Mit Lockenwicklern ging es sogar ins Bett. Foto: Steinmetz

Unter dem Lindenbaum lässt es sich bei Kaffee und Kuchen gut aushalten. Doch nur deswegen ist die Gruppe aus Sulz nicht gekommen: Die Besucher wollen sich über die Kulturtankstelle informieren. Dort ist aktuell auch eine Sonderausstellung zu den 1970er-Jahren zu sehen.

Starzach-Börstingen - Monika Laufenberg, Vorsitzende des Fördervereins Heimat und Kultur in Börstingen, gibt eine Sonderführung im Dorfmuseum, das 2006 eröffnet wurde. Der Grund für das Interesse der Sulzer: Dem Förderverein Gustav Bauernfeind Kulturhaus Sulz schwebt ein ähnliches Projekt vor – ein Stadtmuseum, in dem künftig auch die Bilder von Deutschlands berühmtesten Orientmalers Gustav Bauernfeind angemessen und besucherfreundlich ausgestellt werden können. Die angereisten Fördervereinsmitglieder wollen schauen, "wie es andere machen".

Rolf Schorps Initiative verhindert Abriss des 1779 erbauten Hauses

Das erklärt Monika Laufenberg den Sulzern sehr gern. Dass es die Kulturtankstelle mit dem Dorfmuseum überhaupt gibt, ist Rolf Schorp aus Bieringen zu verdanken. Das 1779 erbaute Haus in der Dorfmitte hätte eigentlich abgebrochen werden sollen.

Für den heimatkundlich interessierten Schorp war das ein Unding. Aufgrund seiner Initiative konnte dies verhindert worden. Das für den Abbruch vorgesehene Geld wurde, so Monika Laufenberg, für ein Museum umgewidmet.

Dann stellte sich allerdings die Frage nach einem Museumskonzept. Die Räume mit landwirtschaftlichen Gegenständen einfach nur vollzustellen, kam nicht in Frage. Die Börstinger Ehrenamtlichen suchten und bekamen wissenschaftliche Unterstützung.

Gegenstände erzählen Geschichten über Börstinger Leben

Eckart Frahm von den empirischen Kulturwissenschaften an der Universität Tübingen startete mit Studentinnen in dem Starzacher Ortsteil ein Museumsprojekt. "Es sollte etwas Interaktives sein", erläutert die Fördervereinsvorsitzende. Die Studentinnen interviewten die älteren Dorfbewohner und nahmen die Gespräche auf Band auf. Jeder einzelne Gegenstand, der nun ausgestellt wird, kann somit eine Geschichte über das Arbeiten und Leben der Börstinger erzählen.

Pumpelschelle wurde in Dießen geschmiedet

In der Dauerausstellung werden das bäuerliche Dorf und der industrielle Kohlensäureabbau thematisiert. Ein Stockwerk darüber zeigt Monika Laufenberg den Gästen die Pumpelschelle. Die Original-Glocke stammt aus dem 9. Jahrhundert, im Museum befindet sich eine Replik, die in Horb-Dießen geschmiedet wurde.

Die Glocke hat auch einen Bezug zu Sulz: Der berüchtigte Räuberhauptmann Hannikel, am 17. Juli 1787 in Sulz hingerichtet, soll gesagt haben: "Wenn die drei gefeiten, ausgegrabenen Glocken nicht wären, die Pumpelschelle zu Börstingen, das Silberglöcklein in Bieringen und das zu Kalkweil, dann wolle er ein Wetter das Neckartal hinabfahren lassen, dass sich die Leute darob verwundern sollten."

Das Gemeindejubiläum wird 2024 gefeiert

Das Wetter ist erst kürzlich wieder mit Sturm, Regen und Hagel "hinuntergefahren". Die Sulzer sind von Hannikels Missgunst ebenfalls betroffen: Wenn es das Kinderfest verregnet, dann weil der Räuberhauptmann es verflucht hat. Beeindruckt waren die Besucher von der ehrenamtlich restaurierten und wieder instandgesetzten mechanischen Kirchturmuhr aus dem Jahr 1901, die ihnen Richard Lohmiller vom Förderverein vorführte.

Die Sonderausstellung hat die Katalogwelt der 1970er-Jahre zum Thema. "Damit bereiten wir uns auf 50 Jahre Starzach vor", sagt Monika Laufenberg. Das Gemeindejubiläum wird 2024 gefeiert. Wie hat sich die moderne Frau gekleidet, wie der elegante Herr? Monika Laufenberg erinnert sich mit Entsetzen daran: "Das waren furchtbare Muster. Manches kommt aber wieder", ist sie überzeugt.

Frauenpuppe mit Lockenwicklern im Haar ist ein Blickfang

Die Werbekataloge der 1970er-Jahre lassen nicht nur die Mode vor 50 Jahren aufleben, sondern geben auch einen Eindruck vom damaligen Lebensstil und der Rollenverteilung von Mann und Frau. Ausgestellt wird unter anderem ein selbstgeschneidertes Kleid mit Blumenmuster und weißem Unterrock. Daneben steht ein Telefon mit Wählscheibe. Ein Blickfang der Ausstellung ist die Frauenpuppe mit Lockenwicklern im Haar.

Der Förderverein habe rund 80 Mitglieder, davon zehn Aktive, informiert die Vereinsvorsitzende die Sulzer. Sie wollen auch wissen, wie das Museum frequentiert ist. "Heute ist es gut", stellt Monika Laufenberg fest. Kaffee und Kuchen müssten aber jedes Mal mit im Angebot sein: "Sonst ist das Museum eine trockene Sache." Mittlerweile hat es nur noch einmal im Monat geöffnet, öfters geht personell nicht mehr.

Ehrenamtliches Engagement ist das A und O

Eines haben die Kulturinteressierten aus Sulz von ihrem Besuch mitgenommen: Ohne großes ehrenamtliches Engagement lässt sich ein Museum nicht betreiben. In Sulz muss zuvor aber ein anderes Problem gelöst werden: "Wir brauchen ein Häusle", sagt Richard Weinzierl vom Förderverein Gustav Bauernfeind Kulturhaus Sulz.

Die Kulturtankstelle in Börstingen ist an jedem ersten Sonntag im Monat von Mai bis Oktober jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet.