Nach dem Spiel geht es für manche Hooligans in die so genannte dritte Halbzeit – der Schlägerei nach dem Spiel Foto: dpa

Bundesrichter sehen Hobbyprügeleien als sittenwidrig an – Freisprüche von Hooligans sind aber rechtskräftig.

Stuttgart - Vor drei Jahren sah es so aus, als sei die Sache juristisch eingetütet. Damals war die Staatsanwaltschaft mit ihrem Ansinnen gescheitert, verabredete Prügeleien zwischen Fußballanhängern, auch Drittortschlägereien oder dritte Halbzeit genannt, unter Strafe zu stellen. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Freisprüche des Landgerichts Stuttgart indirekt ins Abseits gestellt – sehr zur Freude von Staatsanwalt Apostolos Milionis.

 

Anlass für die Entscheidung war ein Fall, der nichts mit den bundesweit ausgetragenen Schlägereien zwischen angeblichen Fußballfans zu tun hat. Im Sommer 2012 hatte das Landgericht sechs Mitglieder der Black-Jackets-Nachwuchsgruppe Azzlaks wegen Körperverletzung zu Arbeitsstunden und Bewährungsstrafen verurteilt. Die Burschen hatten sich im Juli 2012 am Rande des Heumadener Feuerwehrfestes mit einer rivalisierenden Jugendbande geschlagen. Der schwerwiegende Grund: Streit um ein Handy. Drei Verteidiger legten Revision ein. Begründung: Die zwei Gruppen hätten vor der wüsten Prügelei vereinbart, den Streit mit Schlägen und Tritten auszutragen. Solche Auseinandersetzungen seien vergleichbar mit sportlichen Wettkämpfen.

Nach festgelegten Regeln prügeln sich die zwei Teams die Nasen blutig

Ebenso hatten die Verteidiger mehrerer Fußball-Hooligans argumentiert, die Staatsanwalt Milionis seit 2008 vor Gericht gebracht hatte. Dabei war es um Drittortschlägereien gegangen, die von Insidern Matches genannt werden. So trifft sich beispielsweise eine Abordnung aus Stuttgart in einem Waldstück mit einer Gruppe aus Dresden. Nach festgelegten Regeln prügeln sich die zwei Teams die Nasen blutig und die Glieder blau. Das Ganze wird gefilmt und ins Internet gestellt.

Zehn solcher Matches unter anderem gegen Frankfurt, Hamburg, München und Kassel wurden zwei Männern aus dem Esslinger Raum zur Last gelegt. Die Esslinger Richter sprachen die Hobbyprügler vom Vorwurf der Körperverletzung frei – zum Ärger der Staatsanwaltschaft. Apostolos Milionis hatte argumentiert, die angeblich festen Regeln würden regelmäßig verletzt, es komme zu Angriffen von hinten, zum Teil würden Werkzeuge wie Quarzhandschuhe und Stöcke eingesetzt. Und das mit unabsehbaren Folgen.

Also ging die Staatsanwaltschaft in Berufung. Doch das Landgericht Stuttgart bestätigte die Freisprüche. Ein Richter sagte, nicht alles, was geschmacklos und unerwünscht sei, sei auch verboten. Man habe sich zehn verabredete Prügeleien auf Video angeschaut. Dort sei keine schwere Verletzung zu sehen gewesen. Nur wenn Regelverstöße die Regel und schwerste Verletzungen zu verzeichnen seien, könne man von Sittenwidrigkeit sprechen, so die Richter. Die Freisprüche sind rechtskräftig.

Künftig werden Urteile in solchen Fällen anders ausfallen. Denn der BGH hat die Revision im Fall der verabredeten Schlägerei in Heumaden verworfen. Der 1. Strafsenat hat deutlich gemacht, dass eine solche Prügelei sittenwidrig sei – trotz der Zustimmung der Teilnehmer. Denn die bei solchen Auseinandersetzungen eintretenden gruppendynamischen Prozesse seien generell mit einem erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit verbunden. Also sei die Grenze zu Sittenwidrigkeit überschritten. Sportwettkämpfe wie Fußballspiele oder Boxen fallen nicht unter diese Kategorie. Denn dort gebe es ein festes Regelwerk. Drittortschlägereien zwischen Fußball-Hooligans seien aber sehr wohl sittenwidrig – wegen der typischen Eskalationsgefahren, so der BGH.