Kathrin Riedy mit den beiden Assistenzhunden, die sie gerade in Vollzeit-Ausbildung hat: Apollo (links) und Barnaby, zwei Labradore. Foto: Niederberger

Kathrin Riedy bildet Tiere aus. Begleiter von Zuckerkranken und bei Autismus.

Donaueschingen - Laien können sich oft kaum vorstellen, für welche Zwecke Assistenzhunde speziell ausgebildet werden oder wie sie zum Einsatz kommen – eben längst nicht nur als Blindenführhunde.

Da gibt es etwa Spürhunde, die gehörgeschädigte Menschen auf sicherheitsrelevante Geräusche aufmerksam machen, es gibt Autismusbegleithunde, die speziell auf psychische Beeinträchtigungen eingehen können. Und es gibt zum Beispiel auch Hunde, die bei einem Zuckerkranken den verdächtigen Acetongeruch wahrnehmen und laut anschlagen, bevor es wegen Insulinmangels zu einer lebensbedrohlichen Krise kommt. Die Beispiele zeigen: Der beste Freund des Menschen trägt seine Auszeichnung zu recht.

Die Donaueschingerin Kathrin Riedy hat ihre Hundeleidenschaft zu ihrem Beruf gemacht und bildet Assistenzhunde aus. Die 36-Jährige hatte zunächst Chemielaborantin gelernt und zuletzt in der Freiburger Gerichtsmedizin gearbeitet – was ihr auf die Dauer zu deprimierend war. Und so reifte der Entschluss, sich als Assistenzhundetrainerin selbstständig zu machen, hatte sie doch am eigenen Leib erfahren, wie sie ihr erster Hund nach einem furchtbaren Erlebnis wieder zu einem optimistischen und lebensbejahenden Menschen gemacht hat. Ihre zweijährige und selbst finanzierte Ausbildung absolvierte sie am Deutschen Assistenzhundezentrum in Berlin. Um ihre Hundeschule offiziell zu machen, war noch eine Prüfung beim Veterinäramt in Villingen-Schwenningen nötig.

Hunde sollten sich nicht aus der Ruhe bringen lassen

Ist eigentlich jeder Hund als Assistenzhund geeignet? "Nein", sagt Kathrin Riedy. Sie bevorzugt Labradore, weil die von ihrem Wesen her sehr menschenbezogen sind, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und Neuem gegenüber aufgeschlossen sind. Doch Labrador ist nicht gleich Labrador. Deshalb testet sie potenzielle Assistenzhunde bereits im Welpenalter von sechs Wochen. Eine von 15 Prüfungen: Kathrin Riedy baut aus Brettern ein Labyrinth auf und setzt die kleine Fellnase mit dem Gesicht in eine Ecke. Wie reagiert der Hund jetzt? Bleibt er regungslos sitzen und macht einen verstörten Eindruck? Ungeeignet. Wird er hektisch und versucht über die Bretter zu klettern? Ungeeignet. Oder bleibt er ruhig, schaut sich um und findet den Ausgang von alleine? Dieser Hund hat Potenzial. Kathrin Riedy nimmt aber auch Kunden an, die schon einen Hund besitzen und ihn von ihr trainiert sehen wollen. Ob es dann aber dazu reicht, mit diesem Hund die Assistenzhundeprüfung zu bestehen, dafür kann sie nicht garantieren. Dennoch: Auch diese Vierbeiner können ihrem Halter von großem Nutzen sein.

Im Augenblick hat Kathrin Riedy zwei Labradore in Vollzeit-Ausbildung. Das heißt, die Hunde leben für rund eineinhalb Jahre bei ihr und werden auf ihre spätere Aufgabe vorbereitet, wobei die Besitzer der Bindung wegen natürlich regelmäßig ihre Hunde besuchen. Apollo wird einmal einem autistischen Jungen zur Seite stehen, Barnaby einer Frau mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Diese Fremdausbildung schlägt mit 25 000 Euro zu Buche. Ganz schön happig, zumal sich die Krankenkassen an den Kosten nicht beteiligen (siehe Infokasten).

Die Dualausbildung ist preisgünstiger. Da ist der Hund nur rund ein Jahr im Haushalt von Kathrin Riedy. In dieser Zeit erlernt er die Grundlagen und wird sozialisiert. Die weitere Ausbildung und Spezialisierung erfolgt dann zusammen mit Herrchen oder Frauchen stundenweise. Kosten: rund 15.000 Euro. Am günstigsten ist die sogenannte Selbstausbildung: Dabei tritt Kathrin Riedy als Coach von Hund und Hundehalter auf, einmal pro Woche wird trainiert. Kosten: rund 8000 Euro.

Panikattacken bewältigen

Und wie sehen die Aufgaben eines Assistenzhundes ganz praktisch aus? Wie unterstützt er im Alltag? Kathrin Riedy erzählt die Geschichte einer Frau, die nach einer Gewalttat an schlimmen Panikattacken leidet, die von körperlichen Berührungen ausgelöst werden können. Die Frau sei auf der Straße versehentlich angerempelt worden und sofort brach sie in Schweiß aus und das Herz begann zu rasen. Ihr Hund habe das sofort bemerkt und führte sie an eine Hauswand, an der sie sich anlehnen konnte. Dann setzte sich der Hund, so wie er es gelernt hatte, vor sie. Von hinten drohte also keine Gefahr mehr, vorne sicherte der Hund ab und die Panikattacke ging rasch vorbei. Ohne Hund hätte die Frau zu starken Beruhigungsmitteln greifen müssen, die sie drei Tage lang schachmatt gesetzt hätten.

Grundsätzlich gilt: Die Tätigkeiten eines Assistenzhundes sind ganz breit gefächert und werden individuell an die Bedürfnisse seines Herrchens oder Frauchens angepasst. Ein Assistenzhund kann Menschen mit Albträumen aus diesen wecken und auf Kommando das Licht anmachen. Er kann Medikamente, Notfallinformationen und Medikamente tragen oder er kann altersverwirrten oder dementen Menschen den verlegten Schlüssel bringen und sie daran erinnern, Medikamente einnehmen zu müssen.

Eine ganz große Bitte hat Kathrin Riedy an alle Menschen, die einem Assistenzhund, zu erkennen an der Aufschrift am Geschirr, auf der Straße begegnen. Den Hund nicht ansprechen und womöglich zu sich locken oder streicheln. Denn der Hund geht gerade seiner Betreuungsarbeit nach – und dabei lassen wir Menschen uns auch ungern stören.

Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen die Kosten für eine tiergestützte Therapie nicht übernehmen, weil ihr medizinischer Nutzen wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, teilt der Verband der Ersatzkassen auf Anfrage mit. Lediglich ein Assistenzhund, wie er beispielsweise bei Blinden zum Einsatz kommt, kann wie ein Hilfsmittel auf Rezept verschrieben werden. Auch wenn bekannt ist, dass gerade die tierische Begleitung von Demenz-Betroffenen sehr erfolgreich ist, gebe es bisher keinen deutschsprachigen Lehrstuhl, der qualifiziert die tiergestützte Therapie wissenschaftlich fundiert erforscht hat oder eine Studie fördert.