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Während ihrer Mission lassen sich die Wissenschaftler der internationalen Weltraumstation ISS erstmals ein Menü des Drei-Sterne-Kochs Harald Wohlfahrt schmecken.

Baiersbronn / Houston - Astronauten sind auch beim Essen den Sternen ganz nah. Während ihrer Mission lassen sich die europäischen und US-Wissenschaftler der internationalen Weltraumstation ISS erstmals ein Menü des Drei-Sterne-Kochs Harald Wohlfahrt aus Baiersbronn schmecken.

Frank de Winne schreibt derzeit Geschichte. Der Belgier ist der erste Europäer, der das Kommando der ISS übernommen hat. Seit dem 27. Mai ist er mit der Raumstation auf der Umlaufbahn, seit dem 11. Oktober hat er sogar das Sagen in der Crew.

Früher bekamen die Astronauten gefriergetrocknetes, Energiewürfel oder Space-Food aus der Tube. Nichts für Feinschmecker. Doch De Winne muss trotzdem nicht darben. Schon Thomas Reiter, einer seiner Vorgänger, kam in den Genuss von feinen Speisen. An einem Sonntag im November 2006 wurden dem Deutschen gebratene Wachteln des französischen Drei-Sterne-Kochs Alain Ducasse aufgetischt. "Es war köstlich", schwärmte Reiter hinterher. Um den Abenteuertrip 400 Kilometer über der Erde für die Helden im All erträglicher zu machen, ging die europäische Weltraumbehörde Esa dazu über, ihnen zu besonderen Anlässen wie etwa an Neujahr, Geburts- oder Sonntagen spezielle Menüs anzubieten.

Ducasse setzte auf typisch mediterrane Zutaten wie Oliven, Tomaten, Auberginen, Wachteln und Schwertfisch. In Dosen verpackt entsprachen die Gerichte den strengen Hygienevorschriften, die für Nahrungsmittel im All gelten. Alles, was die Crew noch zu erledigen hatte, war die Dosen im stationseigenen Backofen aufzuwärmen.

Für die aktuelle Mission hat nun mit Harald Wohlfahrt erstmals ein deutscher Sternekoch ein Drei-Gang-Menü fürs All gekocht. Normalerweise zaubert der 54-Jährige, der ebenfalls zu den besten Köchen Europas zählt, in seiner Schwarzwaldstube in Baiersbronn sieben Gänge auf den Tisch. Fürs Orbit aber wählte er beste Hausmannskost mit regionalen Produkten: Zuerst ein Kartoffelsüppchen mit Majoran und Blutwurst, als Hauptspeise geschmorte Kalbsbäckchen mit Gemüse in Balsamicoessigsauce, und zum Nachtisch ein Zwetschgenkompott in Sternanis-Gewürzsud.

Selbst für den längst im Koch-Olymp angekommenen Wohlfahrt war dieses Menü eine Herausforderung. Die Ansprüche an die Astronautenkost sind außergewöhnlich. Da die Geschmackssinne des Menschen fern ab der Erde reduziert sind, muss das Essen stark gewürzt werden. Ausnahme: das Salz. Wäre Salz im Menü, würden die Knochen der Astronauten zurückgebildet. Also dürfen die Speisen nicht gesalzt werden.

Vom Koch-Olymp ins All geschwebt

Auch Zwiebelgewächse sind tabu. Wohlfahrt umschreibt die menschlichen Blähungen süffisant: "Die Astronauten können ja keine Fenster aufmachen um durchzulüften." Kein Salz und keine Zwiebeln, dafür soll die ISS-Besatzung um so mehr Kalzium und Vitamin D zu sich nehmen. Eine weitere Vorgabe: Das Essen muss 2,5 Jahre haltbar sein - ohne Konservierungsstoffe. Da stieß selbst der Meisterkoch an seine Grenzen und musste auf die Hilfe eines Kölner Labors zurückgreifen.

Auch für die Verpackung gelten strenge Vorgaben der Weltraumbehörden Esa und Nasa. Jedes Kilogramm Gewicht, das nach oben geschossen wird, kostet nämlich 24000 Euro. Also entwickelte ein Getränkehersteller einen Beutel, der pro 200 Milliliter Getränk nur 4,3 Gramm wiegt.

Dass die Küchen-Crew der Schwarzwaldstube ein Menü für Astronauten komponierte, geht auf ein Gespräch zwischen dem Astronauten Professor Ernst Messerschmid (64) und dem Patron des Spitzenhotels Traube Tonbach, Heiner Finkbeiner (60), zurück. Lachend erinnert sich Finkbeiner an die Videoaufnahmen, die er gemeinsam mit dem in Reutlingen geborenen Messerschmid ansah. "Was esst ihr da oben eigentlich?", fragte der Hotelier den Professor. Denn dessen Kollegen "sahen so unglücklich aus", erkannte Finkbeiner. Am Ende des Gesprächs war dann die Idee geboren, dass Deutschlands bester Koch ein Space-Food-Projekt der Extraklasse in Angriff nimmt.

In Houston können die Astronauten, bevor sie auf ihre lange Reise gehen, verschiedene Gerichte testen. Allein die russische Raumfahrt bietet ihren Leuten 150 verschiedene Menüs an. Dem belgischen ISS-Kommandanten De Vinne fiel die Wahl nicht schwer. Auf seinem Speiseplan steht auch das Menü aus dem Tonbachtal im Schwarzwald. Sechs Kilogramm an Getränken und Speisen darf ein Astronaut täglich zu sich nehmen - verteilt auf drei Mahlzeiten. Das können die Männer und Frauen in der Station gut gebrauchen. Alleine beim Unterwassertraining auf der Erde, mit dem die Bedingungen im All simuliert werden, verlieren sie pro Stunde ein Kilogramm Gewicht.

Um so wichtiger, dass die Gerichte schmecken. Künftige Astronautengenerationen jedenfalls können sich weiterhin freuen. Harald Wohlfahrt hat bereits die zweite Menüserie in Planung. Was es das nächste Mal zu essen gibt, verrät er aber noch nicht.