Schiedsrichter Peter Sippel hält die Rote Karte in der Hand. Über die Entscheidungen vom Wochenende wurde viel diskutiert. Foto: dpa

Die Doppelbestrafung und das passive Abseits ärgern nicht nur Spieler, Vereine und Fans.  

Stuttgart - Die Fifa-Regeln 11 und 12 sorgen wieder mal für Zündstoff. Wann greift ein im Abseits stehender Spieler ins Geschehen ein? Warum muss man für eine Not- bremse im Strafraum immer gleich doppelt bestraft werden? Der Ärger ist groß.

Hannover 96, der FSV Mainz und Werder Bremen fühlen sich benachteiligt. Beim FC Schalke ist man sauer, beim 1.FC Kaiserslautern irritiert. Am Bundesliga-Wochenende standen die Schiedsrichterentscheidungen wieder einmal im Fokus. Zwei Regeln des Weltverbands Fifa machen den Unparteiischen das Leben schwer.

Fifa-Regel 11 (Auszug) - Abseits:
"Ein Spieler wird für seine Abseitsstellung bestraft, wenn er ins Spiel eingreift, einen Gegner beeinflusst oder aus seiner Position einen Vorteil zieht (...) Einen Gegner beeinflussen heißt, dass der Spieler einen Gegenspieler daran hindert, den Ball zu spielen oder spielen zu können, indem er eindeutig die Sicht des Gegners versperrt oder Bewegungen oder Gesten macht, die den Gegner nach Ansicht des Schiedsrichters behindern, täuschen oder ablenken."

Das bedeutet im Klartext: Bei passivem Abseits liegt die Entscheidung immer im Ermessen des Schiedsrichters. Dreimal mussten Unparteiische am Wochenende in Sekundenbruchteilen entscheiden: Zweimal wurde abgepfiffen. Nicolai Müllers Tor für Mainz (Endstand 0:1 gegen Augsburg) und Sergio Pintos Treffer für Hannover (0:2 in Köln) zählten nicht. Das 2:0 für Dortmund in Bremen durch Patrick Owomoyela dagegen wurde gegeben, obwohl sich Werder-Torwart Sebastian Mielitz durch BVB-Profi Robert Lewandowski beeinflusst sah.

"Die Situationen in Bremen und Mainz wurden richtig bewertet", sagte der ehemalige Schiedsrichter-Lehrwart des Deutschen Fußball-Bunds, Eugen Strigel, unserer Zeitung: "Die Entscheidung in Köln aber war falsch." Sogar FC-Keeper Michael Rensing gab zu: "Der Spieler hat mich nicht irritiert, ich habe ihn gar nicht gesehen."

Kein Wunder also, dass viele Club-Verantwortliche eine Präzisierung der Regel fordern, um einheitlichere Entscheidungen zu gewährleisten. 96-Trainer Mirko Slomka wünscht sich "eine Regel, bei der immer gleich entscheiden wird". Mainz-Manager Christian Heidel klagte: "Das ist ein Lotteriespiel, weil der Schiedsrichter, egal wie er entscheidet, immer recht hat. So kann man das passive Abseits abschaffen, weil im Strafraum immer irgendein Spieler steht, der Einfluss auf das Spiel nehmen könnte." 

Heldt: "Die Regel ist scheiße"

Franz Beckenbauer sieht das genauso: "Am besten, wir gehen zurück in die Steinzeit, wo Abseits noch Abseits war", sagte er. Davon hält Eugen Strigel aber nichts: "Man kann das passive Abseits nicht abschaffen, das wäre für den Fußball eine furchtbare Sache. Was man machen kann ist, in Extremsituationen strenger zu pfeifen." Im Vergleich zu früher, als die Schiedsrichter recht großzügig waren, sind die Unparteiischen nun angehalten, schon abzupfeifen, wenn ein im Abseits stehender Profi Torwart oder Abwehrspieler nur leicht irritiert. Im Übrigen, erklärt Strigel, gebe es diese Regel schon seit 1936: "Man muss mit ihr leben." 

Fifa-Regel 12 (Auszug) - Verbotenes Spiel:
"Ein Spieler erhält die Rote Karte, wenn er eine offensichtliche Torchance für einen auf das Tor zulaufenden Gegenspieler vereitelt durch ein Vergehen, das mit Freistoß oder Strafstoß zu ahnden ist."

Schalke-Manager Horst Heldt brachte es auf den Punkt: "Diese Regel ist scheiße." Weil sie dazu führt, dass ein Verein für ein Vergehen gleich doppelt bestraft wird. Im Spiel Schalke gegen Kaiserslautern (1:2) griff Schiedsrichter Peter Sippel gleich zweimal zur Roten Karte und zeigte auf den Elfmeterpunkt. Im ersten Fall, bei der Notbremse von Schalke-Keeper Ralf Fährmann, war die Sache klar. Im zweiten, beim angeblichen Foul von Lauterns Abwehrspieler Rodnei, nicht. "Das war eine Fehlentscheidung, aber der Schiedsrichter hat wohl ein Foul gesehen", sagte Eugen Strigel. Beide Spieler wurden am Montag mit einem Spiel Sperre nochmals bestraft. Der DFB ist wie auch beim passiven Abseits strikt an die Vorgaben der Fifa gebunden. Selbst Peter Sippel hätte in diesem Fall lieber nur die Gelbe Karte gezückt. "Alle Schiedsrichter sind da einer Meinung. Wir fordern das schon seit Jahren. Es reicht in dem Fall, einen Elfmeter und Gelb zu geben."

Ex-Bundesliga-Referee Eugen Strigel war einer der Ersten, die sich für die Abschaffung der Regel ausgesprochen haben: "Der DFB hat diesbezüglich schon zweimal einen Antrag an die Fifa gestellt." Zuletzt hatte das für Regelfragen zuständige International Football Association Board (IFAB) die Entscheidung im vergangenen März vertagt. Sie soll aber noch vor der WM 2014 in Brasilien fallen. "Wir wären gottfroh, wenn diese Regel endlich abgeschafft werden würde", meinte Strigel - und drückte das aus, was die meisten Beteiligten denken.

VfB-Manager Fredi Bobic hat sich mit den Regeln mittlerweile abgefunden. "Man muss das akzeptieren, auch wenn es manchmal schwerfällt", sagte er: "Aber solange es Regeln gibt, die so viel Interpretationsspielraum lassen, darf man sich nicht beschweren, wenn es hinterher Diskussionen gibt."