Verschwitze Gesichter, Fragen über Fragen – und dann eine Entscheidung: In Rottweil wird kein Großkonzern die Windkraft-Anlagen bauen, sonder ein regionales Konsortium.
Dass auf Rottweiler Gemarkung Windräder gebaut werden, steht fest. Und jetzt ist auch entschieden, wer diese umsetzt, welche Anlagen es werden sollen und wie es weiter geht.
Zwei „Projektierer“ stellten ihre Konzepte am Mittwochabend im Gemeinderat vor – nicht öffentlich. Eigentlich hätte dann ab halbacht der öffentliche Teil beginnen sollen, in dem in Entscheidung präsentiert wird. Doch von wegen. Erst gegen 21 Uhr öffneten sich die Türen. Die Gesichter mancher Stadträte verschwitzt, die Backen rot. „Es war schwierig“, ließ Oberbürgermeister Christian Ruf durchblicken.
Und er verkündete dann, wer das Rennen gemacht hat: ein regional verwurzeltes Konsortium mit der KEER – die Kooperation Erneuerbarer Energien im Landkreis Rottweil GmbH – im Zusammenschluss mit dem Elektrizitätswerkwerk Mittelbaden. In der KEER wiederum sind die Stromversorgung Sulz, die Stadtwerke Schramberg, die ENRW Rottweil und die EnBW Kommunale Beteiligungen GmbH vertreten.
Und in der künftigen „Projektgesellschaft Windenergieanlagen Hart/Vaihinger Wald Rottweil“ wird auch die Klimaregion Rottweil mit im Boot sein, die das Thema Bürgerbeteiligung abdecken wird.
RWE ausgestochen
„Wir wissen, was wir an diesen regionalen Playern haben“, betont OB Ruf im Gemeinderat. Dennoch zeigt sich im Pressegespräch tags darauf, dass der Beschlussvorschlag der Verwaltung eigentlich den anderen Projektierer bevorzugt hatte – es war, wie durchsickert, ohne dass der OB Namen nennt, der Großkonzern RWE.
Der Gemeinderat hat mehrheitlich anders entschieden und auf Regionalität gesetzt. Und auf Schwarzwald-Erfahrung beim Bau von Anlagen in schwierigen Lagen. Mit dieser Entscheidung könne man „sehr gut leben“, so Ruf beim Pressegespräch am Donnerstag. Bekräftigendes Nicken kommt von Bürgermeisterin Ines Gaehn und Fachbereichsleiter Rudolf Mager.
Neben ihnen sitzen die „neuen“ Windkraft-Partner von der KEER, bei denen es sich um bestens bekannte Gesichter handelt: Stefan Kempf ist kaufmännischer Geschäftsführer der ENRW, Peter Kälble Geschäftsführer der Stadtwerke Schramberg.
Keine leichte Entscheidung
Ihre regionale Verwurzelung und die Windkraft-Erfahrung des Partners E-Werk habe im Gesamtkonzept überzeugt, auch die vorgesehenen getriebelosen Anlagen hätten Punkte gebracht, berichtet der OB. Die Debatte sei äußerst intensiv gewesen. „Der Gemeinderat hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Viele Detailfragen der Räte hätten von genauster Vorbereitung gezeugt.
Und der Gemeinderat hat noch eine besondere Entscheidung gefällt: Es soll dem Vorstoß aus Neukirch gefolgt werden, dass der Ort, der die Beeinträchtigungen zu tragen hat, an den Pachteinnahmen partizipiert. Zehn Prozent sollen nach Neukirch fließen. Die 1000-Meter-Abstandsgrenze werde mit 1200 Metern noch übertroffen.
Und was hat der neue Projektpartner nun vor? Stefan Kempf umreißt die Planungen so: Auf der ausgewiesenen Vorrangfläche auf Gemarkung Rottweil sollen möglichst drei Windräder gebaut werden. Ein Standort – jener in der Verlängerung des Einsiedlerwegs – liege jedoch auf einem Kamm und sei sehr herausfordernd.
Die Windkraft-Standorte und die Zahlen
Problemlos machbar sei der Bau am Standort hinter dem Wasserhochbehälter, etwas anspruchsvoller, aber ebenso gesetzt sei jener in Richtung Harthaus – zwei Windräder werden es also sicher. Vorgesehen sind Anlagen des deutschen Herstellers Enercon, die Nabenhöhe liegt zwischen 162 und 182 Metern, der Durchmesser bei 138 bis 175 Metern. Die Leistung beträgt zwischen 6 und 7 Megawatt. Rund 40 000 Personen beziehungsweise mehr als 13 000 Haushalte könnten mit drei Anlagen mit Strom versorgt werden.
Pachthöhe wird nicht verraten.
Was die Pachthöhe – auch die war wichtiges Thema in den Beratungen, und die möglichen Erlöse für die Stadt angeht, darüber hält man sich bedeckt. „Je nach Wind und nach Anzahl der realisierten Räder“, so der Oberbürgermeister.
Und auch der Zeitplan ist noch ungewiss – je nach Dauer der Genehmigungsverfahren und der Umweltgutachten. Die KEER sieht laut im Idealfall einen Baustart 2028 und eine Fertigstellung 2029 vor.
Jetzt steige man in die Vertragsverhandlungen ein, wie Bürgermeisterin Ines Gaehn erklärt. Ziel ist außerdem, noch vor Weihnachten eine Bürgerinfoveranstaltung anzubieten. Auch dort wird es, davon geht OB Ruf aus, noch viele Fragen geben.