Gedenken an die Opfer: Beim Zusammenstoß zweier Maschinen in mehr als 11 Kilometern Höhe waren am 1. Juli 2002 kurz vor Mitternacht 71 Menschen in den Tod gerissen worden, unter ihnen 45 Kinder und Jugendliche. Foto: dpa

Witali Kalojew, der bei der Katastrophe seine Familie verlor, darf an der Gedenkfeier in Überlingen teilnehmen.

München - Der als „Fluglotsenmörder“ bekanntgewordene Russe Witali Kalojew darf zur Gedenkfeier für die Opfer des Flugzeugzusammenstoßes von Überlingen reisen. Mehr als sechs Stunden lang wurde er am Samstag am Münchner Flughafen festgehalten, während seine Einreisegenehmigung geprüft wurde, wie ein Sprecher der Bundespolizei mitteilte. Danach durfte er überraschend weiterreisen.

Kalojew hatte bei dem Unfall am 1. Juli 2002 seine Frau und zwei kleine Kinder verloren. Zwei Jahre später erstach er in Zürich den dienstleitenden Fluglotsen Peter Nielsen. Den dänischen Flugverkehrsleiter, der in der Unglücksnacht allein im Kontrollzentrum in Zürich Dienst tat, hatte er als Hauptverantwortlichen für den Tod seiner Angehörigen betrachtet. Kalojew war in der Schweiz zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. „Seine Strafe hat er abgesessen“, sagte der Polizeisprecher am Samstag. Jetzt reise er mit einem vier Tage gültigen Visum weiter zu der Gedenkfeier.

Am 1. Juli jährt sich das Unglück zum zehnten Mal

Der Zusammenstoß einer Frachtmaschine mit einem russischen Passagierflugzeug gilt als eines der schwersten Unglücke im deutschen Luftraum. Am 1. Juli jährt sich das Flugzeugunglück von Überlingen am Bodensee zum zehnten Mal. Eine Tupolew-Passagiermaschine und eine Fracht-Boeing prallten damals zusammen. Alle 71 Insassen kamen ums Leben, unter ihnen mehrere Dutzend Schulkinder aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan.

Das Unglück - so stellte es die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in ihrem Abschlussbericht fest - ging auf technische Mängel und menschliche Fehler bei der Schweizer Flugsicherung Skyguide zurück. Beide Maschinen sollten bei Überlingen am Bodensee kreuzen. Zu diesem Zeitpunkt saß im Zürcher Kontrollzentrum Nielsen als einziger Fluglotse. Er war allein für den Luftraum über Süddeutschland zuständig, wegen Wartungsarbeiten standen ihm Radar und Telefon nur eingeschränkt zur Verfügung. Das drohende Unglück bemerkte er erst, als es zu spät war: Kurz vor Mitternacht kollidierten die beiden Flugzeuge.

Kalojew war in Russland für seine Tat zum Teil wie ein Held gefeiert worden. Heute ist er Vizebauminister der Teilrepublik Nordossetien. Er hatte bereits angekündigt, dass er gerne zu der Gedenkfeier am Sonntag in Überlingen reisen wolle. „Ich habe ein Visum beantragt. Aber nach allem, was geschehen ist, sind meine Einreisemöglichkeiten wohl beschränkt“, hatte er der Tageszeitung „Moskowski Komsomolez“ vom Freitag gesagt.