Mit Plakat und Stimme gingen im März rund 200 Jugendliche noch an den Musikantenbrunnen vor dem Rathaus, um gegen Klimawandel und Handlungsunfähigkeit der Politik zu demonstrieren. Das am vergangenen Freitag dagegen ist alles andere als ein Bild von Aufbruchstimmung. Fotos: Wursthorn Foto: Schwarzwälder Bote

Protest: Rathausplatz ist am Freitag leer / Fridays for Future findet in Donaueschingen keine Organisatoren

Wo sind sie geblieben, die jungen Leute, die im März dieses Jahres am Musikantenbrunnen mit beschriebenen Papptafeln und Sprechchören gegen die unzureichende Klimapolitik demonstrierten?

Donaueschingen (wur). Sollte sich noch ein Protest zusammenballen, käme er ohne Ansage. Denn weder an den Schulen mit älteren Jugendlichen noch in den sozialen Netzwerken drang auch nur ein Hauch von Aufbruchstimmung an die Öffentlichkeit. Fridays for Future? In Donaueschingen heißt das "Ohne uns!" Bei der Stadtverwaltung seien keine neuen Aktionen in Zusammenhang mit "Fridays for Future" angemeldet worden", attestiert Stadtsprecherin Beatrix Grüninger dem ordnungsrechtlichen Kanal Funkstille.

Und die Schulen? Da muss man wissen, dass die Organisatorinnen der Demonstration im März inzwischen ihr Abitur gemacht und das Wirtschaftsgymnasium verlassen haben. Und die Schulsprecher des neuen Schuljahrs, das Gremium also, das einen Demonstrationsaufruf starten könnte, sind noch nicht gewählt. Das ist am Fürstenberg-Gymnasium so, wo Schulleiter Mario Mosbacher weiter der Meinung ist, dass die Auseinandersetzung mit dem Klima in den Unterricht und nicht auf die Straße gehöre. Nachhaltigkeit und Umweltaspekte gehörten zu den Leitperspektiven in den Lehrplänen. Sie werden in allen Klassenstufen in vielen Fächern vermittelt und finden in den AGs Nachhaltigkeit oder Schulgarten praktische Umsetzung.

Im März führten demonstrierende Schüler Teilnehmerlisten. So wurde dokumentiert, wer dem Klima zuliebe den Weg ans Rathaus einschlug. Wer demonstrierte, musste die Zeit nachholen: entweder beim Müllsammeln bei der Stadtputzete oder beim Rackern im Schulgarten. "Wir behandeln das als Schwänzen", definiert Mosbacher. Sanktion muss sein. Auch im Wiederholungsfall werde wieder ein auf Nachhaltigkeit getrimmter Zeitaufwand verhängt. Nach dem sehe es aber nicht aus, "auch wenn mich schon Lehrer gefragt haben, wie sie reagieren sollen".

Völlige Ruhe auch an den Kaufmännischen und Hauswirtschaftlichen Schulen, im März so etwas wie die Streikzentrale. "Gar nichts!" fasst Schullleiter Frank Liebetanz die gegenwärtigen Fridays for Future-Aktivitäten zusammen. Und wenn doch? Die Reaktion der Schulleitung auf das Fernbleiben differiere nicht von der im März. Man dürfe den Schülern ja nicht verwehren, dass sie an ihre Zukunft denken und sich nicht zu "Sündenböcken für das Versagen ihrer Eltern und Großeltern abstempeln lassen wollen", sagte Liebetanz im Frühjahr. An den KHS blieben Sanktionen damals aus.

Aber warum ist nichts los in Donaueschingen? Einen Erklärungsansatz liefert Umweltberater Gerhard Bronner, von Berufs wegen seit Jahrzehnten so was wie das Öko-Gewissen der Baar. Offenbar habe es nach der Demo auf dem Rathausplatz nicht so viele aktive Jugendliche gegeben, für dauerhafte Aktionen. "Und diese Aktiven machen eher bei den Villingern mit."

Diese Antwort führt in die richtige Richtung. Ein Anruf bei Sofia Kexel. Sie hat zusammen mit Ceyda Gyrnehir im März die Klima-Demo vor dem Rathaus organisiert. Gut 200 Schüler brachten die Abiturientinnen am Wirtschaftsgymnasium auf die Beine. "Leider war das auch die einzige Demo in Donaueschingen", bedauert sie. Im April hatte sie versucht, eine neue Organisationsstruktur in die Demos zu bringen und hatte die Schulsprecher der Schulen in einer Whatsapp-Gruppe gebündelt. Dabei blieb es. Aktivitäten, seitdem sie sich nach dem Abi zurückzog aus dem Schul-Netzwerk: gleich null. Ganz offenbar möchte niemand die Organisationsarbeit übernehmen, meint sie.

Wer es ernst meint mit dem Klima habe sich ohnehin den Aktivisten in Villingen angeschlossen, meint sie. Da mache der Protest in einer großen Gruppe mehr Spaß. Villingen ist künftig auch für sie näher. Sofia Klexel studiert ab Oktober in Schwenningen.

Auch die Grünen Schwarzwald-Baar verfügen nicht über einen direkten Draht zu den Klima-Aktivisten. Immerhin erfolgt per Mail ein Link, der eine Übersicht zu lokalen Aktivitäten gibt: https://fridaysforfuture.de/allefuersklima/#map. Möglicherweise ein Spickzettel für künftige Aktionen.

Die Kirchen bringt der Klimastreik nicht auf die Straße. "Nichts geplant", sagte Pfarrer Erich Loks auf Nachfrage. Allerdings fänden Umweltaspekte zunehmend Berücksichtigung, etwa bei Bau- oder Sanierungsvorhaben.

Gestern, beim dritten globalen "Klimastreik" hofften die Aktivisten in Baden-Württemberg auf zigtausend Teilnehmer. Proteste waren in Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Ulm, Heilbronn oder Konstanz und Villingen-Schwenningen angesagt. Auch kleinere Städte wie Schramberg standen auf der Liste. Nicht aber Donaueschingen.

Hunderttausende sind am Freitag in Deutschland dem Aufruf gefolgt, gegen die zögerliche Klimapolitik der Bundesrepublik zu demonstrieren. Allein in Berlin versammelten sich in der Mittagszeit 80 000 Menschen am Brandenburger Tor. Mehr als 25 000 Menschen versammelten sich im Freiburg, mehr als 500 Organisatoren haben aufgerufen.