Farbenprächtiges Spektakel mit 70 Gruppen. Selbstüberschätzung: Narrengericht verurteilt Bürgermeister.
Dornstetten - Das Narrengericht mit Bürgermeister Bernhard Haas am Pranger und ein riesiger Umzug mit rund 2500 Hästrägern, der Tausende von Besuchern lockte: Dornstetten war gestern Nachmittag fest in Narrenhand.
Großer Publikumsmagnet war der farbenprächtige Fasnetsumzug der Dornstetter Drillerhansele. Fast 70 Gruppen zogen knapp zwei Stunden lang an den Menschenmassen vorbei. An der Spitze marschierte der Fanfarenzug Aach, gefolgt vom Narrengericht. Als Delinquent wurde Bürgermeister Bernhard Haas, von den Schurkenfängern in Halskrause und in Ketten gelegt, an den Zuschauern vorbei bugsiert. Ebenfalls vorn dabei war die Stadtkapelle in Ponchos und Sombreros. Zahlreiche Hexen und andere schräge Gestalten trieben ihren Schabernack mit den Besuchern. Weißnarren, Gardemädchen und andere Hästräger lockerten den Umzug ebenso auf wie Musikanten und Guggenmusiken.
Während zum Umzug riesige Scharen die Ränder der Hauptstraße säumten, war das Narrengericht auf dem Marktplatz wie schon in den Vorjahren mit rund 100 Zuschauern weniger gut besucht. Delinquent Bernhard Haas musste vor der Hohen Gerichtsbarkeit zu etlichen Vorwürfen Stellung nehmen.
Das Antreten bei der Bürgermeisterwahl gegen den eigenen Chef war einer der Hauptanklagepunkte. Als Mannsbild, das es als Hauptschreiber in dieser ehrwürdigen Oberamtsstadt nicht mehr ausgehalten habe und sich zur Schultheißenwahl stellte, um gegen seinen Chef anzutreten, wurde Haas vom Klageschreiber Wolfgang Reinartz vorgestellt und ihm dabei auch eine gewisse Selbstüberschätzung vorgeworfen. Weitere Anklagepunkte waren, dass Haas den großen Kreisel zur Bahnhofstraße begrüße und die Entscheidungen zu Bahnhaltepunkten und Ganztagsschule schon lange im stillen Kämmerlein getroffen habe. Weitere Fragen: Warum ein Hauptschreiber denn neuer Feuerwehrkommandant sei und wo die angekündigte Bürgernähe bleibe.
Als Advokat stand Helmut Michels dem Stadtchef zur Seite und setzte sich vehement für seinen Mandanten ein. Er sah "Selbstüberschätzung" als übelste Form der Beleidigung an und nannte Haas einen ehrenwerten Mann, der den Streit des alten Schultheiß mit dem Gemeinderat nicht länger ertragen konnte und sich deshalb zur Wahl gestellt habe.
"Was wollt Ihr eigentlich von mir, ein ehrlicher und aufrichtiger Beamter bin ich", verteidigte sich Haas. In Schramberg geboren und in Aichhalden aufgewachsen, sei er schon in der Schule ein lieber und meist braver Bub gewesen. Seine Lehrerin, die man als Frau Bidermann kenne, könne dies bezeugen. Weiter wies der Schultes darauf hin, dass er mittlerweile schon seit bald 19 Jahren glücklich verheiratet sei, zwei Sohne habe und ihn sein legendärer Vorgänger, der ehrenwerte Narrenritter Hans-Jürgen Pütsch, kurz vor seiner Hochzeit nach Dornstetten geholt habe. Hier sei er nun schon im 20. Jahr und tue fleißig seinen Dienst.
Neu im Reigen der Gerichtsbarkeit waren diesmal Jürgen Mast als Vogt und Vorsitzender des Gerichts sowie Uwe Brandecker als Gerichtsschreiber. Drei Richter vervollständigten das Hohe Gericht, das auf das Jahr 1278 zurückgeht und dem auch König Rudolf (Wolfgang Rebmann) beiwohnte. Der frühere Zunftmeister der Drillerhansele, Wolfgang Reinartz, hatte das Narrengericht wieder zusammengestellt.
Trotz seiner Verteidigung wurde Haas zu einer Strafe verurteilt. Und die lässt sich sicher bewerkstelligen: Der Rathauschef soll zum 20. Narrengericht 2016 alle bisherigen Angeklagten nach Dornstetten holen. Ebenso soll er das Versprechen wahr machen, bei der Wahl der beiden Bahnhaltepunkte eine weise Entscheidung zu treffen.