Maike Günter verkörpert die Vogelscheuche, die auf dem Marktplatz zu tanzen beginnt – die Kamera des Lahrer Videoclubs ist hautnah dabei. Foto: Piskadlo

Kameras, Studiolichter und eine menschliche Vogelscheuche – der Videoclub Lahr drehte nach langer Pause wieder in der Lahrer Innenstadt Szenen für ein neues Filmprojekt.

Lahr - Nach zwei Jahren Stillstand laufen die Produktionen des Film- und Videoclubs Lahr wieder auf Hochtouren. "Derzeit haben wir vier Projekte am laufen", erklärt Wolfgang Hierlinger, der seit 30 Jahren Vorsitzender im Verein ist. Für eines davon diente die Innenstadt am vergangenen Dienstag als Filmkulisse. "Das ist das erste große Ding seit Corona", freut sich Hierlinger.

Unter der Leitung von Regisseur, Fotograf und Musiker Enrico Kurz, der bereits seit zehn Jahren mit dem Film- und Videoclub Lahr zusammenarbeitet, wurden Szenen für sein kommendes Musikprojekt gedreht. "Es geht um die Blase der sozialen Medien, in der die Menschen heutzutage leben", erklärt Kurz. Dabei sollen das Video und die Musik eine Gegenüberstellung von zwei Ansichten sein. So soll durch die Musik die "Blase von innen" – die Sicht des Menschen gezeigt werden. Das Video hingegen erzählt die Geschichte einer Vogelscheuche, die zum Leben erwacht und die Lahrer Innenstadt erkundet. "Das ergibt einen Kontrast, da die Vogelscheuche allem Beachtung schenkt. Die Menschen hingegen sind so in ihrer Blase, dass sie nicht einmal die Vogelscheuche bemerken", so Kurz.

Dieses Bild wird am ersten Drehort deutlich: Wenige Meter vor dem Alten Rathaus stellt Kurz das Kamerastativ auf. Jugendbeisitzer Michael Heitz kümmert sich um das Licht, alle anderen gehen auf Position.

Derzeit laufen vier Projekte gleichzeitig

Nachdem die Aufnahme startet, läuft Protagonistin Maike Günter in ihrem Vogelscheuchen-Kostüm die Marktstraße runter. Mehrere Darsteller und Freiwillige kommen ihr mit festem Blick auf das Smartphone entgegen und rempeln sie an.

Nach mehreren Durchläufen zieht das Filmteam weiter in den Gemischtwarenladen "Lapislazuli" in der Lammstraße. Mit moderner Filmausrüstung wird das Geschäft ausgeleuchtet. Thema der Szene: Die Vogelscheuche sieht durch das Schaufenster eine Jacke und möchte diese kaufen. Da die Verkäuferin Stroh als Währung nicht akzeptiert, wird die Vogelscheuche allerdings aus dem Laden vertrieben. Die Szene wird einige Male wiederholt und aus verschiedenen Winkeln gefilmt – ein aufwendiger Prozess.

Die letzte Szene des Drehtags wird auf dem Marktplatz aufgenommen. Das Team des Film- und Videoclubs tanzt gemeinsam mit der Vogelscheuche, auch der Regisseur ist mit dabei. Diese Szene soll das Ende des Videos darstellen, das Ende der Produktion ist es jedoch nicht – ein Drehtag stehe noch aus.

"Am Ende geht das Video rund drei Minuten", schätzt Kurz. "Dahinter stecken allerdings 20 bis 30 Arbeitsstunden." Die meiste Zeit davon beanspruche das Entwickeln der Geschichte und das Verfassen des Drehbuchs – früher sei das nicht anders gewesen. Hierlinger erinnert sich: "Ich bin seit der Gründung im Jahr 1976 dabei. Im Lauf der Zeit hat sich der Sinn – nämlich das Erzählen einer Geschichte – nicht geändert, sondern nur die Technik. Wenn man keine gute Story hat, ist selbst die teuerste Kamera wertlos."

Bei der Produktion eines Films hat sich laut Hierlinger eine Menge getan. "Lange Zeit haben wir mit Filmrollen gearbeitet und hatten dementsprechend weniger Filmkapazität", erinnert sich der Vorsitzende.

Es kommt auf eine gute Geschichte an

Dadurch habe man bedachter gefilmt, da neue Filmrollen auch teuer gewesen seien. Doch Hierlinger sieht auch Vorteile in der Entwicklung: "Jeder hat eine hochauflösende Kamera in der Hosentasche und kann sich kreativ ausleben, früher war sowas nicht selbstverständlich."

Veröffentlicht werden soll das Musikvideo im September auf Internetplattformen wie Youtube. Ein genaues Datum könne noch nicht genannt werden, ist zu hören. "Wir wollen mit dem Projekt auch an Wettbewerben teilnehmen", berichtet Kurz, der bereits mehrere Preise für seine Filme erhalten hat.

Auszeichnungen

Der Film- und Videoclub Lahr wurde 1976 von sechs Hobby-Filmemachern gegründet – heute zählt die Gemeinschaft 25 Mitglieder. Im Lauf der Zeit konnte der Videoclub mehrere Preise gewinnen. So auch der Dokumentarfilm "Vom KdF-Wagen zum Beetle", der beim Landesfilmfestival des Bundesverband Deutscher Film-Autoren im März 2022 mit dem zweiten Platz ausgezeichnet wurde.