Friedrich Widmann darf 28 Jungvögel in ein wohl dokumentiertes Leben begleiten
Von Cornelia Spitz
Donaueschingen-Neudingen. Man nennt ihn den Storchenvater. "Aber das mit dem Storchenvater ist eher so ein Geschwätz", sagt Friedrich Widmann bescheiden.
"Beringer" ist der richtige Ausdruck für das Amt, das der Neudinger bereits seit 1994 in einem weit um Donaueschingen gezogenen Kreis ehrenamtlich ausübt. Zehn davon gibt es in Baden-Württemberg, sie arbeiten mit den drei Vogelwarten in der Bundesrepublik zusammen, die in Radolfzell, Helgoland und Hüttensee zu finden sind, erstellen Berichte, sammeln Informationen und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation rund um die Storchenpopulation im Land.
Schon bevor der heute 76-Jährige offiziell mit einer "Beringungserlaubnis" vom Präsidium in Amt und Würden erhoben wurde, hat er sich für die schwarz-weißen Vögel interessiert, "als junger Bub’ schon", erzählt der Neudinger, der lange in Sindelfingen gelebt hat, aber bei jeder Ankunft auf der Baar erst einmal nach seinen gefiederten Freunden schauen musste.
Heute, viele Jahre später, darf Friedrich Widmann von ganz nahe ganz genau hinschauen. Mit der Drehleiter der jeweils zuständigen Feuerwehr wird er meist in Schwindel erregende Höhen gefahren, um die Beringung von Jungstörchen vorzunehmen. Mindestens sechs Wochen alt, aber auf keinen Fall viel älter sind die Jungstörche in der Regel. "Vor sechs Wochen beringt man nicht", sagt Widmann – und später wehrten sich die Vögel dann doch vehement gegen den Eingriff in ihr Nest. Manchmal, so wie am Donnerstag bei der Beringung in Wolterdingen, kann Widmann sogar ein kleines Souvenir von seinem Ausflug ans Storchennest mitnehmen. Ein unbefruchtetes, ansonsten aber völlig intaktes Storchenei brachte Friedrich Widmann vom Nest mit. "Die Befruchtung ist bei den Störchen eine ganz schwierige Sache", erzählte er später, wieder festen Boden unter den Füßen. Nicht nur deshalb ist es ein echtes Glück, dass die Baar sich heute über so viele Störche freuen darf, die in zwölf Nestern in Widmanns Auftragsgebiet leben und allein dieses Jahr schon 28 Jungvögel schlüpfen ließen. Damals, als Widmann ein junger Bub’ war und fasziniert vom Boden zu den Nestern am Himmel blickte, hat er von solchen detaillierten Informationen zur Baaremer Storchenwelt nur träumen können.
Mit der Beringung der Störche mit Kunststoffringen (früher verwendete man Ringe aus Aluminium) will man eine Kontrolle über den Zug der Tiere sowie Informationen über die Entwicklung ihrer Population bekommen. Drei Vogelwarten in Deutschland – Radolfzell, Helgoland und Hüttensee – empfangen die Informationen, wann immer einer der Vögel irgendwo abgelesen wird.
Störche waren hier lange Zeit vom Aussterben bedroht. Eine Initialzündung gaben dann die Bemühungen des Schweizers Max Blösch. Nachdem der Weißstorch in der Schweiz Ende der 40er Jahre ausgestorben war, gründete er im Schweizer Kanton Solothurn eine Storchensiedlung mit Störchen aus Straßburg. Die Storchenzucht führte zu einer wieder wachsenden Population und das wiederum gab den Anstoß, auch anderswo mit der Zucht der Störche zu starten.
In Baden-Württemberg wurde daher Ende der 70er Jahre in Baden-Württemberg die Zuchtstation Schwarzwach eröffnet. Im Ländle wusste man damals lediglich von jeweils einem in Neudingen und in Pfohren lebenden Storchenpaar. Noch düsterer sah es vielerorts in der Schweiz oder im Elsass aus. Die Zuchtbemühungen zeigten Erfolg: Heute ist hier keine Storchenzucht mehr notwendig, lediglich mit Futtergaben während des Winters für Daheimgebliebene Störche greift man den Langbeinern heute noch unter die Arme. Dank der Beringung der Jungstörche, die zu diesem Zeitpunkt jeweils etwa sechs Wochen alt sind, sind Zug, Entwicklung der Population und das Leben der Störche sehr gut dokumentiert.
Donaueschingen-Aasen (ewk). Um die 200 Besucher feierten am Donnerstagabend das zweite Aasener Storchenfest. Hauptattraktion war die Beringung des Storchennachwuchses.
Und damit wurde es unerwartet aufregend: Beim Nahen der Feuerwehrleiter flogen die beiden Jungstörche flugs aus dem großen Nest über dem Staffelgiebel von Friedlis Haus einfach davon. Damit hatte keiner gerechnet, schließlich hatte es bisher keinen solchen Aus-Flug gegeben. Zudem war die Storchenfamilie mit ihrer Brut auch spät dran. Ein anderes Storchenpaar hatte zuvor ein Ei ins Nest gelegt. Bei einem ehelichen Streit, Störche leben in festen Beziehungen, fiel das aber heraus und zerschellte auf dem Hof von Malermeister Emil Hall.
Groß war die Freue bei den Aasener Storchenfreunden dann über das zweite Brutpaar, das seinen Nachwuchs sorgfältig behütete und groß zog. Als Storchenvater Friedrich Widmann die Jungen jetzt beringen wollte, waren sie aber offensichtlich schon zu selbstständig. Als der Feuerleiterkorb mit Widmann sich dem großen Nest näherte, schwebten die Jungstörche einfach davon. Die Eltern hatten sich schon vorher auf Firsten in der Nachbarschaft niedergelassen und klapperten nun aufgeregt hinter ihren Jungen her.
Widmann gab in dieser Situation nicht auf. Mit zwei Helfern suchte er die Nachbarschaft ab. Jungstorch Nummer eins fand sich auf einem Dach Hinter den Häusern, ließ sich fangen, wurde noch auf der Straße beringt und wieder ins Nest gebracht. Nummer zwei fand sich auf einer Wiese am Dorfrand, machte sich aber mit elegantem Start davon, als Storchenvater Widmann sich ihm näherte. Anschließend stolzierte er stolz über die Käppelestraße, flog aber auch hier seinem Häscher wieder rechtzeitig davon.
Gegen 19 Uhr beendete Widmann die Aasener Beringungsaktion und entließ die Feuerwehrleute mit der Drehleiter nach Donaueschingen. Immerhin einer der beiden Aasener Jungstörche kann sich demnächst beringt auf den Weg nach Süden machen. Den anderen wird’s nicht scheren, unregistriert nach Afrika zu fliegen.
Und die vielen Besucher des Storchenfestes an der Klosterstraße, vor allem junge Familien mit Kindern, die dieses Ereignis begeistert mit erlebten und viele Aasener, die sich einfach freuen, dass es wieder Störche im Dorf gibt, ließen sich die Freude an diesem Ferienereignis zu dem auch der "Stammtisch" noch Grillwurst und Getränke bot, nicht nehmen. Der Erlös fließt dem Kindergarten und der Dorfgemeinschaft zu.