Zwei junge Ukrainer sterben bei einem Messerangriff in Oberhausen. Die mutmaßlichen Täter sind fast noch Kinder. Nun rätseln die Ermittler, was die vier 14- und 15-Jährigen zu der schrecklichen Tat getrieben haben könnte.
Ein Doppelmord. Unfassbar brutal, schrecklich in seinen Details, rational nicht nachvollziehbar. Geschehen am Abend des 10. Februar 2024 in Oberhausen in Nordrhein-Westfalen.
Was war geschehen? Wie konnte eine Situation so eskalieren, dass sie in einem Blutbad endete?
Täter und Opfer
Die vier mutmaßlichen Täter: Sie sind fast noch Kinder, 14 und 15 Jahre alt. Jetzt sitzen sie als mutmaßliche Doppelmörder in Untersuchungshaft.
Die zwei Opfer: Ein 17- und 18-Jähriger, die angehende Profi-Basketballer aus der Ukraine ware und sich vor dem russischen Angriffskrieg in ihrer Heimat in Sicherheit bringen wollten.
Jetzt sind beide tot. Ermordet in ihrem Zufluchtsland, das sie als vermeintlich sicheren Hafen wähnten.
Laut Mordkommission hatten die ukrainischen Jugendlichen wohl alles versucht, um der Konfrontation am Oberhausener Hauptbahnhof aus dem Weg zu gehen. Vergeblich!
Rekonstruktion eines Doppelmordes
Die beiden Gruppen waren am 10. Februar in einem Bus der Linie SB 91 auf dem Weg zum Oberhausener Hauptbahnhof in Nordrhein-Westfalen aufeinandergetroffen. "Die ukrainische Gruppe ist provoziert und angegriffen worden", sagt ein Polizeisprecher.
Der Grund dafür ist für die Ermittler noch unklar. Sicher sei bisher nur: Die Provokation war einseitig vonseiten der Angreifer. Die beiden Ukrainer hätten immer wieder versucht, "sich dem zu entziehen".
Am Hauptbahnhof stiegen gegen 20.10 Uhr alle aus. Dann eskalierte die Situation endgültig und plötzlich: Der 15-jährige mutmaßliche Haupttäter soll mit einem Messer auf die beiden 17- und 18-Jährigen eingestochen haben. Der 17-Jährige starb unmittelbar nach der Tat im Krankenhaus. Der 18-Jährige wurde auf der Intensivstation behandelt und starb dort laut Polizei am Dienstag, zehn Tage nach dem Angriff.
Auch das Motiv für die Tat ist weiter unklar. „Die Mordkommission ermittelt sehr akribisch mit starkem Personal“, berichtet der Sprecher der Polizeidirektion Oberhausen am Mittwoch (21. Februar).
Vier 14- und 15-jährige Tatverdächtige verhaftet
Die Auseinandersetzung war von den Beamten des Bundespolizeireviers Oberhausen am Willy-Brandt-Platz 1, das sich direkt am Eingang des Hauptbahnhofes befindet, erst bemerkt worden, als es bereits zu spät war.
Nach Angaben der Polizeidirektion Oberhausen wurde ein 15-jähriger Deutsch-Türke aus Gelsenkirchen, der als Hauptverdächtiger gilt, noch in der Nacht zum 11. Februar von der Mordkommission „unter dringendem Tatverdacht festgenommen“.
Die „intensiven Ermittlungen der Mordkommission unter Leitung der Staatsanwaltschaft Essen“ hätten dann am 16. Februar zu weiteren Festnahmen von drei Jugendlichen geführt. „Bei ihnen handelt es sich um einen 14-jährigen Deutsch-Griechen aus Herne, sowie zwei syrischen Jugendliche im Alter von 14 und 15 Jahren, die beide in Gelsenkirchen wohnen.“
Gegen alle vier Tatverdächtige seien Haftbefehle erwirkt worden. „Sie befinden sich in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen dauern an“, heißt es weiter seitens der Polizei.
Opfer waren 17 und 18 Jahre alt
Die beiden 17 und 18 Jahre alten Ukrainer waren am 10. Februar angegriffen und durch Messerstiche sehr schwer verletzt worden. Der 17-Jährige starb unmittelbar nach der Tat im Krankenhaus. Laut Obduktion war ein Messerstich tödlich.
Der 18-Jährige wurde auf der Intensivstation behandelt und starb dort laut Polizei am Dienstag (20.Februar) zehn Tage nach dem Angriff. Sein Leichnam sollte am Mittwoch obduziert werden.
Verbrechen „arbeitsteilig begangen“
Man gehe davon aus, dass die Verdächtigen die Tat im Vorfeld abgesprochen und „arbeitsteilig begangen“ hätten, betonte der Polizeisprecher. Als Haupttäter gilt der 15-jährige Deutsch-Türke aus Gelsenkirchen. Er soll mit einem Messer auf die beiden Ukrainer eingestochen haben.
Welche Rolle die anderen drei Verdächtigen bei der Tat gespielt haben, sagte der Polizeisprecher mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Von den mutmaßlichen Tätern hätten sich "einige bislang in den Vernehmungen geäußert". Einige "schwiegen aber auch komplett". Zumindest einige der Verdächtigen sind laut Polizei schon zuvor „erheblich kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten“.
Bluttat nicht rassistisch motiviert
Der Angriff auf die Ukrainer habe schon in einem Linienbus begonnen und sei dann plötzlich eskaliert, als beide Gruppen am Hauptbahnhof ausgestiegen seien. Die Provokation sei aber nach den bisherigen Ermittlungen komplett einseitig gewesen, erklärte der Polizeisprecher mit Hiweis auf die zhlreiche Zeugen, die den Tathergang verfolgt hätten. „Es hat keine Auseinandersetzung zwischen den Gruppen gegeben. Die ukrainische Gruppe ist provoziert und angegriffen worden und hat immer wieder versucht, sich dem zu entziehen.“
Hinweise, dass die Tat rassistisch motiviert gewesen sein könnte, gebe es nicht. „Das ‚Warum‘ ist für uns eine ganz wesentliche Frage bei der Aufarbeitung“, sagte der Behördensprecher.
Basketball-Verein trauert um seine Spieler
Die beiden Opfer galten als große Basketball-Talente und waren vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. In Düsseldorf spielten sie bei den ART Giants in der U19-Bundesliga.
Die Mannschaft zeigte sich in einer Reaktion geschockt. „Wir werden euch für immer in Erinnerung behalten und weiter in unseren Herzen tragen. Ruhet in Frieden!“, schreibt der Verein auf seiner Homepage.
NRW-Minister: „Unsagbares Verbrechen“
Die Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf Iryna Shum und Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) äußerten sich bestürzt über den tödlichen Messerangriff. Iryna Shum sprach am Mittwoch (21. Februar) in Düsseldorf von einer „riesigen Tragödie“ sowohl für die Ukrainer in ihrer Heimat als auch in NRW. Das Generalkonsulat sei in ständigem Kontakt sowohl mit den Eltern der Getöteten, die beide als große Basketball-Talente galten, als auch mit der Staatsanwaltschaft und Polizei in Essen.
Laumann sprach von einem „unsagbaren Verbrechen“. Wenn die Sicherheit von Menschen nicht gewährleistet werden könne, sei das immer schlimm. Zu den Hintergründen, warum das in diesem Fall so gewesen sei, könne er aber nichts sagen.
Auf die Frage, ob das Verbrechen in ihrer Heimat als Gewalttat gezielt gegen Ukrainer gewertet werde, antwortete die Generalkonsulin: „Wir warten auf offizielle Informationen.“ Die Hoffnung, dass wenigstens der zweite junge Mann überleben würde, sei groß gewesen, betonte Iryna Shum. „Aber leider ist es so, dass er verstorben ist. Und ja, es ist schwierig.“