Die Fachstelle Sucht beschäftigt sich auch mit der Spielsucht. Foto: Archiv

Erst ein neuer Geschäftsführer bei Träger-Verband bwlv bringt Durchbruch bei Neuverhandlung der Landkreis-Förderung.

Kreis Calw - Manchmal verstecken sich in den Sitzungsunterlagen der einschlägigen Gremien im Kreis Calw kleine oder auch große Dramen. Im BSA des Calwer Kreistags war das jetzt so – als es formal um die Zukunft der Fachstelle Sucht im Landkreis und um deren künftige Finanzierung ging.

Der Hintergrund: Bereits "seit Jahrzehnten", wie es in der Sitzungsvorlage heißt – exakt sind es 45 Jahre – erbringt der baden-württembergische Landesverband für Rehabilitation und Prävention gGmbH (bwlv) mit Sitz in Renchen Leistungen in der Sucht- und Drogenberatung im Landkreis Calw. Dabei wurde die Finanzierung in der Vergangenheit neben "einem prospektiv festgelegten Landkreiszuschuss" (meint: der Zuschuss des Landkreises wird jeweils für die Folgejahre festgelegt) durch eine Landesförderung des Sozialministeriums sowie durch Eigenmittel des freien Trägers sichergestellt.

Prophetisches Wissen des Landkreises?

Die Landesförderung berechnet sich dabei aus einem jeweils festen Zuschuss je vorgehaltener Fachkraftstelle und befindet sich, so die Sitzungsvorlage weiter, "nach Schwankungen wieder auf demselben Niveau wie im Jahr 2008". Was zusammenfassend für den bwlv bisher bedeutete: Steigerungen der Personal- und Sachkosten (für die Fachstelle Sucht im Kreis Calw) mussten von dem gemeinnützigen Verband "insbesondere durch die eingebrachten Eigenmittel ausgeglichen werden", da "die vorab festgelegte jährliche Anpassung des kommunalen Finanzierungsbeitrags auf Basis einer fünfjährigen Vereinbarung zwischen dem Landkreis Calw und dem bwlv deutlich unterhalb den tatsächlichen Tarifsteigerungen" gelegen habe.

Und jetzt kommt der eigentlich dramatische Teil: Mit dem Auslaufen der letzten fünfjährigen Vereinbarung zwischen dem Kreis Calw und dem bwlv zum Ende letzten Jahres, waren noch im vergangenen Jahr neue Vertragsverhandlungen mit dem bwlv gestartet worden. Allerdings: Seit 2018 gab es dort einen neuen Geschäftsführer, nach dem der langjährige, auch im Kreis Calw gut bekannte Amtsinhaber Christian Heise in Rente gegangen war. Der neue bwlv-Geschäftsführer ging dabei in seine ersten Verhandlungen mit dem Kreis Calw "erwartungsgemäß" mit erheblichen (Nach-)Forderungen, da der bwlv als Leistungserbringer, wie es heißt, einen realen Ausgleich "der tatsächlichen Kostensteigerungen mit dem Neuabschluss erzielen wollte".

Entsprechend schwierig gestalten sich wohl die Verhandlungen über die Bezuschussung ab dem laufenden Jahr. Die Sitzungsvorlage wörtlich: "Nachdem mit dem damaligen Geschäftsführer keine andere Lösung gefunden werden konnte und um das Beratungsangebot im Landkreis nicht zu gefährden, einigte man sich letztlich auf eine Vereinbarung mit einer lediglich sechsmonatigen Laufzeit und einer für den Landkreis akzeptablen Erhöhung des Zuschusses". Und weiter: "In Erwartung, dass nach einem Wechsel in der Geschäftsführung des bwlv eine Verbesserung der Kooperation eintritt, sollten im Frühjahr 2020 Verhandlungen über die Zusammenarbeit ab dem 1. Juli 2020 aufgenommen werden".

Woher der Landkreis sein prophetisches Wissen über diese so rasche, erneute Neubesetzung der bwlv-Geschäftführung hatte, sagt die Sitzungsvorlage nicht. Tatsächlich nennt die bwlv-Homepage seit diesem Frühjahr Oliver Kaiser als ihren neuen Geschäftsführer. Was mit seinem, nur so kurzzeitigen Amtsvorgänger passiert sein könnte – dazu mag sich offiziell niemand wirklich äußern.

Allerdings: Bevor es zu einem wirklich neuen, ordentlichen Abschluss einer Vereinbarung zwischen dem Kreis Calw und dem bwlv kommen konnte, hatte nun die aktuelle Corona-Pandemie beide Seiten dazu gezwungen, die bestehende, provisorische Vereinbarung erst einmal um weitere sechs Monate bis zum Jahresende zu verlängern.

bwlv als Träger einer "Substitutionspraxis"

Mittlerweile aber habe ein "erster sehr konstruktiver persönlicher Austausch mit dem neuen Geschäftsführer des bwlv und Vertretern der Fachstelle Sucht Calw" stattgefunden. Auf Nachfrage des Landkreises seien nun "sehr transparente und umfangreiche Angaben zur Kosten- und Erlössituation der Fachstelle Sucht Calw offengelegt" worden. Ebenso sei die Bereitschaft erkennbar, "die Leistungsinhalte der zukünftigen Zusammenarbeit konkret zu beschreiben und bedarfsgerecht zu vereinbaren sowie aussagekräftige jährliche Verwendungsnachweise vorzulegen".

Die Prüfung dieser mittlerweile eingereichten Kalkulation habe ergeben, dass die Leistungen der Fachstelle Sucht im Kreis Calw im bisherigen Umfang auch ab dem 1. Januar 2021 "mit einem kommunalen Zuschuss in Höhe von 241 000 Euro" wie bisher erbracht werden könnten. Dieser – gegenüber den letzten Jahren unveränderte – Zuschuss könne "angesichts der Personalkostensteigerungen in den vergangenen sechs Jahren ohne weiteres als für den Landkreis akzeptabel angesehen werden". Er mache außerdem "die Bemühungen des Trägers deutlich anderweitige Refinanzierungsmöglichkeiten intensiver auszuschöpfen". Klingt nach einem Happy End für den Kreis Calw.

Um aber auch wieder eine längerfristige, beiderseitige Planungssicherheit zu erzielen, solle nun auch erneut eine Vereinbarung mit dem bwlv mit mehrjähriger Laufzeit ausgehandelt werden – wofür der BSA per einstimmigen Beschluss formal der Landkreis-Verwaltung den Auftrag erteilte. Im neuen Vereinbarungs-Zeitraum sollen dann "nach entsprechender Prüfung und Abstimmung" auch jeweils Anpassungen vorgenommen werden können, die dem bwlv künftig "eine Refinanzierung der tariflichen Personal- und Sachkostensteigerungen" ermöglichen würde.

Was den Landkreis dabei besonders erfreut, wie aus der einzigen Nachfrage zum Thema aus den Reihen der BSA-Kreisräte deutlich wurde: Der bwlv und seine neue Geschäftsführung habe sich im Rahmen der aktuellen Vertrags-Gespräche auch interessiert gezeigt, Träger einer sogenannten Substitutionspraxis (für die kontrollierte Abgabe von Methadon) im Landkreis zu werden. Hierzu seien bereits weitere Gespräche anberaumt. Aktuell müssen Suchtkranke im Kreis Calw, die durch die Einnahme von Substitutionsmitteln von ihrer Drogensucht loskommen wollen, dafür auf entsprechende Praxen in den Nachbarkreisen ausweichen. Im Kreis Calw gibt es aktuell keinen Arzt, der etwa Methadon noch verschreibt.