Foto: Ungureanu

Vom Schieferbruch zum Schiefer-Erlebnis: Mammutprojekt ist große Chance für Region. 10.000 Besucher wollen Park sehen.

Dormettingen - Genau 1302 Tage hat es gedauert, an denen im Holcim-Zementwerk eine Uhr rückwärts zählte: Der Countdown lief. Beim Festakt am Samstagabend in Dormettingen verkündete Moderatorin Martina Meisenberg vor 1200 Gästen: "Es ist volbracht!" Nicht nur eine Punktlandung sei bei dem millionenschweren Projekt gelungen, sondern auch eine Glanzleistung.

Im Gespräch mit Dormettingens Bürgermeister Anton Müller und Holcim-Werksleiter Dieter Schillo wurde nach und nach deutlich, wie aus Brachland mit einem "riesengroßen Loch", wo Ölschiefer für die Zementherstellung abgebaut worden war, ein Naturerlebnispark entstanden ist, der nicht nur für Geologen und Historiker, sondern auch für Wanderer, Naturfreunde und Familien mit Kindern attraktiv ist. Und es wurde auch deutlich, wie viel Arbeit und wie viele Ideen in dem Naturerlebnispark stecken – und wie viele Leute es gibt, ohne die das Ein oder Andere gar nicht möglich gewesen wäre.

Er sei stolz, dass es geschafft sei, sagte Schillo. Und Müller sprach von einer "extrem aufregenden Zeit", aber das Projekt habe von Anfang an unter einem guten Stern gestanden. Politik und Behörden, Planungsbüro und Bauleute hätten "voll mitgezogen", von der EU habe es eine kräftige Finanzspritze aus dem LEADER-Topf gegeben: Das SchieferErlebnis sei als "Leuchtturmprojekt" zu 75 Prozent finanziert worden.

"Vor 70 Jahren war ich ein Häftling, jetzt bin ich ein Freund"

"Wir waren sicher, dass wir es schaffen werden", sagte Müller. In der Reihe derer, die das Projekt tatkräftig mitgetragen hätten, dürfe man den Gemeinderat und die Dormettinger Vereine und Bürger nicht vergessen: "Ich bin begeistert, einen solchen Gemeinderat zu haben", sagte Müller. "Und ich bin froh, Sie als Bürger zu haben, und dass ich Ihr Bürgermeister sein darf.

Überraschungen? Ja, die habe es gegeben: Anfangs sei im Eingangsbereich ein Kiosk geplant gewesen, dann hätten sich immer mehr Sponsoren gefunden. Der Kiosk sei zum Café avanciert und schließlich zur vollwertigen Gastronomie: Insgesamt 560.000 Euro seien an Sponsorengeldern zusammengekommen.

Naturerlebnis, Fossiliensuche, Spaß, Spiel und Gastronomie werden ergänzt durch Einblicke in die "dunkle Seite des Ölschieferabbaus": Der "Pfad der Erinnerungen" führt zurück in die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs, zum "Unternehmen Wüste". Keine Gedenkstätte, sondern ein Ort des Erinnerns an Tausende Zwangsarbeiter, die Ölschiefer abbauen mussten, um daraus Öl zu gewinnen für die deutsche Kriegsmaschine.

Ein Überlebender des Konzentrationslagers, der Pole Jacek Zieliniewicz, war beim Festakt zur Eröffnung des SchieferErlebnis-Parks dabei und überreichte Bürgermeister Müller ein Buch über Polen mit einer Widmung: "Vor 70 Jahren ein Häftling in Dormettingen, jetzt ein Freund." "Ich verneige mich vor Ihnen und vor ihrem Großmut", sagte Müller und überreichte seinerseits ein Andenken: eine Plakette aus Ölschiefer, Beton und Dormettinger Eiche.

Das Ziel? Er rechne mit 25.000 Besuchern im Jahr, sagte Müller. Die seien erforderlich, um eine "schwarze Null" zu schreiben. Er sei zuversichtlich: "Wir haben schon jetzt sehr viele Anmeldungen, Schulen, Rentner, Wanderer, geschichtsbewusste Menschen."

"Die Narben, die man geschlagen hat, nachhaltig verschließen"

Dieter Schillo erinnerte an die anstehende Rekultivierungsmaßnahme im ehemaligen Schieferbruch. Holcim habe die Dormettinger Gemeinderäte in die Schweiz eingeladen und ihnen einen renaturierten Steinbruch gezeigt. Ihre Reaktion: "Das wollen wir auch haben." Die Narben, die man geschlagen habe, nachhaltig zu verschließen, "das steckt in unserer DNA", erklärte Kaspar Wenger, Holcim-Manager für die Schweiz, Italien und Süddeutschland.

Das SchieferErlebnis hebe Dormettingen weit über seine Grenzen hinaus, sagte der baden-württembergische Minister für Verkehr und Infrastruktur, Winfried Hermann (Grüne). Der kleine Ort am Albrand sei nicht ganz ohne: Er stamme aus der Karolingerzeit, sei somit "älter als alle Großstädte dieser Welt". Auch Landtagspräsident Guido Wolf erklärte, er sei froh, dabeisein zu dürfen, wenn eines der größten Projekte der LEADER-Aktionsgruppe Südwestalb eingeweiht werde: "Es ist eine Bereicherung für die ganze Region." Für das kleine Gedicht, das er ad hoc verfasst hatte, gab es Beifall. Kein Wunder, es endete mit den Worten: "’s ist Gnade, ein Dormettinger zu sein."

Und Rudolf Mager vom Überlinger Landschaftsarchitektenbüro Dreiseitl setzte noch einen drauf, als er gefragt wurde, wieso das weitweit tätige Büro ausgerechnet den "kleinen" Auftrag in Dormettingen angenommen habe: Dormettingen, sagte er, "liegt sehr zentral, genau zwischen Asien und den USA".

Am Sonntag war bei meist strahlendem Sonnenschein der Ansturm groß. Man rechnete mit bis zu 10.000 Besuchern.