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FDP-Politiker Niko Reith: "Für Landespolitik ist gewisse Qualität notwendig"

Es ist bereits wieder geraume Zeit her, dass Baden-Württemberg den neuen Landtag gewählt hat. Die Wahl brachte dabei einige Veränderungen mit sich.

Donaueschingen (guy). Unter anderem auch einen weiteren Abgeordneten für den Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen.

Für die FDP holte sich Niko Reith einen Sitz in Stuttgart. Und das ist mittlerweile bereits über 100 Tage her. Wie ist es Reith bislang im Landtag ergangen, und wie erlebt er das politische Treiben in der Landeshauptstadt?

Bereits während des Wahlkampfes war es für Reith wichtig, im Falle einer Wahl, den Bezug zur Region herzustellen: "Ich möchte mich an dem messen lassen, was ich sage. Und eine laute Stimme der Region in Stuttgart sein", sagt Reith. Und was sind die Erkenntnisse der ersten hundert Tage? "Besonders die Vielschichtigkeit. Die Anforderungen sind seit dem letzten Mal gestiegen. Landespolitik ist wie Kommunalpolitik, bloß auf Niveau der Champions League." Dafür sei eine gewisse Qualität notwendig, bei der Reith auch auf die Hilfe seines Teams bauen könne. "Was in Stuttgart passiert, ist immens."

Vorsitzender von zwei Ausschüssen

Im Rahmen ihrer Klausurtagung nach den Sondierungsgesprächen wählten die Abgeordneten der FDP/DVP-Fraktion nicht nur ihren Fraktionsvorstand, sondern vereinbarten auch die Aufgabenverteilung der Fraktionsmitglieder.

Dabei übernahm Niko Reith den Vorsitz der Arbeitskreise innerhalb der Fraktion in zwei bedeutenden Ausschüssen: Dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sowie dem Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration. "So kann ich Verantwortung übernehmen und mich nicht nur in vielen meiner Herzthemen inhaltlich einbringen", so Reith.

Mit dem Vorsitz der Arbeitskreise verbunden sind auch die Funktionen als Wirtschaftspolitischer Sprecher sowie Sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Für Reith auch ein Sprung ins kalte Wasser.

Großer Frust in der Region entstanden

So gehört zum sozialen Bereich auch die Thematik der Corona-Impfungen sowie der Tests. "Ich habe darauf hingewiesen, dass wir hier notorisch unterversorgt waren", sagt Reith.

Durch die Verteilung über die Impfzentren in Freiburg und Offenburg sei hier in der Region großer Frust entstanden. Bei der neuen Impfkampagne herrsche nun eine andere Situation vor: "Es gibt jetzt mehr Impfdosen als Menschen, die zu einer Impfung bereit sind."

Reith ist strikt gegen eine Impfpflicht, sieht allerdings die Notwendigkeit, hier etwas zu unternehmen: "Man muss sich Gedanken machen. Vielleicht, dass man die Tests nicht mehr umsonst anbietet."

Und wie sieht es in Stuttgart mit den Diskussionen um die Delta-Variante des Coronavirus aus? "Die Debatte hat immer zwei Pole: Das Thema Verläufe und das Thema der Öffnungen. Das führt dazu, dass man wegkommt, von der bloßen Inzidenz. Mehr Faktoren werden reinspielen, etwa die Auslastung des Gesundheitssystems." Ein weiterer Lockdown sei sozial und wirtschaftlich nur schwer leistbar. "Die Lösung kann nicht sein, wieder alles zu schließen", sagt Reith. Und hier müsse der Ministerpräsident weg von der reinen Inzidenz als Maßstab. "Die Inzidenz ist sehr sensibel. Für Vereine, Institutionen, die Wirtschaft ist das zu vage."

Reith hat auch Beispiele dafür, wie er direkt in Stuttgart den Anliegen der Menschen in der Region helfen kann. So wandte sich die Betreiberin einer Tanzschule an ihn. Die Tests, die von den Kindern in der Schule gebraucht werden, galten in der Tanzschule nicht. "Wir haben dann in der Sache einen Ministerbrief geschrieben." Und es änderte sich etwas: "Ein bestätigter Schultest zählt nun für 60 Stunden."

Seine erste Rede vor dem Landtag hielt Reith zur Situation von Kindern und Jugendlichen in der Krise. "Einen Tag vorher erhielt ich einen Anruf", erzählt Reith. Am Telefon war Mario Mosbacher, Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums. Es ging um das Projekt "Bridge the Gap". Dabei sollen PH-Studierende an die Schulen, um dort Unterricht zu übernehmen. "Mario Mosbacher wusste davon nichts." Reith griff es auf, sprach in seiner Rede die Ministerien an.

"Gefunkt hat es leider nicht. Aber wir haben darauf aufmerksam gemacht." In der Opposition dürfe man nicht nur sagen "das funktionierte nicht, es muss auch benannt werden, wo es funktioniert. und natürlich ist das Ziel auch, einen Vorschlag zu machen."

Abends hat er noch richtig viel Energie

Nun ist Niko Reith nicht nur im Landtag vertreten, er hat auch noch einen Sitz im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises und er ist Gemeinderat in Donaueschingen. Und auch diese Sitzungen nimmt er wahr. Wie gelingt es, das alles unter einen Hut zu bringen? "Ich brenne dafür, das ist meine Leidenschaft", sagt Reith.

Am Freitag merke er das Arbeitspensum schon. Seine Energie sei auch im Team zu spüren, sagt Pressesprecher Dirk Hetzer: "Er kommt abends zurück und man merkt, dass er noch richtig Energie hat." Reith beschreibt die Zeit in Stuttgart als "keine Frusttage", er könne etwas bewegen. Dann helfen zu können, das sei eine unglaubliche Freude.

Reith fordert "Willkommenskultur"

"Es braucht jemanden, der für unsere Region eintritt", sagt Reith. So gebe es etwa das Förderprogramm Invest BW, "das leider seit dem 16. April auf Eis liegt. Dabei wird es sehr rege in Anspruch genommen."

So seien Firmen aus Blumbergerg, Tuttlingen und Spaichingen mit dabei – etwa der Schwarzwaldhof mit rund einer Million Euro. "Dort sollen 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden." Die Arbeit im Wirtschaftsausschuss empfinde Reith dennoch als "immer sehr konsensual. Und das fraktionsübergreifend." So seien etwa Förderungen in Höhe von 30 Millionen Euro beschlossen worden. Niko Reith sieht es auch als seine Aufgabe, darüber zu informieren, was die Region an Unterstützung bekommt. So etwa der Förderbescheid für einen Innenstadtberater, für den bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg eine Stelle ausgeschrieben wird. "Die Leistung muss dann auch in Anspruch genommen werden."

"Es gab die Nachricht, dass Intel auf der Suche nach einem Standort für eine Mega-Fabrik sei, mit 20.000 Arbeitsplätzen", erklärt Reith. Allerdings habe das Unternehmen um Baden-Württemberg einen Bogen gemacht. Man habe keine Fläche, habe es geheißen.

Intel sei jetzt bei Landsberg in Bayern. "Ich hätte mir das hier im Land gewünscht. Ich fordere eine Willkommenskultur." Und dazu zähle für ihn auch eine Entbürokratisierung. Niko Reith ist es wichtig, die Distanz zwischen Bürger und Politik zu verringern. Besonders bei Jugendlichen sei er "für alles zu haben". "Die Jugend ist mit ein Schwerpunkt. Sie ist eine Zielgruppe, die besonders in der Pandemie komplett hinten runter geht."

Niko Reith ist Landtagsabgeordnete der FDP. Er ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 16 und 19 Jahren. Seit 25 Jahren ist er selbstständiger Versicherungsmakler. Reith ist Vorsitzender der FDP Donaueschingen, ist im Stiftungsrat der Bürgerstiftung Donaueschingen und sitzt im Aufsichtsrat der KEG GmbH Donaueschingen. Neben seinem Sitz im Landtag von Baden-Württembergs ist er Stadtrat in Donaueschingen und Kreisrat im Schwarzwald-Baar-Kreis.