20 Jahre lang stand Silvia Hall als Chefin in der Donaueschinger Weinstube hinter der Theke. Gerne hätte sie die gemütliche Eckkneipe noch ein paar Jahre weitergeführt, doch die Corona-Krise hat ihr einen Strich durch ihre Planungen gemacht. Foto: Jakober

Silvia Hall stand zwei Jahrzehnte hinter Theke. "Man will nicht endlos privates Geld reinbuttern."

Donaueschingen - Gehen wir noch zu Silvi? Treffen wir uns beim Moosmann? Bei diesen Sätzen weiß jeder Eschinger, worum es geht. Denn Silvias Weinstube ist eine Institution in Donaueschingen.

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Es soll sogar Gäste geben, die reisen einmal eigens aus Tübingen an, essen und trinken etwas und fahren wieder heim. In Bräunlingen und Hüfingen kennt man die gemütliche Eckkneipe sowieso und auch Villinger und St. Georgener sind unter den Gästen zu entdecken. Doch nun hört Silvia Hall auf. Nach 20 Jahren ist Schluss. Eigentlich wollte sie noch ein paar Jahre bis zur Rente hinter dem Tresen stehen, denn schließlich hängt ihr Herz sehr an der Weinstube und nicht nur an dieser, sondern auch an den vielen Stammgästen. Doch die Corona-Krise hat der gebürtigen Donaueschingerin einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht.

"Man will nicht endlos privates Geld reinbuttern"

"Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, dann hätte es anders ausgesehen", erklärt Silvia Hall, und man sieht ihr an, wie schwer ihr der Schritt fällt. Doch mit großen Bedauern musste sie erkennen: Es geht jetzt nicht mehr anders. Zu lange war die Weinstube geschlossen. "Man will nicht endlos privates Geld reinbuttern", erklärt Silvia Hall.

Für viele Donaueschinger war das Weinstüble wie ein Wohnzimmer. Man kennt sich. "Es ist wie eine große Familie", erklärt die Wirtin. Sie kennt die Stammkunden, weiß was sie trinken, welches Glas sie bevorzugen, und die besonders treuen Gäste bekommen auch einen ganz besonderen Bierdeckel – nämlich ihren eigenen, geziert mit ihrem Bild. "Die hat ein Stammgast gemacht, der gerne fotografiert und Künstler ist", erzählt Hall. Er habe fotografiert und sich alle Namen notiert. Eines Tages stand er da und überreichte ihr die selbst gestalteten Bierdeckel.

Zur Weinstube kam Silvia Hall eigentlich eher durch einen Zufall oder vielmehr durch eine glückliche Fügung des Schicksals. Eigentlich wollte sie einen ganz anderen Beruf einschlagen. Doch eines Tages wurde sie gefragt, ob sie als Bedienung aushelfen könne. Sie war sich zuerst gar nicht sicher, ob sie das überhaupt kann. "Doch da bin ich auf den Geschmack gekommen", erklärt sie. Irgendwann bediente sie auch im Weinstüble – einmal die Woche und an der Fasnet.

Stunden bis zum Feierabend nicht gezählt

Damals war Gerd Moosmann noch der Chef, der 13 Jahre das Weinstüble führte, und deshalb sprechen auch heute noch viele davon, dass man zum Moosmann geht, auch wenn's doch schon seit 20 Jahren Silvias Weinstube ist. Von Gerd Moosmann zeugt heute noch die Wand mit den rund 800 kleinen Schnapsfläschchen aus aller Welt. Das war seine Sammelleidenschaft, und nie hat seine Nachfolgerin darüber nachgedacht, an der einprägsamen Wandgestaltung etwas zu ändern: "Das gehört hier einfach dazu", erklärt Hall.

Als Gerd Moosmann übers Aufhören nachdachte, fragte er Silvia Hall, ob sie das Weinstüble gerne fortführen möchte. "Es war schon ein großer Schritt in die Selbstständigkeit", blickt sie zurück. Doch den Rückhalt hatte sie. Ihr Mann Wolfgang, die Geschwister und ihre Partner, die Tochter, die Nichte – alle halfen gerade in der Anfangszeit mit. "Nur so konnte ich es auch durchziehen", erklärt sie. Und Wolfgang Hall ist auch heute noch der "Mann im Hintergrund". Er übernimmt die Einkäufe, putzt auch mal die Bierleitung, und zur Not kann er auch kochen. Wenn's klemmt, ist er zur Stelle.

Zur eigenen Familien kam nach und nach auch die Weinstüble-Familie dazu. "Die Gäste sollen sich wohlfühlen, deswegen kommen sie her", erklärt Silvia Hall. Und es ist so einfach: Wenn's hinter der Theke stimmt, dann stimmt es auch vor der Theke. "Ich habe hier ein super Personal, das mich auch sehr unterstützt." Und als Wirtin ist sie selbst immer im Einsatz. "Man muss alles können und kann auch alles", erklärt sie und lacht. Es schwingt eine Herzlichkeit in diesem Satz mit und keine Spur von irgendeiner Angeberei. "Es war einfach wunderschön, hier zu arbeiten. Ich habe so nette Gäste."

42 Plätze hat das Weinstüble

Man merkt, dass sie ihre Weinstube über alles liebt, ihren Beruf gerne macht und nicht die Stunden bis zum Feierabend zählt. Auch um 22 oder 23 Uhr serviert sie einem hungrigen Gast noch etwas zu essen. "Man muss das mit dem Herzen machen und darf keine schlechte Laune verbreiten. Hier drin wird viel gelacht." Und so war das Weinstüble noch eine der letzten Bastionen der Stammtische, die doch sonst immer seltener werden – vor Corona eben. Heute wird's da schon schwerer – wie soll man auch einen Stammtisch machen, wenn nur zwei Haushalte an einem Tisch sitzen. Oder den sonntäglichen Frühschoppen – die Leute über den ganzen Wirtsraum verteilen? Da geht die besondere Stimmung doch verloren.

42 Plätze hat das Weinstüble. Aktuell sind es allerdings weniger, denn Stühle und Barhocker wurden entfernt, um die Sicherheitsabstände einhalten zu können. Aber zu normalen Zeiten waren die 42 Plätze meist gut belegt. Oft waren es mehr Gäste. "Man ist halt zusammengesessen und es hat immer irgendwie gepasst." Legendär war die Fasnet im Moosmann. Wenn man dachte, dass eigentlich kein einziger Gast mehr reinpassen würde. "Und dann kam noch eine Musik herein und die hat auch noch Platz gefunden", blickt Silvia Hall zurück.

Und wie das so ist als Wirtin, vieles hat sie auch in ihrer Weinstube erfahren. Immer bestens unterrichtet, was gerade so in der Stadt passiert. Und so manche Gemeinderatssitzung endete zwar in den Donauhallen, aber danach wurden ein paar Schritte gemacht, und oft soll es doch bei einigen Stadträten sehr spät geworden sein. Und so wie sie konnten sich alle Gäste auf die Verschwiegenheit der Wirtin verlassen: "Man bekommt viel erzählt, aber ich war immer eine, die geschwiegen hat – egal was ich gehört oder gesehen habe." Frei nach dem Motto: Was im Weinstüble passiert, bleibt auch im Weinstüble.

Ende Mai ist nun Schluss

Ende Mai ist nun Schluss für Silvia Hall. "20 Jahre sind eine lange Zeit, auch wenn sie sehr schnell vergangen ist." Ein Abschied sei zwar immer traurig, aber bei ihr wird es wohl ein Abschied auf Raten – denn auch wenn sie aufhört, mit dem Weinstüble wird es weitergehen. Vor ein paar Jahren gab es schon einen Interessenten, den gibt es heute noch, und sie hat ihm bereits für die Anfangszeit ihre Unterstützung zugesagt. Doch das ist eine andere Geschichte. Und eines ist sicher: "Man wird mich hier bestimmt auch als Gast öfter sehen."

Zwar gibt Silvia Hall das Weinstüble auf, doch das ist nicht das Ende der kleinen Eckkneipe mit ihrem ganz eigenen Charme. Ein Nachfolger ist bereits gefunden, er wird wohl Anfang Juni das Weinstüble wieder aufmachen. "Ich werde ihm mit Rat und Tat in der Anfangszeit unterstützten", sagt Silvia Hall. Und seinen Charakter soll die Weinstube auch behalten, ebenso sollen die Gutscheine auch beim Nachfolger noch gültig sein. Für Silvia Hall ist am Samstag der letzte Tag als Chefin. Gerne hätte sie eine große Abschiedsparty gefeiert, doch die muss aufgrund von Corona ausfallen.