Am liebsten würde der frühere Radprofi Lance Armstrong derzeit wohl untertauchen – stattdessen erwarten den Dopingbetrüger Schadenersatzklagen in Millionenhöhe. Foto: dpa

Pat McQuaid ist schon lange umstritten. Nun nannte er Kronzeugen im Doping- fall Armstrong „Drecksäcke“. Während dem Ex-Radprofi nach der Aberkennung seiner sieben Tour-Siege Verluste in Millionenhöhe drohen, könnte der UCI-Chef seinen Job verlieren.

Pat McQuaid ist schon lange umstritten. Nun nannte er Kronzeugen im Doping- fall Armstrong „Drecksäcke“. Während dem Ex-Radprofi nach der Aberkennung seiner sieben Tour-Siege Verluste in Millionenhöhe drohen, könnte der UCI-Chef seinen Job verlieren.

Wie sehr leidet Lance Armstrong?
Am Tag, nachdem er seine Tour-Titel verloren hatte, dominierte im Hause Armstrong der Alltag. „Erziehe meine 5 Kinder. Kämpfe gegen Krebs. Schwimme, bike, laufe und golfe, wann immer ich kann“, twitterte der Ex-Radprofi. Allerdings fehlt seit Montag in seinem Twitter-Profil der Vermerk „7-maliger Tour-de-France-Gewinner“.

Wie teuer kommt Armstrong seine Dopingvergangenheit zu stehen?
Auf den US-Amerikaner rollt eine gigantische Prozesslawine zu. Die US-Versicherungsgesellschaft SCA Promotions fordert 9,2 Millionen Euro Prämien zurück. Die Tour-de-France-Verantwortlichen rund drei Millionen Euro. Zudem sind Klagen weiterer Rennveranstalter, die teilweise sechsstellige Antrittsprämien an Armstrong überwiesen haben, wahrscheinlich. Die „Sunday Times“ fordert rund eine Million Euro zurück – dieses Geld hatte Armstrong in einem Verleumdungsprozess gegen zwei Journalisten erstritten, die ihm Doping unterstellt hatten. Weil das Vermögen von Armstrong auf rund 75 Millionen Euro geschätzt wird, droht im trotzdem nicht das selbe Schicksal wie seinem ehemaligen Teamkollegen Floyd Landis. Der geständige Doper und Kronzeuge hatte um Spenden bitten müssen, um seine Anwälte bezahlen zu können.

Was tun Armstrongs Sponsoren?
Sie ziehen sich zurück. Nach Sportartikelhersteller Nike, der Brauerei Anheuser-Busch und dem Fahrradbauer Trek beendete auch Brillenhersteller Oakley die Zusammenarbeit. Laut CNN kassierte Armstrong, als er noch ein positives Image hatte, von seinen Sponsoren jährlich 13,4 Millionen Euro.

Was passiert beim Radsport-Weltverband?
„Es tut mir leid, dass wir nicht jeden verdammten Dopingsünder erwischen konnten“, sagte Pat McQuaid zum Fall Armstrong – es gibt nicht viele, die ihm das glauben. Die Kritik am UCI-Chef, der 2013 erneut kandidieren will, wird immer lauter, viele fordern seinen Rücktritt. „Der Fisch stinkt vom Kopf her“, sagte Ex-Doper Jörg Jaksche. Nachdem McQuaid die Kronzeugen Tyler Hamilton und Landis als „Drecksäcke“ bezeichnet hatte, die nur dem Sport schaden würden, erwiderte Hamilton: „McQuaid hat keinen Platz mehr im Sport. Seine Kommentare belegen seine heuchlerische Führung und zeigen seine Unfähigkeit für einen ehrlichen Wandel.“ Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur lässt kein gutes Haar an der UCI und ihrem Präsidenten. „Es gab eine Zeit, in der Doping für jeden Fahrer dazugehörte. Warum ist das nicht gestoppt worden?“, fragte Wada-Chef John Fahey, „der Radsport kann seine Glaubwürdigkeit nicht wiederherstellen und kein neues Vertrauen gewinnen, wenn die verantwortlichen Personen bei der UCI keine Konsequenzen für sich und ihren Verband daraus ziehen.“

Wie reagiert das IOC?
Das Internationale Olympische Komitee hat Ermittlungen gegen die Spitzenfunktionäre der UCI – McQuaid und dessen Vorgänger Hein Verbruggen sind auch IOC-Mitglieder – vorerst ausgeschlossen. Den Fall Armstrong werten die Olympier als „echte Enttäuschung und schockierend“. Einen Olympia-Bann muss der Radsport trotzdem nicht befürchten: „Es wäre unfair, die große Mehrheit sauberer Athleten zu bestrafen.“

Was läuft bei der Tour de France?
An diesem Mittwoch wird die Strecke der Tour 2013 präsentiert – ungünstiger könnte der Zeitpunkt nicht sein, zumal es auch noch die 100. Frankreich-Rundfahrt sein wird. „Die Tour wird sich vom Fall Armstrong erholen“, meinte Cheforganisator Christian Prudhomme fast trotzig. Fakt ist: In der Liste der Sieger fehlen derzeit sieben Namen. Ob Armstrongs Titel neu vergeben werden, will die UCI bis Freitag entscheiden. Die „L’Équipe“ ermittelte die Radprofis, die den Sprung auf Platz eins als damals Dopingunverdächtige verdient hätten. In den Jahren 2000 (Fernando Escartin) und 2005 (Cadel Evans) wurde das Blatt jeweils erst auf Rang acht des Abschlussklassements fündig.

Gibt es auch Unterstützer Armstrongs?
Ja. Der fünfmalige Tour-Sieger Miguel Indurain erklärte: „Ich glaube, dass er unschuldig ist. Er hat sich immer an die Regeln gehalten und alle Normen erfüllt. Er gewann alle Prozesse, die man gegen ihn angestrengt hatte.“ Samuel Sanchez, auch er Spanier, sagte, dass es keine Dopingbeweise gegen Armstrong gebe und dieser Opfer eines „Medienprozesses“ geworden sei. Ihnen widersprach Radsport-Ikone Eddy Merckx, den Armstrongs Betrug offenbar schwer getroffen hat. „Das macht mich krank, ich bin einfach auf ihn hereingefallen“, sagte der Belgier, „ich bin aber auch sauer auf die Fahrer, die erst hinterher bei den Ermittlern ausgepackt haben. Das war viel zu spät.“