Heute sammelt sich auf der Wiese Regenwasser. Zur Zeit der Kelten befand sich hier eine Siedlung Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Kelten lebten am ursprünglichen Donauzusammenfluss auf Pfohrener Gewann in Bragodunum, "Sumpfburg"

Von Thomas H. T. Wieners Donaueschingen-Pfohren. Wo einst die Donau entsprang, lebten die Kelten in einer befestigten Anlage – der "Sumpfburg". Auch heute noch lässt sich der frühere Zusammenfluss lokalisieren: im Pfohrener Gewann "unter Wasser/auf Burg".Erst vor kurzem hat eine Forschungsgruppe herausgefunden, dass sich der Donauzufluss früher nicht an der Stelle befand, wo er heute zu finden ist. Den Angaben des griechischen Seefahrers und Geografen Ptolemaios (2. Jahrhundert nach Christus) haben die Forscher diese Informationen zu verdanken. Und in der Tat: nach der Durchsicht alter Karten befand sich der Donauursprung weiter südlich. Überträgt man die alten Pläne auf moderne Karten, so gelangt man auf die heutige Gemarkung Pfohren, genauer gesagt auf das Pfohrener Gewann "unter Wasser/auf Burg".

Ptolemaios erwähnt in seinem Bericht in diesem Zusammenhang auch die keltische Siedlung "Bragodunum", zu deutsch: "Sumpfburg". Das keltische Wort "brago" bedeutet "Sumpf", die Endung "dunum" meint eine befestigte keltische Siedlung.

Die Bezeichnung passt zu den örtlichen Begebenheiten Pfohrens ganz genau. Ja, der Name "Sumpfburg" spiegelt sich noch heute in der Gewannbezeichnung "unter Wasser/auf Burg" wider.

Archäologen glauben an eine Burganlage

Als vor vielen Jahren in diesem Gebiet noch Kies abgebaut wurde, erhob das Landesdenkmalamt das Gewann unter Denkmalschutz. Die Begründung: Im Gelände lassen sich noch deutliche Spuren eines Burghügels und eines Grabens oder Walls erkennen. Archäologen sind noch heute überzeugt, dass es sich um eine mittelalterliche Burg handeln müsse – ohne, dass dort jemals etwas freigelegt wurde. Etwas vorsichtiger äußern sich da die Historiker. Schließlich stützt kein einziges schriftliches Quellenzeugnis diese Behauptung – ganz im Gegensatz zum von Ptolemaios beschrieben "Sumpfburg".

Nun drängt sich natürlich die Frage auf, in welcher Beziehung "Sumpfburg" zur keltischen Kultstätte "Pyrene", dem heutigen Pfohren (wir berichteten) steht. "Pyrene" bedeutet, aus dem Griechischen übersetzt soviel wie Opferfeuer, Opferherd oder Scheiterhaufen. In den Berner Scholien (erklärende Zusätze zum Werk des römischen Dichters und Historikers Marcus Annaeus Lucanus) ist zu lesen, dass die Kelten den Gott Taranis/Tanaris durch Menschenopfer, die in hölzernen Wannen verbrand wurden, ehrten. Der Name "Pyrene" meint somit eine Kultstätte, an der die Kelten Menschenopfer verbrannten. Und zwar auf dem heutigen Kirchhügel zu Pfohren.

Dieser Ort vereinigt – aus historischer Sicht – alle Voraussetzungen für einen zentralen keltischen Kultort: eine Anhöhe über den Sümpfen in unmittelbarer Nähe des Zusammenflusses der beiden Quellflüsse der Donau. Bei seiner Lokalisierung des Donauursprungs erwähnt der griechische Geschichtsschreiber Herot aber nicht einfach eine Kultstätte, sondern er spricht von einer Ansiedlung "Pyrene". Damit meint er die zugehörige Siedlung, die in der Nähe des heiligen Hügels lag – und genau diese ist das von Ptolemaios unter seinem keltischen Namen genannte "Bragodunum". Dieser Ort lag nördlich des Pfohrener Kirchhügels und somit tatsächlich noch näher am Donauzusammenfluss.

Opferpriester lebten in der kleinen Siedlung

Man darf sich diese keltische Siedlung nicht allzu groß vorstellen. Schon der Name "Sumpfburg" spricht für eine eher beschauliche Anlage. Sie wird im wesentlichen den für die Verbrennung der Menschenopfer auf dem Pfohrener Kirchhügel zuständigen Priestern als Siedlung gedient haben. Auch bei der Kultstätte auf dem Hügel selbst ist von einem Naturheiligtum auszugehen. Allein seine herausgehobene geografische Lage – als Anhöhe über den Sümpfen beim Donauursprung – machte es zu einer zentralen Kultstätte für die Kelten der weiteren Umgebung. "Pyerne" ist also eine reine Funktionsbezeichnung.

Die Römer – auf ihrem Siegeszug durch Europa – beließen die Kultstätte und errichteten auf ihr keinerlei Bauten. Der Name Forum (Latein: Versammlungsplatz) wurde von den Alemannen übernommen und veränderte sich im Laufe der Jahrhunderte bis zum heutigen Ortsnamen Pfohren. An der Stelle des keltischen Zentralheiligtums wurde eine Michaelskirche errichtet. Der heilige Michael ist das klassische Patrozinium für auf heidnischen Kultstätten errichtete Kirchen.

Der Kirchort Pfohren wurde der namensgebende Dekanatsort für die Region und blieb es bis ins 14. Jahrhundert. Als Gerichtsstätte ist Pfohren urkundlich nachweisbar bis in 16. Jahrhundert. Unter seiner Bezeichnung "Pyrene" ist Pfohren der älteste, schriftlich erwähnte Ort Deutschlands.