Am Ausgang des Bürgersaals übergab Uli Boettcher an die Besucher Chips mit der Aufforderung "Lass stecken" als Appell an die Großmut. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur im Museum: Kabarettist Uli Boettcher nimmt Publikum unter Dauerbeschuss

Kabarettist und Komödiant Uli Boettcher beendete mit seinem Programm "Ü50 – Silberrücken im Nebel" die Frühjahrsreihe der Dornstetter Kultur im Museum. Über zwei Stunden hinweg nahm er im voll besetzten Bürgersaal das Publikum unter verbalen Dauerbeschuss.

Dornstetten. Wortkaskaden und Pointenjagd aus gut geölter Kehle rissen die Gäste ein ums andere Mal zu Lachsalven hin, wobei ein reichlicher Teil aus den Intermezzi mit dem Publikum herrührte – nicht nur zum reinen Vergnügen der Betroffenen.

Uli Boettcher, schon mehrfach zu Gast in diesem "entlegenen Teil des Schwarzwaldes", ist ein smarter Bursche, Typ Schwiegersohn, nach eigener Einschätzung trotz des "Ü50-Silberrückens" durchaus noch "animalisch, zärtlich, sensibel und wild".

Kulturamtsleiterin Carolin Baier versicherte in ihrer Begrüßung glaubhaft, dass der Komödiant "besonders von den Damen" erwartet wurde. Da mag sich vereinzelt Enttäuschung darüber breit gemacht haben, dass er nicht als nacktes Alphatier einer Gorilla-Gruppe – wie auf dem Ankündigungsfoto – auf die Bühne trat. Statt dessen verkündete Boettcher seine Botschaft in gediegener Aufmachung, unterstützt von einem Stuhl als einzigem Requisit.

Abdriften in Unverträglichkeiten

Boettcher wuchert mit seinen Pfunden. Da sind vornehmlich die Sprechwerkzeuge, optimal eingesetzt mit moderaten Tönen und dann wieder eruptiv bis zur Schnappatmung, seine Schlagfertigkeit und Eloquenz, unterfüttert mit hoher mimischer Qualität. "Silberrücken" sind nach seiner Definition jene Vertreter der Spezies Mensch ab 50 Jahren, deren Behaarung sich unweigerlich in Grautöne wandelt. Gewisse Körperteile gewinnen an Bedeutung, die Psyche des Mannes driftet ab in Unverträglichkeiten: Ab 50 bringt er keine Geduld mehr auf, Toleranz wird zum Fremdwort und "alles platzt bei jeder Gelegenheit raus". Die Hundebesitzer sind ihm ein ebenso großes Ärgernis wie die Zeitgenossen, die Fast-Food-Ketten-Tüten ins Gelände schmeißen. Am besten wäre es ohnehin, wenn die Inquisition wieder eingeführt würde.

Das Augenlicht leidet, und Boettcher konstatiert resigniert: "Seit ich nicht mehr so scharf sehe, wird meine Frau immer schärfer." Wer sich bis 50 nicht ein paar Träume erfüllt hat, steht sowieso auf verlorenem Posten. Freude und Zuversicht bei Jüngeren wirken lediglich abstoßend, und "Glück macht nur kurzfristig glücklich". Ab 50 wandelt sich der Mann zum Misanthropen. Ehe und Familie, so Boettcher, sind häufig genug Anlass zu Ärgernissen, vermiesen auch noch den letzten Rest an Nonchalance: "Kinder sollten erst Geige spielen, wenn sie’s können." Über Jahre hinweg kostet der Unterricht so viel, dass man dafür "ein Privatkonzert von Anne-Sophie Mutter finanzieren könnte – wenn auch nur ein einziges Mal".

Männer mit 50 haben nach Boettchers Überzeugung Schwierigkeiten mit der Romantik. Von den Frauen schon immer sehr geschätzt, wird sie von Männern als "Kandare in der Beziehung" abgetan. Überhaupt die Frauen: Mütter machten Ü50- Männern das Leben schwer, so Boettcher, beispielsweise wenn sie plötzlich wieder ihren Versorgungsinstinkt auslebten. Spielt da etwa noch der gute alte Ödipuskomplex hinein?

Was den Ü50ern in der Rückschau an Dynamik noch bleibt, ist lediglich das Fahrradfahren – und das in der berüchtigten Ostereierbemalung. "Männer machen Probleme – Frauen lösen sie", lautet die Botschaft. Am Ende seines Auftritts rührt Uli Boettcher an poetischen Saiten. Der Silberrücken ist gezähmt, und aus der Weisheit der Jahre schälen sich Weltverbesserungsvorschläge heraus. "Lass stecken" ist auf einen Chip gedruckt, den Boettcher seinen Gästen in die Hand drückt. Soll heißen: Gib dich einfach mal großzügig.

 Das Herbstprogramm von Kultur im Museum Dornstetten startet am Freitag, 29. September, um 20 Uhr im Bürgersaal mit dem Linkmichel-Kabarett "Ruhe!!!".