Das kommunale Kino trotzt dem allgemeinen Trend. Nach der Pandemie sind die Zuschauerzahlen wieder gestiegen.
Ein paar Filmplakate hängen an der Hauswand eines unscheinbaren, alten Baus neben den Donaueschingen Donauhallen. Sie geben einen ersten, zarten Hinweis, doch beim Blick von außen lässt sich kaum vermuten, dass hier Oscar-Gewinnerfilme laufen – und zwar nicht erst Jahre später, sondern noch bevor sie den begehrtesten Filmpreis der Welt abgeräumt haben. Beispiel: Guckloch-Kino.
Das Donaueschinger Guckloch-Kino, im Schwarzwald-Baar-Kreis mit einer weiteren Spielstätte in Villingen-Schwenningen, ist eines von bundesweit 177 kommunalen Kinos, die zum Bundesverband kommunale Filmarbeit gehören. Sie zählen, wie kommerzielle Programmkinos auch, zu kleinen Kinos, häufig nur mit einer Leinwand, die während und unmittelbar nach der Pandemie besonders gefährdet waren.
„Andere Filme anders zeigen“ lautet das Konzept
Doch während die großen Ketten im Jahr 2024 einen Zuschauer-Rückgang erlebt haben, scheint die kleine Leinwand mit ihrem ungewöhnlichen Programm wieder mehr Menschen zu begeistern. So auch in Donaueschingen. „Andere Filme anders zeigen“, nennt Annie Bronner vom Guckloch-Kino das Konzept kommunaler Kinos. Hier laufen nicht die neuesten Superhelden-Streifen, sondern kleinere Produktionen, oft auch lokal gedreht, inklusive Gesprächen mit Beteiligten.
Bronner und das Team mit zwölf Ehrenamtlichen ging in der Quellstadt 2024 einen Schritt ins Ungewisse. Sie zogen um, vom alten Franzosen-Kino an die Donauhallen. Dazu mussten sie alles neu bauen. Und wenn man heute hinter die Gemäuer der neuen Heimat blickt, steht man in einem professionell anmutenden Lichtspielhaus. Eine Tür hinter dem Eingang führt in ein Foyer mit Theke, an der Snacks und Getränke ausstehen. Daneben führen mehrere Türen in einen großen Kinosaal. Etwa 90 Sitze, die meisten davon richtige Kinosessel, befüllen den langgezogenen Raum. An einem Ende befindet sich eine kleine Bühne mit einer großen Leinwand.
Neues Domizil an den Donauhallen bezogen
Der Neubau im Altbau war eine Investition, die sich auszahlt. „Die Abende hier sind sehr gut besucht“, sagt Annie Bronner, „unsere Stammzuschauer haben schnell eine neue Kinoheimat gefunden.“ Zu diesen Stammgästen zählen auch Ursula Hinrichs und Jutta Bunse aus Donaueschingen. Beide kommen bereits seit Jahrzehnten ins Guckloch und sind begeistert vom Konzept. „Die Themen der Filme sprechen mich hier an“, sagt Hinrichs, „es ist immer ein schöner Abend, besser als zuhause.“ Die gemeinschaftliche Atmosphäre und intensive Gespräche über die Inhalte der Filme machen für sie die kleine Leinwand aus.
„Ich komme wegen der ausgewählten Filme, die man in normalen Kinos eigentlich nicht sieht“, sagt Jutta Bunse. Sie freut sich auch, dass mittlerweile aktuellere Filme mit ins Programm aufgenommen werden. Blockbuster, also kommerziell sehr erfolgreiche Streifen, interessieren sie nicht so sehr, dass sie dafür extra nach Villingen ins große Kino fahren würde. Damit sind die beiden nicht allein. Während Blockbuster und Kinoketten im Zuspruch der Zuschauer schwächeln, legen Arthouse-Filme mit kleinem Budget und geringerer Ausbreitung in der Beliebtheit zu.
Besucherzahlen steigen wieder
Laut Zahlen des Verbands AG Kino hatten Programmkinos 2024 entgegen dem allgemeinen Trend der Branche etwa drei Prozent mehr Zuschauer als noch im Vorjahr. So gehen die Besucherzahlen auch beim Guckloch an beiden Standorten im Schwarzwald-Baar-Kreis hoch, sagt Kilian Schmidt, Geschäftsführer der Guckloch-Kinos. „Wir hatten etwa 70 Prozent Auslastung, zusammen 6000 Zuschauer, was sich auf Donaueschingen und Villingen etwa gleich aufteilt.“ Die Erholung nach Corona läuft. „Das Kinderkino hatte danach eine riesige Delle, und auch das läuft wieder“, so Schmidt.
Besonders stolz ist Kilian Schmidt darauf, dass der diesjährige Oscar-Abräumer „Anora“ bereits vor den Oscar-Nominierungen in seinen Kinos lief. Es sei ein Beispiel für die gute Arbeit und das richtige Konzept: „Wir zeigen nur Filme, die wir auch selbst gesehen haben.“ Dafür gibt es beim Guckloch eine Filmkommission, die auch auf Festivals geht, um Kandidaten für das Programm zu sammeln. Aber nicht nur internationale Filme laufen in kommunalen Kinos.
Manchmal sind auch Regisseure dabei
„Es ist öfter auch so, dass Regisseure oder Vertreter von betroffenen Gruppen, die in Filmen behandelt werden, auch hier dabei sind“, sagt Bronner. Der Austausch mache das Erlebnis besonders aus. Bei den Zuschauern kommt das Konzept gut an. Früher zeigte das Guckloch in Donaueschingen nur alle zwei Wochen einen Film. Heute läuft jeden Montag in der Regel einmal die deutsche Synchronisation des aktuellen Films sowie auch die Originalversion mit Untertiteln. Dazu läuft meist ein Kurzfilm im Vorprogramm. Sonntags zeigt das Guckloch regelmäßig Familienfilme.
Zum einen muss das Guckloch die neue Spielstätte so refinanzieren, sagt Kilian Schmidt. Andererseits ist die Nachfrage aber auch da. „Oft kommt die Frage, ob wir nicht neben Montag auch Dienstag öffnen können, aber da stoßen wir mit dem ehrenamtlichen Betrieb an unsere Grenzen“, so Schmidt. Dass der kommerzielle Erfolg nicht wichtig ist, macht für Annie Bronner den Aufschwung aus: „Man braucht eine Mischung an Filmen. Unser Anspruch ist, viele Arten und Genres zu zeigen, auch mal zu experimentieren.“
Land ist Vorreiter
Gucklochkinos
Im Gegensatz zu großen Ketten oder auch Programmkinos sind kommunale Kinos nicht kommerziell, oft ehrenamtlich geführt und werden öffentlich gefördert. Laut dem Bundesverband kommunale Filmarbeit gibt es deutschlandweit 177 solcher Lichtspielhäuser. 2019 waren es noch 145. „In keinem anderen Bundesland gibt es so viele kommunale Kinos wie in Baden-Württemberg“, sagt Janis Kuhnert, Vorstandsmitglied beim Verband. 55 Institutionen seien hier Mitglied, und besonders im Südwesten kämen immer mehr Spielstätten hinzu.