Historiker, Literat, Kabarettist in Personalunion: Sebastian Schnoy bei den Dornstetter Buchwochen. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder Bote

Buchwochen: Sebastian Schnoy trommelt in der Zehntscheuer kabarettistisch für ein friedvolles Europa

Mit einem Hanseaten in der schwäbischen Provinz nahmen die Dornstetter Buchwochen ihren Fortgang. In der Zehntscheuer gab sich der Literat, Historiker und Kabarettist Sebastian Schnoy ausgesprochen gemeinschaftsaffin. Entsprechend lautete sein Programm "Hauptsache Europa! Jetzt erst recht!".

Dornstetten. So begrüßte Kulturamtsleiterin Ellen Brede den weit gereisten Gast als einen, der für Europa brenne. Was er ebenso leidenschaftlich wie kenntnisreich ablieferte, waren persönliche Überzeugungen und politische Präferenzen – alles verpackt in gut verdaulichen Portionen mit kabarettistischen Spitzen als Sahnehäubchen.

Ein Pointenregen ergoss sich über das Publikum, das den intellektuellen Parforceritt sichtlich genoss. Dabei befuhr Sebastian Schnoy keineswegs nur eine Einbahnstraße. Das Publikum, gerne bereit mal mitzuspielen, bekam Gelegenheit, seine Äußerungen mit Klatschen zu bestätigen oder mit Buh-Rufen abzulehnen. Sein Postulat, die Türkei in die EU aufzunehmen, wurde mit eindeutiger Mehrheit verworfen. Dieses Votum ist offensichtlich begründet in dem aktuell regierenden Despoten Erdogan.

Schnoy, Jahrgang 1969, las aus dem noch unveröffentlichten Manuskript seines neuen Buchs "Das bisschen Frieden", das im Mai erscheint. Alles spricht dafür, dass es so erfolgreich wird wie seine vorigen Werke, die sich auf Bestsellerlisten tummelten. Nun ist ein solches Ranking an sich noch kein Qualitätsmerkmal, aber Schnoy hat mit seinen Publikationen "Smorrebrod in Napoli" (2014) und "Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt" (2015) tatsächlich Maßstäbe gesetzt. Schnoy ist dafür kreuz und quer durch Europa gereist, hat sich umgesehen und umgehört, Historie mit Kultur verknüpft und alles in höchst vergnügliche Präsentationen gegossen.

Auch in guten Verhältnissen kommt es zu Verwerfungen und atmosphärischen Störungen. Die Rede ist von allerlei Macken, Eigenschaften und Vorbehalten, die fröhliche Urständ feiern. Davon ist die europäische Familie nicht ausgenommen, und man weiß ja: je mehr Mitglieder, desto größer das Konfliktpotenzial.

Sollte die Monarchie wieder eingeführt werden? Vielleicht wären ja die "Vereinigten Staaten von Europa" mit der englischen Königin an der Spitze ein Lösung! Dass für den Brexit mehrheitlich in Grafschaften gestimmt wurde, in denen der Rinderwahnsinn grassierte, verbreitet man am besten hinter vorgehaltener Hand. Jedenfalls lautete sein Appell: "Bringt Europa auf die Spur! Guckt euch die Nachbarn an!"

Dumpfem Nationalismus und Populismus von rechts erteilte der Kabarettist ebenso eine Abfuhr wie links angesiedelter Technikfeindlichkeit. Nicht völlig überzeugt jedoch sein Argument, dass am Ende vom Islam allenfalls so viel übrig bleibt wie beim Christentum: Feste und Feiertage. Zur Sicherheitsfrage eröffnete er die Möglichkeit, Russland in die Nato aufzunehmen, zumal die Ausstattung der Bundeswehr eher der eines Schrottplatzes entspricht als einer einsatzbereiten Truppe.

Die Zeit ist reif für die Verschleierung – auch von Männern

Religion, Wirtschaft, Kultur: Alles betrachtet Schnoy mit Röntgenblick, und da kommen auch die Deutschen nicht immer positiv rüber. Ein Eindruck vom FKK-Strand ließ in ihm die Überzeugung wachsen, dass die Zeit reif sei für die Vollverschleierung, und zwar von Männern! Diese zeitweilig wenig vorzeigbaren Geschöpfe verdienen nur deshalb mehr als Frauen, weil sie ja viel früher sterben. Frauen stehen demnach erheblich länger im Berufsleben. Dass der Einkommensunterschied deshalb zu Recht besteht, muss schließlich jedem einleuchten.

Apropos Frauen: Sie drängen sich für kabarettistische Spitzen geradezu auf: "Frauen sind wie Hurrikane, wenn sie gehen, nehmen sie Autos und Häuser mit!" Aber: "Für den richtigen Dreck braucht man noch die Männer!" , beispielsweise als Klärwerkstaucher.

Deutsche sind geprägt von vorauseilenden Phobien, so Sebastian Schnoy. Über Jahrhunderte hinweg fühlten sie sich, wie andere Völker auch, von der Mordlust der Russen bedroht. Schließlich hieß es: "Was den Russen Spaß macht, bringt den Deutschen den Tod!" Aber was sich so martialisch anhört, hat einen simplen Grund: den Wodka! Und eine statistische Erhebung besagt, dass die deutlich überwiegende Mehrheit keine Angst mehr vor den Russen hat. Um Trennendes zu überwinden, tritt Sebastian Schnoy an, und sein Credo ist noch höher angesiedelt als Kants kategorischer Imperativ: "Liebe den, von dem man dir erzählt, er sei dein Feind!"