Das Kind muss ins Krankenhaus, die Mutter hat eine Risikoschwangerschaft, der Vater muss in die Reha – das sind nur einige Beispiele, wann die Dorfhelferin einspringt.
Seit 50 Jahren gibt es die Station der Dorfhelferinnen im Oberen Wiesental vom Familienwerk Sölden. Seitdem springen Dorfhelferinnen und Familienpflegerinnen bei Familien in Notlagen in die Bresche, betreuen die Kinder, kümmern sich um den Haushalt, schauen, dass alles rund läuft – und all das im Sinne der Familie. Einsatzleiterin Daniela Burgath und Dorfhelferin Sieglinde Kunz-Gramespacher erzählen im Gespräch mit unserer Redaktion über ihre wichtige Arbeit.
Sie sind tätig von Zell bis Todtnau, arbeiten vernetzt mit der Sozialstation Oberes Wiesental sowie der Bürgerhilfe Fröhnd und sind auch in den Gebieten der anderen Familienwerk-Stationen im Einsatz.
Die Dorfhelferin damals
1954 wurde das Berufsbild der Dorfhelferin geboren. Im Oberen Wiesental fungierte in den Anfangszeiten vor 50 Jahren noch der ehemalige Schönauer Bürgermeister Richard Böhler als Einsatzleitung für eine Dorfhelferin, erinnert Burgath. Wenn im landwirtschaftlichen Betrieb die Mutter ausgefallen war, übernahm die Dorfhelferin alle Aufgaben der Bäuerin. Mittlerweile hat sich das Berufsbild stark gewandelt, und es gibt weniger Landwirtschaft. Heute sind die Fachkräfte in allen Familien in Notsituationen im Einsatz – ganz egal, ob auf dem Dorf oder in der Stadt. Daher hat sich das Dorfhelferinnenwerk 2023 in Familienwerk Sölden umbenannt.
Eine der klassischen Situationen, wenn ihr Telefon klingelt, sei etwa wenn sich eine Mutter von drei kleinen Kindern das Bein bricht und für eine längere Zeit ausfällt, nennt Daniela Burgath ein Beispiel. Aber es gebe auch immer mehr Einsätze, wenn der Mann im Haus ausfällt. Tatsächlich sei das Familienwerk dann gefragt, wenn niemand anderes im familiären Umfeld Hilfe leisten kann.
Die Hilfe wird bezahlt
Die gesetzliche Krankenkasse zahlt diese Haushaltshilfe bei Familien mit mindestens einem Kind unter zwölf Jahren beim Vorliegen eines ärztlichen Attests, ein geringer Eigenanteil bleibt bei den Familien. Doch, dass es diese Unterstützung überhaupt gibt, sei vielen gar nicht bekannt, sagt Burgath.
Die vielfältigen Aufgaben
„Wir sind keine reinen Reinigungskräfte“, räumt Burgath eines der Missverständnisse auf. Das Putzen gehöre zwar zu den Aufgaben, aber hauptsächlich übernehme eine Dorfhelferin die Familienbetreuung, hilft bei den Hausaufgaben, geht einkaufen und kocht.
Auch die Einsatzzeiten haben im Laufe der Jahre einen Wandel erlebt. Früher gab es mehr Ganztageseinsätze, heute gebe es längere Betreuungszeiten durch Schule und Kita, und somit seien auch die Einsätze kürzer. So ist die Einsatzkraft an manchen Tagen auch in mehreren Familien tätig. 15 bis 25 Familien betreut eine der insgesamt sechs Mitarbeiterinnen im Oberen Wiesental im Jahr.
Auch die Dauer variiert: Von einem Tag bis hin zu mehreren Monaten begleitet die Dorfhelferin eine Familie. Bei Risikoschwangerschaften, Krebserkrankungen oder Reha-Aufenthalten seien die Einsätze oft länger, nennt Kunz-Gramespacher nur einige Beispiele.
„Scham braucht es nicht“
Ein wichtiger Aspekt sei die Schweigepflicht, an die jede Einsatzkraft gebunden ist. Nichts dringt nach außen. „Für viele Familien ist die Hemmschwelle groß, sich bei uns zu melden und von Fremden Hilfe anzunehmen. Das ist eine Scham, die es gar nicht braucht“, betont Burgath.
Seit 43 Jahren arbeitet Kunz-Gramespacher als Dorfhelferin. Und was reizt sie daran? „Es ist einfach schön, den Menschen zu helfen, und besonders gefällt mir die Arbeit mit Kindern sowie die Abwechslung. Interessant macht es auch, nicht zu wissen, was mich erwartet, wenn ich zu einer Familie komme.“ Oft sei die Einsatzkraft die konstante Bezugsperson für die Kinder. „Und diese nehmen es offen an“, freut sich Kunz-Gramespacher.
Klar, gebe es auch immer wieder schwere Schicksale wie Todesfälle oder Krankheit, die die Dorfhelferin mit nach Hause nehme. Doch die Gespräche in der Supervision oder der Austausch mit den Kolleginnen helfen dann damit umzugehen.
Kein Umkrempeln
Was der erfahrenen Dorfhelferin besonders wichtig ist: „Wir sind da, um den Haushalt weiterzuführen, nicht, um ihn neu zu erfinden. Wir erkennen die Wertvorstellungen der Familie und führen diese weiter.“ Burgath ergänzt: „So wie man es vorfindet, so führt man es fort.“
Das Jubiläum
Gottesdienst:
Am Sonntag, 21. September, ab 10 Uhr in der katholischen Kirche Schönau zum Dank für 50 Jahre, musikalisch begleitet von der Mandelzweig-Band als Zeichen für die Ökumene.
Tag der offenen Tür
der Sozialstation, Sonntag, 13 bis 17 Uhr. Auch die Bürgerhilfe Fröhnd stellt dort ihr Angebot vor.
Das Team der Dorfhelferinnen
ist beim Oktoberfest des Fanfarenzugs im Städtle (ebenfalls am Sonntag) mit einem Stand vertreten. Kinder können hier Apfelsaft pressen, und alle Besucher können sich über die Arbeit der Einsatzkräfte informieren.