„Ich schäme mich zu Tode für die Welt, die wir der jüngeren Generation überlassen“, sagt Cornelia Funke, die in ihrem neuesten „Drachenreiter“-Roman auch vom Klimawandel erzählt. Foto: dpa

Cornelia Funke setzt ihre Fantasyreihe „Drachenreiter“ fort. Tauelfen und Holzbohrerwichteln, Bläulingen und Trollen, Blinkspinnen und Drachen droht in „Der Fluch der Aurelia“ der Untergang. Der dritte Teil der Saga ist ein eindringliches Plädoyer für den Klimaschutz.

Stuttgart - Rund 200 Staaten ringen derzeit in Glasgow bei der UN-Klimakonferenz darum, wie die Erderwärmung doch noch gedrosselt werden kann. Alok Sharma, Präsident der Konferenz, mahnte am Sonntag, dieses internationale Treffen sei „die letzte große Hoffnung“: „Die Konferenz muss liefern.“ Wie passend also, dass in diesen Tagen mit „Der Fluch der Aurelia“ der dritte Band der „Drachenreiter“-Reihe von Cornelia Funke (62) erschienen ist. Denn der Bestsellerautorin, die sich unter anderem bei Greenpeace engagiert und UN-Botschafterin für biologische Vielfalt war, geht es in ihrem neuen Fantasy-Kinderroman einmal mehr um Klima- und Artenschutz, um den Erhalt der Natur und all der wunderbaren Dinge, die unsere Welt ausmachen.

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Funke fürchtet zwar, dass die Menschheit als „fehlgeschlagenes Experiment“ enden könnte – sofern nicht schnell gehandelt wird. Obwohl sie mit ihrem Engagement in zahlreichen Projekten seit Jahrzehnten zum Umweltschutz beiträgt, entschuldigte sich die Schriftstellerin kürzlich bei einer Lesung bei allen Jüngeren dafür, dass ihre Generation verantwortungslos gewesen sei: „Als ich 17 war, habe ich gedacht, ich mache diese Welt etwas besser – und jetzt schäme ich mich zu Tode für die Welt, die ich euch überlasse.“ Doch um es gleich zu verraten: ganz so düster und pessimistisch geht es in ihrem jüngsten Buch dann doch nicht zu.

Vor fast 25 Jahren begann das Abenteuer

Wie in den beiden Vorgängern ist die Liebe zur Natur und zum Menschen zentrales Thema. Aber auch Freundschaft, Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft oder Rücksichtnahme sind wichtige Elemente der „Drachenreiter“-Reihe. Funke hat sie vor fast 25 Jahren ins Leben gerufen und 2016, 19 Jahre später, mit „Die Feder eines Greifs“ fortgesetzt. Nun schickt sie nach weiteren fünf Jahren Pause ihre Helden um die Familie Wiesengrund wieder auf eine Abenteuerreise.

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Zusammen ist (fast) alles schöner

Wie im echten Leben droht Unheil in dieser Welt voller Fabelwesen und Wunder: Aurelia, eine gigantische Kreatur aus der Tiefsee, bereitet ihre Ankunft vor. Ausgerechnet im dicht besiedelten Kalifornien will das gewaltige, quallenähnliche Lebewesen an Land kommen und in Samenkugeln neues Leben bringen, genauer: neue Fabelwesen. Doch aus Überlieferungen wissen der Archäologe Barnabas Wiesengrund und seine Mitstreiter, dass Aurelia auf keinen Fall gereizt werden darf. Wenn die Menschen an der Küste Kaliforniens panisch reagieren und Aurelia erschrecken, vertreiben oder gar töten, droht allen Fabelwesen der Untergang.

Für den Überblick gibt’s ein “Wer ist wer?“

Tauelfen und Holzbohrerwichtel, Bläulinge und Trolle, Blinkspinnen und Drachen, Mantikors und Zeltasseln – Neuleser könnte die Fülle an Figuren verwirren. Damit man nicht den Überblick verliert, gibt es jedoch am Buchende ein „Wer ist wer“-Glossar. Auch wer die früheren Teile nicht gelesen hat, sollte sich nicht abschrecken lassen: Funke streut Rückblicke und Erklärungen in ihre Geschichte ein, so dass man schnell den Anschluss findet.

Anders als in den Vorgängern steht dieses Mal allerdings nicht der Drachenreiter Ben, sondern seine Adoptivschwester Guinever im Mittelpunkt. Ist ja auch logisch, schließlich ist sie die Wasserwesen-Expertin. Daheim in Mimameidr, dem abgeschiedenen, vor der gefährlichen Menschenwelt verborgenen Reservat, kümmert sie sich hauptsächlich um Nixlings, Perlenfresser, Selkie und allerhand andere aus dem Meer, Seen und Flüssen stammende Kreaturen. Um Aurelia samt ihrer Saat zu retten, müssen sich Guinever und ihre Mutter Vita tief in den Ozean wagen.

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Ein Unterfangen, für dessen Beschreibung Cornelia Funke wohl selbst Mut sammeln musste: Sie habe erst mit 17 das Schwimmen gelernt, erzählte sie bei einer Lesung. Tiefes Wasser jage ihr bis heute „Heidenangst“ ein. „Den Ozean vermisse ich dennoch sehr“, verriet Funke in einem Interview mit der „Zeit“. Nach 15 Jahren in Kalifornien ist die Autorin, deren Bücher in mehr als 50 Sprachen übersetzt wurden, nach Europa zurückgekehrt. Seit September lebt sie in der Toskana. Der Umzug erfolgte auch, da sich Funke in Kalifornien wie „im Schaufenster des Klimawandels“ fühlte. Mit „Der Fluch der Aurora“ hält sie daher ein eindringliches Plädoyer für den Klimaschutz – und singt zugleich ein Loblied auf die Freundschaft, Toleranz und die Macht der Fantasie.

Wird es einen viertel Teil geben?

Zuweilen mag ihre Mission etwas aufdringlich wirken, zumindest auf erwachsene Leser. Die Jüngeren wird die Geschichte um Guinever, Ben und ihre Freunde sicherlich packen. Doch hat die „Drachenreiter“-Saga nun ihr Ende gefunden? Wohl eher nicht. Mit Fortsetzungen lasse sie sich zwar gern Zeit, das Wiedersehen mit Figuren aus früheren Büchern sei aber „immer ganz wunderbar“ merkte Funke kürzlich vielsagend an.

Von der Illustratorin zur Autorin

Arbeit
 Cornelia Funke (62) ist mit mehr als 31 Millionen verkauften Büchern eine der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Über das Bebildern fremder Geschichten kam die Illustratorin selbst zum Schreiben. Zu ihren Bestsellern gehören die „Tintenwelt“-Bücher, „Herr der Diebe“ sowie die „Die wilden Hühner“- und „Reckless“-Reihen.

Privates
 Nach 15 Jahren in Kalifornien lebt Cornelia Funke, die verwitwet ist und zwei erwachsene Kinder hat, seit September 2021 in der Toskana.

Cornelia Funke: Drachenreiter 3. Der Fluch der Aurelia.
Dressler-Verlag, 432 Seiten, 20 Euro. Ab 10 Jahren.