Um Kreuzfahrten ging es bei der Lesung von Wladimir Kaminer in der Zehntscheuer. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Buchwochen: Wladimir Kaminer liest vor

Er war der Star bei den Dornstetter Buchwochen: Der Autor Wladimir Kaminer hatte sein Publikum von Anfang an fest im Griff.

Dornstetten. Und das war in großer Zahl in die Zehntscheuer gekommen. Kaminer las aus seinem Buch "Die Kreuzfahrer", das im Sommer 2018 erschienen war, vor und präsentierte sich als routinierter Unterhalter.

In dem Buch verarbeitete der Schriftsteller Erlebnisse von Kreuzfahrten, an denen er als Teil des Unterhaltungsprogramms teilgenommen und aus seinen Werken gelesen hatte. Das Thema kam beim Publikum sichtlich an. Inzwischen seien zu den beschriebenen Fahrten noch einige dazu gekommen, sagte Kaminer. Erst am Sonntag sei er wieder von einer Kreuzfahrt zurückgekommen.

Zuvor erzählte Kaminer von seinem ebenfalls im vorigen Jahr erschienen Buch mit dem Titel "Ausgerechnet Deutschland". Es handelt von der neben den Touristen anderen großen Gruppe in Bewegung, wie Kaminer es ausdrückte: den Flüchtlingen.

Für die Mühe gibt es eine DDR-Skulptur

Die Bewohner eines kleinen Brandenburger Dorfs – der Schriftsteller lebt abwechselnd dort und in Berlin – versuchten alles mögliche, um ihre neuen syrischen Mitbürger zu integrieren – und alles ging schief. Am Ende zogen die Flüchtlinge nach Cottbus. Trotzdem habe das Dorf einen Integrationspreis erhalten. Die dazugehörige Skulptur – ein Boot – stamme noch aus alten DDR-Beständen, hätte sein Nachbar gemutmaßt, erzählte Kaminer.

Das Aufeinandertreffen von Menschen verschiedener Kulturen prägt das Werk des Autors, der selbst vor bald 30 Jahren aus der damaligen Sowjetunion nach Berlin gekommen war. Kaminer schöpft komisches Potenzial aus den Begegnungen von Menschen mit verschiedenen Hintergründen, wird dabei aber weder überheblich noch fies. Dazu gehört auch das Spiel mit Vorurteilen – sowie ihre Durchbrechung und Überspitzung.

Von Ketten und Pelzwaren

So beginnt etwa die Beschreibung eines Strandes recht klischeehaft: Die Finnen werden schnell rot, die Engländer sind tätowiert, die Deutschen bis zur Unkenntlichkeit mit Sonnenschutz eingecremt, und die Russen tragen Ketten. Daraus entspinnt sich ein historischer Exkurs zur Oktoberrevolution und dem Karl-Marx-Zitat, die Proletarier hätten nichts zu verlieren, außer ihren Ketten. Seit den Sowjetzeiten passten die Russen ganz besonders auf ihre Ketten auf, so Kaminer.

Eine andere Episode spielte in Griechenland, wo Kaminer und seine Frau – wie übrigens auf allen anderen Reisen auch – sofort als Russen erkannt worden wären. Als solchen hätten die Griechen ihnen immer und überall Pelzwaren angeboten, erzählte Kaminer. Bei einem Ausflug hätten sie einen ukrainischen Tänzer kennengelernt, der so gerne in seine Heimat, die Karpaten, zurückgekehrt wäre, aber er und seine Familie seien in Griechenland verwurzelt. Seine Mutter etwa betreibe ein gut gehendes Geschäft für Pelzwaren.

"Die Kreuzfahrer" sei übrigens sein bisher kontroversestes Buch, so der Schriftsteller. Er hätte das eigentlich von seinem Buch über Flüchtlinge erwartet, aber er habe die meisten unterschiedlichen Reaktionen zu diesem Buch gekommen. Ein Leser habe ihm und seiner Frau in einem Brief sogar geraten, sich wegen ihres Alkoholismus in Behandlung zu begeben, berichtete er. Ständig, so der Verfasser des Briefs, hingen die beiden in Bars herum. Aber das sei nun mal der Ort, an dem man am besten beobachten könne, betonte der Autor.

Kreuzfahrtschiffe böten den Menschen die Gelegenheiten, dem Unschönen zuhause und in der Welt zu entkommen. Von Politik, Krieg, Flucht, Armut, zerstörten Landschaften und all dem bekomme man auf den Schiffen nichts mit. Der Schriftsteller verglich die Schiffe mit der Arche Noah, auf der die Menschen auf der Suche nach dem gelobten Land durchs Meer trieben – wobei es dann auch nicht einfach sei, das Paradies zu erkennen.

Eine Schwierigkeit sei bei einer Karibikkreuzfahrt aufgetreten: Alle angebotenen Ausflüge hätten als Titel den Ortsnamen mit dem Zusatz "das karibische Paradies" gehabt. Allerdings sei zuvor Hurricane Katrina über die Inseln gefegt und hätte einige Zerstörungen hinterlassen.