Sobald hier Pflanzen wachsen, fallen die Beton- und Metallelemente des Kleintierleitsystems nicht mehr so ins Auge: Andreas Oder, Ingenieur des Göppinger Verkehrssicherheitsunternehmens Maibach, und Wolterdingens Ortsvorsteher Reinhard Müller (rechts) an der neuen Erschließungsstraße für den nächsten Abschnitt des Gewerbegebiets Längefeld. Fotos: Niederberger Foto: Niederberger

Tunnel mit Breite von einem Meter und Höhe von 75 Zentimetern. Auch überirdische "Krötenautobahn" geplant.

Donaueschingen-Wolterdingen - Sind die Kröten in Wolterdingen so riesig, dass sie einen Tunnel mit einer Breite von einem Meter und einer Höhe von 75 Zentimetern benötigen? Andreas Oder lacht.

Der Ingenieur des Göppinger Verkehrssicherheitsunternehmens Maibach steht mit Wolterdingens Ortsvorsteher Reinhard Müller an der im Bau befindlichen zweiten Erschließungsstraße für das Gewerbegebiet Längefeld und berichtet über die Fortschritte des Projekts. Zwar werde immer von einem Amphibienleitsystem links und rechts der Straße gesprochen, die über den Damm des Staubeckens bis zur Hallenbergstraße führt, doch in Wirklichkeit richte sich die komplette Anlage nicht nur an Kröten, Frösche oder Eidechsen, sie soll auch unterirdische Querungshilfe für Kleinsäuger wie Füchse, Hasen, Igel oder Biber sein. Daher die Dimensionen. Und daher sprechen die Fachleute auch von einem Kleintierleitsystem.

Der Planer des Kleintierleitsystems in Wolterdingen ist Hans-Joachim Zurmöhle. Er hat in den vergangenen 30 Jahren 60 Leitsysteme im Süden Deutschlands konzipiert. Er weiß: Ob ein Tunnel von Amphibien angenommen wird, hängt vom Verhältnis von Länge und Querschnitt ab. Sprich: Je länger ein Durchlass ist, desto breiter und höher muss er sein, damit er von den Tieren angenommen wird. Er erinnert sich noch gut an das erste Amphibienleitsystem im Schwarzwald-Baar-Kreis, das vor vielen Jahren an der Straße zwischen Wolterdingen und Tannheim realisiert wurde. Da war der Querschnitt vergleichsweise klein, entsprechend schlecht wurde er von Fröschen und Kröten frequentiert. Weil das Leitsystem gealtert war und nicht mehr dem Stand der Technik entsprach, wurde es vor einigen Jahren erneuert. Der Experte weiß aus Erfahrung: Wenn in einem Gebiet 75 Prozent der anwandernden Alttiere und 50 Prozent der Jungtiere das Leitsystem durchqueren, dann gilt der Bestand dieser Lurche als dauerhaft gesichert.

Wie teuer ist nun das Kleintierleitsystem in Wolterdingen? Zurmöhle möchte die Kosten im Gesamtkontext von Bauvorhaben bewertet wissen. Er kann aus einer Vielzahl von Projekten gesichert belegen, dass der Anteil der "grünen" Maßnahmen, hier gehören auch die Kleintierleitsysteme dazu, selten über drei Prozent und fast nie über fünf Prozent der Gesamtbaukosten bei der Fertigstellung eines Baugebietes oder einer neuen Straße liegen. Ortsvorsteher Müller nennt den Betrag: 540 000 Euro. Da das System zu Beginn der Amphibienwanderung noch nicht installiert war, musste ein mobiles System die Wanderung der Amphibien in geordnete Bahnen lenken. Das habe, so Müller, rund 12 000 Euro gekostet. Diese Kosten werden in den nächsten Jahren natürlich nicht mehr anfallen.

Genau an diesem Punkt setzt Zurmöhle bei seiner Kosten-Analyse an. Nach 20 bis 30 Jahren würden sich in der Regel fest installierte Leitsysteme gegenüber mobilen rechnen. Außerdem bieten festinstallierte Leitsysteme aus Beton oder Metall einen ganzjährigen Schutz. Im vorliegenden Fall konnten die Voruntersuchungen belegen, dass ohne Leitsystem jährlich mehr als 10 000 Amphibien die neue Straße und das Gewerbegebiet queren würden. Dies stellt nicht nur eine Gefahr für die Tiere, sondern auch eine Gefahr für den Verkehr auf der Straße dar. Dann würden in ein paar Nächten Tausende von Amphibien in Gullys fallen oder auf der Straße und den Verkehrsflächen des Gewerbegebiets platt gefahren werden.

Zahl der ehrenamtlichen Helfer zurückgegangen

Gleichzeitig sei auch die Zahl der ehrenamtlichen Helfer zurückgegangen, die an den mobilen Leitsystemen Amphibien einsammeln und auf die andere Straßenseite tragen. Anfang der 90er-Jahre seien Frosch- und Krötenfreunde in Baden-Württemberg an rund 700 Straßen aktiv gewesen, heute sei diese Zahl viel geringer und die Tierschützer seien meistens ältere Herrschaften, junge Menschen rückten kaum nach. Außerdem sei es auch äußerst gefährlich, in stockdunkler Nacht an Straßenrändern zu arbeiten.

Dass der Artenschutz bei der Ausweisung neuer Baugebiete mittlerweile einen hohen Stellenwert genießt, wird auch daran deutlich, wie im Längefeld mit dem Rotmilan umgegangen wird. Der kommt auf der Baar zwar vergleichsweise häufig vor, sein Bestand gilt aber europaweit als stark gefährdet. Das heißt: In anderen Teilen Deutschlands und Europas fehlt er. Ein Rotmilan-Paar hat nun seinen Horst im Wald unweit des Gewerbegebiets. Durch dessen Vergrößerung geht den Greifvögeln ein Jagdrevier beziehungsweise Nahrungshabitat verloren. Als Ersatz dafür wurde auf der anderen Seite des Waldgebiets in Richtung Hubertshofen ein Acker in eine blütenreiche Wiese umgewandelt. Diese Wiese ist allerdings auch Nahrungshabitat für ander seltene Tierarten, zum Beispiel Wildbienen.

Ohne die Berücksichtigung der natur- und artenschutzrechtlichen Belange wäre solch ein Vorhaben heutzutage auch nicht mehr genehmigungsfähig.

Zunächst sei geplant gewesen, dass jedes Grundstück im neuen Abschnitt des Gewerbegebiets Längefeld mit einem Leitsystem ausgestattet sein müsse, erinnert sich Müller. Doch da habe er sein Veto eingelegt: "Da hätten wir doch kein Grundstück verkauft." Deshalb ist das komplette Planungsgebiet jetzt von einem Leitsystem umgeben. Dies verhindert, dass mehr als 10 000 Amphibien alljährlich das Gerwerbegebiet mindestens zweimal durchqueren. Anfang Oktober 2018 starteten die Arbeiten für die neue Erschließungsstraße. Laut Müller habe die ausführende Firma angekündigt, womöglich schon bis zu den diesjährigen Sommerferien fertig zu sein – natürlich nur, wenn nichts Unvorhersehbares passiert. Dann können sich dort Gewerbebetriebe ansiedeln, in deren Untergrund Kröten und Frösche zu ihren Laichgewässern unterwegs sind. Und auch größere Tiere dürften den Tunnel als Schleichpfad für sich entdecken.

Fast alles, was der Mensch baut, ist ein Eingriff in die Natur und Umwelt. Ob Straßen, Talsperren, Kanäle, Häuser, Windräder oder eben ein Gewerbegebiet wie in Wolterdingen.

Um die Umweltverträglichkeit vorab zu prüfen und gegebenenfalls ausreichenden Ausgleich zu schaffen, bedarf es sehr genauer Untersuchungen. Hans-Joachim Zurmöhle, Diplomforstwirt und Inhaber des Büros für Landschaftsplanung und Ökologische Gutachten in Waldkirch an der Schillerstraße, ist seit vielen Jahren auf diesem Gebiet tätig.

Fast alles, was der Mensch baut, ist ein Eingriff in die Natur und Umwelt. Ob Straßen, Talsperren, Kanäle, Häuser, Windräder oder eben ein Gewerbegebiet wie in Wolterdingen.

Um die Umweltverträglichkeit vorab zu prüfen und gegebenenfalls ausreichenden Ausgleich zu schaffen, bedarf es sehr genauer Untersuchungen. Hans-Joachim Zurmöhle, Diplomforstwirt und Inhaber des Büros für Landschaftsplanung und Ökologische Gutachten in Waldkirch an der Schillerstraße, ist seit vielen Jahren auf diesem Gebiet tätig.