Der Wortakrobat Marcus Jeroch in Aktion bei der Eröffnung des Frühjahrssemesters der Kreisvolkshochschule. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Bei der VHS-Semestereröffnung lässt Marcus Jeroch Wörter und Glieder purzeln

Der Berliner Wortartist Marcus Jeroch ist einer, der sein Metier versteht. Das demonstrierte er nachdrücklich bei der Frühjahrssemester-Eröffnung der Kreisvolkshochschule in Dornstetten.

Kreis Freudenstadt. Das Publikum in der voll besetzten Zehntscheuer kam kaum aus dem Staunen heraus. So schnell, wie Jeroch redet, kann mancher nicht denken. Das führt schon mal dazu, dass eine Pointe erst mit Verzögerung ankommt, auch wenn der Künstler mit einem aufmunternden Augenzwinkern aushilft.

"Schöner denken" heißt sein Programm, und schöner denken geht über den alltäglichen Sprachgebrauch hinaus. Da wimmelt es vor quergedachten Wörtern und Silben, durch die Mangel gedrehten Formulierungen, Alliterationen und Assoziationsketten. Und so, wie Jeroch seine Sprachgebilde, Lyrik und Prosa, ständig neuer Semantik unterwirft, mutet er seinen Gelenken abenteuerliche Verrenkungen zu, windet sich durch einen sperrigen Stuhl, jongliert mit bis zu vier Bällen und gereicht mit seiner Performance jedem Varieté zur Ehre.

Wer schon mal versucht hat, einen Text vorzutragen, in dem ein bestimmter Buchstabe tabu ist, weiß, welch höllische Aufmerksamkeit vonnöten ist, damit das Unternehmen nicht zum Fiasko wird. Jeroch wagt sich gleich an zwei Leerstellen heran: Im ICE-Tempo rast das Sprachgebilde am Gehör vorbei, verschwimmt teilweise zu einem Brei aus Vokalen und Konsonanten, während sich der Künstler Knoten in die Zunge quasselt.

Jeroch muss seine linguistische Akrobatik nicht im Alleingang durchziehen. Unterstützung findet er in dem Buch "Schöner denken mit WoWo" von Friedhelm Kändler, gestaltet von Burkard Neie, erschienen im Jeroch-Verlag. Und wiederum schräg gedacht: WoWo als "Frage auf die Antwort des Dada. Kein abschließender Gedanke, sondern ein Reisebeginn. Und Herz und Hirn winken aus dem Fenster."

Diebische Freude

Diese diebische Freude des Wortverdrehers an der Verballhornung nahm auch Bürgermeister Bernhard Haas in seiner Begrüßung auf. Jeroch als hochbegabter Künstler, gefragter, vielfach ausgezeichneter Nonkonformist bereichere die Kulturszene. Er freue sich immer, so Haas, wenn die Kreisvolkshochschule in Dornstetten aktiv sei als Zeugnis dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen der Bildungseinrichtung und dem Kulturamt bestens funktioniere.

Haas erwähnte bei der Gelegenheit das Grundbildungszentrum des Kreises Freudenstadt, angesiedelt in der Volkshochschule. Es warte wiederum mit Angeboten zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener auf.

"Schöner denken" soll ein "Genussbuch für Menschen mit Sinn für Reim und Rhythmus, abgründige Gedanken, für Tiefe und freudigen Irrsinn zugleich" sein. Phonem und Morphem als Vehikel für Artikulationsakrobatik, schräg und doch häufig von verblüffender Stringenz – gedacht in Windungen von hinten durch die Brust ins Auge: Spielereien mit Dativ und Akkusativ, mit Konjunktiv – er ist im Grundgesetz verankert mit "Die Würde des Menschen…".

Die Moral des Froschkönig-Märchens? "Manche Liebesgeschichten enden mit Flecken an den Wänden!" Aber es liefert auch den Beweis dafür, dass ein "Frosch in der Hand besser ist als ein Prinz auf dem Dach". Wer es bislang nicht gewusst hat, erfährt es von Jeroch: Die Lautkombination "Mama" ist nur eine Verkürzung des Imperativs "Mach mal!".

Desillusionierung allenthalben. Nach eineinhalb Stunden Verbalgewitter und Zugaben entließ der Künstler sein Publikum mit Brummschädel.