Ein gutes Team seit über sechs Jahrzehnten: Während Oskar Rohr sammelt, staunt seine Frau Frieda mit Gelassenheit über diese Leidenschaft.Foto: Kech Foto: Schwarzwälder Bote

Der 89-jährige Oskar Rohr verfügt über eine einzigartige private Sammlung /

Warum sammelt ein Mensch Dinge, die er gar nicht braucht? Diese Frage kann auch Oskar Rohr nur indirekt beantworten: "Wenn ich am Abend meine Sammlung anschaue, bin ich zufrieden darüber, was ich gemacht habe. Ich freue mich daran."

Donaueschingen-Wutach. Angesichts der Fülle an Devotionalien, die der Ewattinger in den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen hat, muss man sich Oskar Rohr als sehr zufriedenen Menschen vorstellen. In der Tat ist ein Leuchten in den Augen des 89-Jährigen zu erkennen, wenn man ihn inmitten seiner Schätze besucht. Und plötzlich sieht man ihm sein stolzes Alter noch weniger an als sonst.

Vielleicht liegt Oskar Rohrs Sammelleidenschaft am Haus selbst begründet, denn er lebt mit seiner Frau Frieda und Tochter Barbara in Ewattingen im ehemaligen Schulgebäude des Dorfes. Die historische Aura steckt also schon in den Mauern selbst. In der Scheune gibt es kaum einen Flecken an der Wand, an dem nicht ein Werkzeug aus längst vergangenen Tagen prangt. Selbst von der Decke hängen Hämmer, Zangen, Sägen, Dreschflegel oder Heugabeln. Auf dem Speicher das gleiche Bild, nur mit anderen Gerätschaften. Fein aufgereiht hat Oskar Rohr all die Gegenstände, die er in den vergangenen sechs Jahrzehnten hier vereinte.

Vielleicht liegt das Zusammentragen von Dingen auch darin begründet, früher nicht allzu viele davon gehabt zu haben. Oskar Rohr wuchs mit sieben Geschwistern auf. Prall mit Spielzeug gefüllte Kinderzimmer gab es damals kaum, auch im Hause Rohr dürfte sich nur wenig davon auf die Schar verteilt haben. "Ich kann einfach nichts wegwerfen", gesteht Oskar Rohr lächelnd.

Arbeit in der Brauerei

Der Vater von Oskar Rohr arbeitete als Wegemacher, schon früh half der kleine Oskar mit und bearbeitete die Steine. Nach dem Krieg musste er als 14-Jähriger Zwangsarbeit im Wald und Straßenbau leisten, ehe er 1947 in der Wutachmühle eine Lehre als Müller absolvierte. Acht Jahre arbeitete er hier, dann folgte der Wechsel nach Villingen zur Firma Uhrenkeller als Fahrer und Stanzer. Weitere Stationen führten ihn nach Singen und nach Winterthur, ehe er 1962 zur Fürstenberg Brauerei nach Donaueschingen kam. Es sollte eine Verbindung für fast 30 Jahre und damit bis zu seiner Rente 1991 werden.

Zunächst arbeitete Oskar Rohr bei der Brauerei als Fahrer, dann wechselte er in die Magazinausgabe und schließlich in die Verwaltung, wo er mit Marketingaufgaben betreut wurde. Hier sollte er seine Bestimmung und ein weites Feld für seine Sammelleidenschaft finden. Im Zuge ständiger Erneuerung wurden regelmäßig Utensilien aussortiert und wären meist direkt im Müll gelandet, doch da brachte sich Rohr ins Spiel.

Spannende Anekdoten

Er rettete unzählige Gläser, Flaschen, Etiketten, Prägestempel oder Dokumente und brachte sie in sein Haus, das sich immer mehr zu einem Museum mauserte. Die Kollegen wussten um seine Leidenschaft, und so hieß es stets: "Herr Rohr, wenn sie etwas brauchen können, dann nehmen sie es mit. Sonst wandert es in den Schrott." Der Ewattinger nahm das Angebot gerne an und wurde so zum Bewahrer eines Teils der Brauereigeschichte. Fein säuberlich hat Oskar Rohr in langen Reihen rund 500 Gläser zusammengeführt.

"Viele davon sind Unikate, denn die Entscheidung, welches Glas tatsächlich in Serie geht, entschied Fürst Joachim höchst selbst", erzählt Rohr. Unzählige Flaschenetiketten aus all jenen Ländern, in die Fürstenberg seinen Gerstensaft exportierte, finden sich in seinen Alben. Aschenbecher, Prägestempel für die Holzfässer oder 100 Jahre alte Briefbögen, auf denen die Brauerei mit der Telefonnummer "1" verewigt ist, sind darunter zu finden.

Und nicht zu vergessen die rund 400 Bügelflaschen, hier sind allerdings die Produkte vieler Brauer dabei. Besonders stolz ist Oskar Rohr auf Dokumente, die er nicht als Original, so doch zumindest als Kopie hat. "Die Originale gingen vor Jahren bei einem Hochwasser im Papierlager der Brauerei verloren", erinnert er sich. Glücklicherweise hatte er vorher bereits Kopien gemacht.

Illustre Zeitdokumente

"Nicht einmal auf Schloss Hohenzollern, dem ehemaligen Stammsitz des Kaisers, haben sie derartige Schriftstücke, weil im Krieg in Berlin alles zerstört wurde", weiß Oskar Rohr. Es handelt sich dabei um Einladungs- und Speisekarten für Anlässe, die Kaiser Wilhelm II. Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts veranstaltete. Unter anderem vom Geburtstag des letzten deutschen Throninhabers 1890 im Festsaal des Berliner Rathauses: Steinbutt, Kalbsrücken und dann auch noch ein "Zwischengericht nach Diplomatenart" wurden damals kredenzt, was immer das auch war.

Bei diesen Feiern wurde auch das Bier aus Donaueschingen aufgetischt, der Kaiser und das Fürstenhaus pflegten zu dieser Zeit gute Kontakte. Doch nicht nur das: Anno dazumal hatten die Fürstenberger sogar Zigarren für diese besonderen Feiern in ihrem Angebot. Oskar Rohr hat eine Kiste davon parat. Allerdings zündet er keine davon an, der Besitz ist alles.

Auch eine Säge, mit denen früher die Eisblöcke für die Kühlräume der Brauerei geschnitten wurden, gehört zur Sammlung. Auf dem Speicher stehen alte Bügeleisen, Fleischwölfe, Waagen, Radios, Trachten, Heiligenbilder oder Abzeichen aus dem Heimatort selbst. Und Urkunden, nicht selten an Oskar Rohr selbst verliehen, denn der 89-Jährige hat das heimische Vereinsleben mitgeprägt. So war er Gründungsmitglied gleich dreier Organisationen – von Sportverein, Skiclub und Rotem Kreuz – und stand dort teilweise an führenden Positionen. Auch im Musikverein spielte Rohr lange mit.

Und so bringen ihm Verwandte, Nachbarn und Bekannte immer wieder Gegenstände vorbei, die er aufpäppelt und in seinem Haus ausstellt. Der Ewattinger nimmt sich jedem Objekt an, selbst wenn er zunächst nicht einmal weiß, was da vor ihm steht. "Neulich hatte ich erst ein solches Aha-Erlebnis, als ich eine Holzkonstruktion als alten Haspel für Feuerwehrschläuche identifizieren konnte", strahlt Rohr.

Bisweilen tauscht er auch mit anderen Sammlern, oder er überreicht dem Spender ein kleines Präsent. "Geld fließt allerdings keines."

In der Regel erfreut sich Oskar Rohr ganz alleine an der Fülle seines gesammelten Materials. Manchmal allerdings öffnet er die Tore für interessierte Besucher. Wird später eine seiner Töchter oder ein Enkel in seine Sammler-Fußstapfen treten? Oskar Rohr zuckt mit den Schultern. Er weiß es nicht, hofft aber, dass die Sammlung dauerhaft zusammen bleibt. Eines steht für ihn fest: "Ich werde weiter sammeln."

Oskar Rohr arbeitete fast 30 Jahre lang für die Fürstenberg Brauerei in Donaueschingen. Dadurch konnte er viele Utensilien von dem Traditions-Unternehmen sammeln. Die Brauerei selbst bietet wegen ihrer weit zurückreichenden Geschichte auch einiges an Material, über das Sammler sich freuen können: Im Jahr 1283 erhielt das Haus Fürstenberg von König Rudolf I. die Landgrafschaft Baar als Lehen. Damit verbunden war das Recht, Bier zu brauen. Seit 2005 gehört die Fürstenberg-Brauerei zur Paulaner-Brauereigruppe.