Einzelhandel: 41 Jahre hat Gero Mardorf sein Juweliergeschäft geführt / Bei Bedarf auch Ratgeber

Am linken Handgelenk trägt Gero Mardorf nebeneinander zwei Zeitmesser. Hier die zeitlos schicke und 30 Jahre alte Rado – zudem seine Lieblingsmarke; dort der moderne Fitnesstrainer.

Donaueschingen (wur). Sie stehen gleichermaßen für Arbeit und Freizeit, für Lebenswerk und Lebensfreude. Und wenn der Donaueschinger Juwelier und Uhrmacher erzählt, dass ihn der digitale Fitnessmesser jede Woche auf 40 bis 50 Laufkilometern begleitet, mag man Folgendes kaum glauben: Mardorf hat genug, er geht in Ruhestand. Die äußere Erscheinung und ein Blick in den Ausweis widersprechen sich: Im November wird Mardorf 77 Jahre alt.. Damals, beim 75. Geburtstag, war Aufhören kein Thema. Jetzt passt es. Warum? Anfang des Jahres saß das verantwortliche Trio, bestehend aus Gero und Helga Mardorf sowie Geschäftsführerin Sarah Breinlinger, zusammen, als Breinlinger anbot, das Geschäft an der Zeppelinstraße zu übernehmen. "Die Kunden kennen sie, umgekehrt kommt so kein Fremder ins Haus", freut sich Mardorf über die nahezu risikolose Offerte. Geklärt ist die Änderung auch familienintern. Sein Sohn Tobias, der seit 2007 ein rechtlich eigenständiges Geschäft in Schwenningen führt, habe kein Interesse, Donaueschingen mit zu übernehmen, sagt der Vater. Er habe eine junge Familie, die Kinder sind sieben und ein Jahr alt, genüge Schwenningen. "Und überdies ist es ja wichtig, dass der Inhaber selbst im Laden steht", so Gero Mardorf.

Das tat er. 41 Jahre lang. Ab 1977 in Blumberg, seit 1983 in dem auffallend grünen Haus an der Zeppelinstraße, in dem die Mardorfs auch wohnen. Eine Gefahr für das Verhältnis von Rentner und Nachfolgerin? "Ich gebe nur Rat, wenn ich gefragt werde", kündigt der künftige Ruheständler an. Die Verantwortung gibt er ab, die Liebe zum Beruf nicht. "In meiner Werkstatt werde ich nach und nach meine Uhren- und Taschenuhrensammlung überholen und Anfertigungen machen", kündigt einer der letzten Uhrmachermeister in der Region an. Der Meisterabschluss werde nicht mehr angestrebt. Heute gingen die jungen Leute nach der Ausbildung in den Service oder zu gut bezahlten Jobs in der Schweiz.

Ersatzteile anzufertigen hat Mardorf in der Lehre gelernt. 1957 war das unabdingbar. Denn nach dem Krieg gab so gut wie keine Ersatzteile zu kaufen. Den Berufswunsch erledigte die Familie. "Wir hatten einen Bäcker, einen Elektrobetrieb und mehr. Da wurde ich halt Uhrmacher", erinnert sich Mardorf. Auch daran, dass er sich als Jugendlicher doch schwer tat, sich in Genauigkeit und Geduld zu üben. Auf seine berufliche Selbständigkeit bereitete er sich über schrittweise Fertigkeiten und Positionen vor. Er war Geschäftsführer in großen Firmen, studierte nebenberuflich Betriebswirtschaft, war Einkäufer für den Großhandel.

Mit seiner Frau Helga, selbst Juwelierin und Einzelhandelskauffrau, durchlebte er alle Entwicklungen der Branche. "Früher war eine Uhr kein Gebrauchsgegenstand. Sie wurde gepflegt und vererbt", erinnert er sich. Das sei heute anders. Auch beim Schmuck gelte, dass viele Kunden gerne wechseln. Nur ein kleiner Teil lege Wert auf hochwertige Ware. Als Vollsortimenter trägt Mardorf diesem Wandel Rechnung.

Selbstbewusster sind über die Jahre die Einkäuferinnen geworden. Die Zeiten, als sie ein vom Partner angeschafftes Schmuckstück dankbar entgegen nahmen, sind vorbei. "Heute kommt das Paar zu zweit. Oder die Frau kauft sich selbst etwas." Und wie läuft das bei den Mardorfs, die im nächsten Jahr ihre goldene Hochzeit feiern? "Ich habe es da leichter", sagt Mardorf und lächelt verschmitzt. Er müsse sich lediglich merken, wie seine Frau reagiert, wenn der Vertreter neue Ware vorstellt.

Bleibt das Thema Sicherheit. Natürlich unterliege ein Juwelier einem gewissen Berufsrisiko. "Da muss man eine gute Außen- und Sicherung haben". Also durchbruchhemmendes EH-3-Glas, sechs Zentimeter stark im Schaufenster, im Laden eine Alarmanlage, Bewegungsmelder und Kameras. Schwarze Schafe habe es immer mal wieder gegeben, Ladendiebstahl und Schäden in der Scheibe. "Aber passiert ist noch nie was." Einen gehörigen Schrecken hatte ihm vor vielen Jahren ein Polizist eingejagt, der nächtens in der Schlafzimmertür der Mardorfs stand. Der Beamte war diensteifrig durch ein offenes Kellerfenster geklettert, nachdem Nachbarn der Polizei einen Einbrecher gemeldet hatten, der offenbar denselben Weg genommen hatte. Natürlich ist das Fenster längst zugemauert.