer weiter der Sucht verfiel. Von dem Geld aus den Drogengeschäften sei außerdem nichts mehr übrig.
Großmutter will sich um den Enkel kümmern
Sorgen bereite ihm vor allem die Zukunft seines Sohnes und wie die Umgangszeit künftig geklärt sein werde, so der Hauptangeklagte. Seine mitangeklagte Mutter sei jedoch die Bezugsperson seines Sohnes, bei ihr fühle er sich wohl. Und nicht zuletzt habe sie sich seit der Geburt viel um den Jungen gekümmert.
Dies bestätigte dann auch die 61-Jährige in ihrer Aussage. Gerne würde sie wieder mehr Zeit mit dem Zehnjährigen verbringen, für den derzeit alles besonders schwierig sei, sagte sie unter Tränen. Den Sorgen der beiden entgegnete Richter Dospil, dass die Situation einerseits tragisch sei, der Junge andererseits aber nicht erst jetzt da sei und man es nicht hätte so weit kommen lassen müssen. Dagegen konnte auch der 39-Jährige nichts erwidern und versprach, sich zu bessern, einen Entzug zu machen und nach dem Verbüßen einer Strafe ein neues Leben beginnen zu wollen.
Die Mutter des Angeklagten hatte in ihrem Leben offenbar auch schon Kontakt mit Drogen. Seit der Trennung von ihrem Ehemann konsumiere sie aber nicht mehr und trinke auch keinen Alkohol, erklärte sie. Mit Minijobs, Unterstützung von der Agentur für Arbeit sowie durch Einnahmen aus einer Untervermietung ihrer Wohnung halte sie sich finanziell über Wasser, trotz einschränkenden gesundheitlichen Problemen.
Eine Beteiligung an den Drogengeschäften ihres Sohnes stritt die 61-Jährige ab. Von seinem Konsum und den Geschäften habe sie allerdings gewusst und sich Sorgen gemacht. Genauer nachgefragt habe sie jedoch nie, auch dann nicht, als er sie um Unterstützung bei der Anmietung einer Garage bat, wo er später Drogen zwischenlagerte, oder als er später aus demselbem Grund das gemeinsame Auto in Beschlag nahm.
Gegenüber ihrem Sohn habe sie einfach noch nie "nein" sagen können. Die bei ihr in der Wohnung beschlagnahmten Umschläge mit wenigen tausend Euro Bargeld erklärte sie damit, dass sie in den beschrifteten Umschlägen für ihre Enkel Geld anspare.
Freund überlässt Dealer ganzes Stockwerk
Ein paar wenige tausend Euro Bargeld wurden auch im Haus eines 44-jährigen Mitangeklagten aus Donaueschingen sichergestellt. Dies sei der Rest einer Lebensversicherung, mit welchem er nach Thailand zu seiner Frau und seinem Kind habe auswandern wollen, sagte der 44-Jährige. Kurz vor Corona kehrte er allerdings wieder zurück. Der Mann soll laut Anklage dem 39-Jährigen ein Stockwerk in seinem Haus frei zugänglich überlassen haben, um dort die Drogen zu lagern. Als Miete gab es Stoff für den Eigenkonsum, denn auch der 44-Jährige gab zu, schwer abhängig zu sein. Zuletzt habe er täglich bis zu zehn Bier am Tag getrunken und bis zu drei Gramm Marihuana konsumiert. Auch von den Amphetaminen im Haus will er sich ab und an bedient haben.
Als Grund für seine Sucht nannte er den Verlust seiner Arbeit, den Wegzug von Frau und Tochter zurück nach Thailand und den Tod seiner Mutter, alles in kurzen Abständen. An den Drogengeschäften seines Bekannten sei er nicht beteiligt gewesen, habe nur einmal vermittelt. Nach einem zufälligen Wiedersehen – sie waren einmal Arbeitskollegen – war schnell der Drogenkonsum beider Männer Thema, was alsbald in der oben genannten Kooperation geendet habe.
Irgendwann wurde es aber selbst dem 44-Jährigen zu viel, er habe Ende 2020 die Vereinbarung beendet, erklärte er. Jetzt wolle er den Drogen sogar komplett abschwören, legte am Verhandlungstag sogar eine Therapiezusage vor. Am Ende seiner Aussage stand der Wunsch nach einer geschlossenen Therapie, denn ohne Hilfe schaffe er es nicht. Sein Zukunftsziel: das Haus zu verkaufen und irgendwann doch zu seiner Familie nach Thailand auswandern zu können.
Der vierte Angeklagte, ein langjähriger Freund des 39-jährigen Haupttäters, machte am Mittwoch keine Aussage zu den Vorwürfen. Er soll laut Anklage ebenfalls mit den Drogen seines Freundes gehandelt haben. In der Verhandlung ging es lange auch um das Thema, ob die Chatprotokolle aus dem EncroChat-Smartphone des Hauptangeklagten in die Beweisverwertung aufgenommen werden. Dies wurde zunächst von mehreren Verteidigern abgelehnt, da die Daten mit Hilfe einer Trojaner-Software von französischen Ermittlern auf einem Server in Holland sichergestellt wurden. Dies sei ein Verstoß gegen Rechtsstaatlichkeit und damit seien die Protokolle unverwertbar. Die Kammer lehnte den Einspruch seitens der Verteidigung mit Verweis auf ein bereits erfolgtes Urteil und gab die ausgedruckten Dokumente für ein Selbstleseverfahren bis zum kommenden Verhandlungstag aus.
Für den Drogenprozess sind insgesamt fünf Verhandlungstage angesetzt. In der nächsten Verhandlung am 5. November sollen erste Zeugen gehört werden. Die weiteren Termine sind angesetzt für Freitag, 12. November, Montag, 22. November und für Dienstag, 30. November, jeweils um 9 Uhr.