So sieht das Drehfunkfeuer am Flughafen Stuttgart direkt an der A 8 aus. Foto: H.-J. Koch/DFS

Der Schutzgürtel um Drehfunkfeuer soll nur noch sieben statt bisher 15 Kilometer betragen. In Baden-Württemberg könnten dadurch einige neue Windkraftanlagen ermöglicht werden.

Manchmal lohnt es sich doch, dicke Bretter zu bohren – seit fast zehn Jahren hat sich unter anderen das Land Baden-Württemberg dafür eingesetzt, Windräder auch innerhalb des Sicherheitsradius der sogenannten Drehfunkfeuer für den Flugverkehr zu ermöglichen. Für den Südwesten sind fünf der bundesweit 51 Drehfunkfeuer relevant. Bisher galt die Windkraft dort als schwierig bis unmöglich, weil die Anlagen das Funksignal stören können, das Flugzeuge zur Navigation benötigen. Doch jetzt ist der Durchbruch gelungen: Der Abstand für Windräder kann auf sieben Kilometer und damit auf weniger als die Hälfte reduziert werden.

 

Wie viele zusätzliche Windräder in Baden-Württemberg jetzt gebaut werden könnten, ist unklar, weil ja auch andere Gründe, wie der Artenschutz, eine Genehmigung noch verhindern könnten. Die Fachagentur Windenergie ging 2019 aber noch davon aus, dass die Drehfunkfeuer bundesweit 1140 Windräder verunmöglichten. Kristine Kelek von der Deutschen Flugsicherung, die die Drehfunkfeuer betreibt, betont, dass man früher bei jeder zweiten Windkraftanlage Einspruch habe einlegen müssen: „Seit der Einführung der modifizierten Berechnungsmethode stimmen wir bei über 90 Prozent zu.“

Eine neue Rechenformel ermöglicht genauere Vorhersagen

In Stuttgart könnte nun etwa der potenzielle Standort auf der Bernhardshöhe an der A 8 bei Vaihingen wiederaufleben: Er liegt knapp innerhalb des 15-Kilometer-Radius des Drehfunkfeuers am Flughafen, aber weit außerhalb des künftigen Sieben-Kilometer-Radius. Die Stadt Stuttgart konnte auf Anfrage aber noch nicht sagen, ob der Standort nochmals betrachtet wird.

Im Südwesten gibt es drei Drehfunkfeuer von Bedeutung – Stuttgart (am Flughafen zwischen der A 8 und Neuhausen), Karlsruhe und Sulz. Affalterbach (Kreis Ludwigsburg) wird nächstes Jahr ganz geschlossen, Dinkelsbühl hat einen lediglich kleinen Einfluss auf Ostwürttemberg. Grund für die Wende ist eben eine neue, bessere Berechnungsmethode des sogenannten Winkelfehlers, der durch Windräder entstehen kann. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig hat eine Formel entwickelt, die präzisere Vorhersagen ermöglicht. So gewichtig war diese Neuerung für die Windkraft, dass gleich zwei Bundesminister, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), sie vor Kurzem der Öffentlichkeit präsentierten.

Viele Drehfunkfeuer werden ganz abgebaut

Daneben geht die Zeit dieser Drehfunkfeuer ganz grundsätzlich zu Ende, weil 95 Prozent aller Flugzeuge heute schon mithilfe von Satellitensignalen navigieren; für die restlichen fünf Prozent wird ein Teil der Anlagen weiter benötigt. Die Deutsche Flugsicherung plant aber, bis 2030 weitere 20 der 51 Drehfunkfeuer zurückzubauen – nach derzeitigem Stand bleiben allerdings die drei im Südwesten.

Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) betont, dass die Bundesregierung jetzt endlich ein „ärgerliches Hemmnis“ aus der Welt geschafft habe: „Sie ermöglicht jetzt mehr Platz für Windräder, den wir für den beschleunigten Ausbau der Windkraft dringend brauchen.“ Noch hat die Flugsicherung für die südwestdeutschen Drehfunkfeuer kein grünes Licht erteilt – dies soll bis Ende des Jahres geschehen.

Bisher Platz für weitere 100 bis 200 Windräder im Staatswald

Daneben bemüht sich die Landesregierung weiter selbst, mehr Windräder in die Vertikale zu bekommen – das 2021 ausgegebene Ziel war ursprünglich, bis 2026 rund 1000 Anlagen auf den Weg zu bringen. Davon sollten 500 im Staatswald gebaut werden. Schon im Frühjahr dieses Jahres war Ministerpräsident Winfried Kretschmann aber von diesem Ziel abgerückt und gab „nur noch“ 100 Windräder pro Jahr als neue Direktive aus.

Immerhin haben das Forstministerium und der Landesbetrieb Forst BW mittlerweile drei Tranchen an Bauplätzen im Wald geliefert, die letzte vor wenigen Tagen. Darunter waren auch zwei kleine Standorte bei Aidlingen und Jettingen im Kreis Böblingen. Insgesamt stehen nun 3900 Hektar an 18 Standorten zur Verfügung – nach Ansicht von Max Reger, dem Chef von Forst BW, reicht das für 100 bis 200 Windräder. Das Interesse von Investoren sei sehr groß, so Reger; es gebe für alle Flächen der beiden ersten Tranchen Angebote. Allerdings ist noch kein einziges Windrad errichtet worden, weil die Genehmigungsverfahren mehrere Jahre dauern. Künftig will das Ministerium einzelne Standorte ausschreiben, statt größere Tranchen zu bündeln, um so kontinuierlich Angebote machen zu können.

In diesem Jahr gingen bisher nur drei Anlagen in Betrieb

In den letzten zehn Jahren sind exakt 103 Windräder im Staatswald errichtet worden. Insgesamt drehen sich 761 Windmühlen im Südwesten. Der Ausbau geht aber seit einigen Jahren extrem schleppend voran: Im ersten Halbjahr 2022 nahmen gerade einmal drei Windräder Fahrt auf. Auch das verringerte Ziel von 100 Anlagen im Jahr wird zumindest 2022 nicht mehr erreicht werden können.