Foto: Leif Piechowski

Zum 31. Juli 2013 wird das Zentrum Mobile Dienste in Bad Cannstatt, eine von vier Einrichtungen des DRK Kreisverbands Stuttgart, drastisch verkleinert: Sämtliche Schulfahrdienste fallen weg.

Stuttgart - Für mehr als 100 Fahrerinnen und Fahrer des DRK begann die Woche mit einer bitteren Nachricht. Ihr Arbeitgeber hatte sie für Montagmorgen, 9 Uhr, zu einer Besprechung ins Zentrum Mobile Dienste im Bellingweg in Bad Cannstatt einbestellt. Dort verkündete der Leiter des Geschäftsbereichs Sozialarbeit, Matthias Schroff, den rund 80 Anwesenden, dass ihre Dienste nicht mehr benötigt würden. Mit Ende des Schuljahres werde das Rote Kreuz in Stuttgart seine derzeit 62 Schülertouren beenden. Und nicht nur das. Teilnehmer des Treffens notierten, dass sich das DRK auch aus anderen mobilen Diensten zurückziehen werde, etwa aus dem Menüdienst Essen auf Rädern sowie möglicherweise aus der Beförderung von behinderten Erwachsenen.

„Die Fahrer saßen völlig konsterniert da“, berichten Teilnehmer: „Die waren k. o.“ Auf die Frage nach den Gründen habe der DRK-Vertreter ausweichend geantwortet. Schroff verwies demnach auf einen Beschluss des DRK-Kreisvorstands vor zwei Wochen. Jahrelang habe man bei der Stadt Verbesserungen angemahnt und versucht, mit Sparmaßnahmen über die Runden zu kommen. Vergeblich. Nun könne man nicht länger zusehen, wie sich die Verluste vergrößerten, und müsse Konsequenzen ziehen. Der Vertreter des Betriebsrats, so berichten Teilnehmer weiter, habe zu dem Ganzen geschwiegen.

Beförderung von Schülern mit Behinderung rechne sich für das Rote Kreuz nicht mehr

Der Schritt hatte sich angedeutet, dass er so weitreichend sein würde, kommt jedoch überraschend. Gegenüber unserer Zeitung hatte der Sprecher des DRK-Kreisverbands Stuttgart, Udo Bangerter, vor dreieinhalb Wochen erklärt, die Beförderung von Schülern mit Behinderung rechne sich für das Rote Kreuz nicht mehr. Die Kosten ließen sich nicht weiter drücken. Obwohl man Fahrern und Begleitpersonen nur geringe Löhne bezahle (Bruttoverdienst: unter acht Euro pro Stunde), fahre das Rote Kreuz bei der Schülerbeförderung ein Minus im „spürbaren sechsstelligen Bereich“ ein. Mit Blick auf die in Stuttgart anstehende europaweite Ausschreibung von 122 Schülertouren für die nächsten drei Jahre sagte der DRK-Sprecher damals: „Wir machen keinen Fahrdienst um jeden Preis.“

Schließlich wird das Fahrdienst-Geschäft nicht günstiger werden. Aufgrund der stark gestiegenen Benzinpreise geht die Rechnung schon lange nicht mehr auf. Jetzt kommen zusätzliche Ausgaben beispielsweise für die Schulung von Fahrern und Begleitpersonen hinzu. Auf Druck von Eltern und der SPD-Gemeinderatsfraktion sollen die Qualitätsstandards angehoben werden. Die Vergütung durch die Stadt erhöht sich jedoch nicht automatisch. Rund drei Millionen Euro wendet die Landeshauptstadt jährlich für die Beförderung behinderter Schüler auf. Dazu kommen 275 000 Euro für Begleitpersonen, die seit diesem Schuljahr vorgeschrieben sind.

Fahrer sind frustriert

Kritischen Fahrern leuchtet der Rückzug nicht ein. „Warum gibt das Rote Kreuz nicht ein Angebot zu einem reellen Preis ab?“, wurde der DRK-Vertreter gefragt. Eine Antwort blieb er nach Teilnehmerangaben schuldig. Stattdessen sprach er von Verantwortung. Zu diesen preislichen Bedingungen könne das Rote Kreuz die Touren nicht mehr anbieten, bekamen die Fahrer zu hören. Sie selbst wurden vertröstet. Sie könnten sich ja an andere Organisationen wenden, bedeutete man ihnen. Nach einer halben Stunde verließen sie frustriert die Versammlung. Sie müssen befürchten, Ende Juli ohne Beschäftigung dazustehen, auch wenn sie nur geringfügig war.

Dieser Status macht ihre Position schwierig. „Von den Minijobbern ist wenig Widerstand zu erwarten“, erklärt einer aus ihrem Kreis. Ebenso wenig vom Betriebsrat, da die geringfügig Beschäftigten nicht gewerkschaftlich organisiert seien. In seiner Feststellung schwingt Bitterkeit mit: „Sklaven hatten es besser als wir – sie mussten immerhin von ihrem Herrn versorgt werden.“ Der Fahrer, der namentlich nicht genannt werden will, spricht von einer „riesigen Belastung“, der das Fahrpersonals jetzt ausgesetzt sei. Sie müssten bis 31. Juli in dem Wissen Dienst tun, anschließend auf der Straße zu stehen.

Der DRK-Sprecher relativiert dies. „Es ist richtig, dass das Rote Kreuz aus Kostengründen künftig keine Schülertouren mehr fahren wird“, sagt Bangerter auf Anfrage unserer Zeitung. Mit den Fahrern und Begleitpersonen würden demnächst Gespräche über eine Weiterbeschäftigung in anderen Bereichen geführt. Über die Zahl der Personen, die weiterbeschäftigt werden sollen, macht er keine Angaben. Abzüglich des Fahrpersonals arbeiten im Zentrums Mobile Dienste rund 60 Personen.

Fest steht: „Auf dem Hof wird es leerer werden“, sagt Bangerter. Rund 100 Fahrzeuge würden veräußert. Bis auf Einzeltransporten würden die Fahrdienste komplett eingestellt. Im Sommer nächsten Jahres stünden auch diese Fahrten auf dem Prüfstand. Der DRK-Sprecher bestätigt zudem, dass das Rote Kreuz seinen Menüdienst aufgeben wird – eine Konsequenz aus der Tatsache, dass immer mehr private Anbieter auf den Markt drängen. Beim Essen auf Rädern sei das Rote Kreuz ohnehin mit vier Touren nur ein „kleiner Player“, sagt Bangerter. Beibehalten will das DRK dagegen alle Angebote der Sozialarbeit – von der häuslichen Pflege bis zum Besucherdienst.