Es treffen sich in der Arztpraxis (von links) Peter Schuster (Jobcenter-Geschäftsführer), Erster Landesbeamte Reinhard Geiser, Martina Lehmann (Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim) sowie Liza Huber vor zwei ihrer Fotografien.Foto: Sannert Foto: Schwarzwälder Bote

Berufswelt: Regisseurin verrät, wie sie mithilfe des Jobcenters in die Selbstständigkeit fand / Corona-Krise trifft die Einrichtung hart

Der Weg in die Solo-Selbstständigkeit war für Liza Huber aus Aach kein einfacher. Wie er dennoch dank der guten Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Arbeitsagentur im Jobcenter Landkreis Freudenstadt gelang, davon berichtete sie im Beisein von Vertretern der gemeinsamen Einrichtung.

Dornstetten. Zum Pressegespräch hatten Martina Lehmann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, der Erste Landesbeamte des Landkreises Freudenstadt, Reinhard Geiser, sowie Peter Schuster, Geschäftsführer des Jobcenters Landkreis Freudenstadt, in die Arztpraxis Geis in der Hauptstraße eingeladen. Dort schmücken Landschafts- und Tierfotografien von Liza Huber die Wände. Ein passender Rahmen also, um deren Weg in die Selbstständigkeit zu erzählen, der ohne die Unterstützung durch das Jobcenter nicht möglich gewesen wäre.

Nach der Trennung von ihrem Ehemann im Jahr 2017 brach für Liza Huber eine Welt zusammen – auch finanziell. Plötzlich saß sie da mit zwei kleinen Kindern und ohne Job. "Ich stand von heute auf morgen vor dem Nichts", erinnert sich die heute 41-Jährige. Ihr sei nur der Weg ins Jobcenter geblieben. Dort musste sie ihre Vermögensverhältnisse offen legen und bekam daraufhin finanzielle Unterstützung – auch, als sie kurz darauf schwer erkrankte. Wieder genesen wurde ihr ein individuelles Bewerbungscoaching (IBC) angeboten, bei dem der jungen Frau bewusst wurde, wie viele Fähigkeiten in ihr schlummern.

Nach einem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaften samt Germanistik und Politik in Leipzig und einem Regiestudium mit Schwerpunkt Dokumentationsfilm an der Filmakademie in Ludwigsburg bekam sie trotz allem keinen, "Leider, oder zum Glück", sagt Huber heute. Als Regisseurin hatte sie für Freunde in deren Betrieben schon öfter Fotos geschossen und Flyer entworfen. Also warum das nicht einfach zum Beruf machen, dachte sie sich und ließ sich beim Jobcenter in der Abteilung für Selbstständige entsprechend beraten. Dort glaubte man an die junge Frau und gewährte ihr für den beruflichen Neustart die entsprechende finanzielle Hilfe.

Wegen Corona brachen alle Aufträge weg

Immer mehr Aufträge flatterten ihr ins Haus. Im März dieses Jahres lief es so gut, dass Liza Huber keine Unterstützung mehr benötigte. Dann kam Corona und alle Aufträge brachen weg. Der Regisseurin und Fotografin blieb nichts anderes übrig, als beim Jobcenter erneut um finanzielle Unterstützung anzufragen, schließlich musste sie Miete bezahlen und die beiden inzwischen acht- und elfjährigen Kinder versorgen. Auch eine Corona-Soforthilfe wurde ihr vom Land Baden-Württemberg gewährt. Für beide Hilfsangebote sei sie sehr dankbar, so Liza Huber, die hofft, dass sich die Lage bald wieder normalisieren wird und sie ihre Arbeit fortsetzen kann. "Das Jobcenter ist mit einem Stigma behaftet – dort gehen nur Menschen hin, die am Existenzminimum leben", erklärt die junge Frau, die in dieser Situation nach Trennung und Scheidung auch steckte.

Doch Beratung und Unterstützung hätten ihr den Weg in die Selbstständigkeit und zu einem selbstbestimmten Leben ermöglicht. Allen Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, vor allem Frauen, rät sie deshalb, diese Möglichkeit der Unterstützung zu nutzen und sich zu trauen, den eigenen Weg zu gehen. Auf ihrem Weg habe sie gelernt "Vertrauen in sich und ins Leben zu haben."

"Das Coronavirus hat uns buchstäblich den Atem geraubt", schilderte Martina Lehmann von der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim die Situation, die für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt massive Einbußen brachte. Die Corona-Krise habe aber nicht nur auf große Konzerne, auf mittelständische Unternehmen und kleine Betriebe enorme finanzielle Auswirkungen, sondern auch auf Solo-Selbstständige, weiß sie. Liza Huber sei ein Beispiel dafür, dass man es schaffen könne, mit Kreativität und engagiertem Handeln.

Arbeitsagentur hat Situation im Griff

Um die Auswirkungen der Corona-Krise auf Solo-Selbstständige bestmöglich abzumildern, wurden verschiedene Unterstützungsangebote auf den Weg gebracht, unter anderem wurden die Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II erleichtert. Jeder dritte Betrieb im Landkreis Freudenstadt hat laut Martina Lehmann für mehr als 21 000 Menschen Kurzarbeit angemeldet. "Diese Dimension hat mit voller Wucht die Arbeitsagentur getroffen." Von den mehr als 1100 Anzeigen auf Kurzarbeit sei bereits die Hälfte bewilligt. Dies sei nur dank eines flexiblen Teams, das hart arbeite und dank personeller Unterstützung, die Landrat Klaus Michael Rückert zugesichert habe, möglich gewesen. Martina Lehmann ist sich sicher: "Wir haben die Situation im Griff." Wichtig sei aber, dass die Hilfe schnell bei denjenigen Menschen ankommt, die sie brauchen. Denn mit Kurzarbeit sende jeder Betrieb das klare Signal, dass er auf Entlassungen verzichten wolle. Deshalb sei hier jeder Euro gut investiert.

Das Arbeitslosengeld II, machte Peter Schuster vom Jobcenter Landkreis Freudenstadt deutlich, werde für ein halbes Jahr gewährt. Selbstständige könnten es nach einer betriebswirtschaftlichen Bewertung als Grundsicherung erhalten, sollten ihre Einkünfte nicht bedarfsdeckend sein. Danach werde geschaut, wie sich die Zahlen tatsächlich darstellen. Gegebenenfalls müsse ein Teil des Geldes zurück bezahlt werden. 25 Selbstständige waren beim Jobcenter bislang registriert. In den letzten Monaten kamen weitere 50 dazu.

Erster Landesbeamter Reinhard Geiser bezeichnete nicht nur den Werdegang von Liza Huber als Erfolgsgeschichte. Auch das gemeinsame Projekt im Landkreis Freudenstadt sei eines. Im Jobcenter habe man es geschafft, unbürokratisch zu arbeiten, lobte er das Engagement während der Coronakrise.

Seit Beginn der Corona-Krise sind Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit stark angestiegen.

Von den Unternehmen im Landkreis Freudenstadt haben im März und April 2020 insgesamt 1123 Kurzarbeit für 21 218 Mitarbeiter angemeldet. 2019 waren es drei Betriebe für 31 Mitarbeiter.

Im März und April meldeten sich im Landkreis Freudenstadt zudem 1307 Menschen arbeitslos. Das entspricht einer Steigerung von 38,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Derzeit sind insgesamt 2576 Menschen ohne Job. Im Bereich der Arbeitsagentur gab es 873 Neuanmeldungen. Hier liegt die Gesamtzahl der Arbeitslosen nun bei 1564. Auf das Jobcenter entfallen 434 Neuanmeldungen. Insgesamt sind dort 1012 Personen arbeitslos gemeldet.