Zahlreiche Zuhörer interessieren sich für die Diskussion nach der Frage über einen vermeintlichen "Terror der Tugend". Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Podiumsdiskussion der evangelischen Erwachsenenbildung / Werte und Selbstbestimmung im Fokus

Impulse zu geben und Denkanstöße auszulösen sind die Ziele der Diskussionen unter dem Titel "Anstöße", die im zweimonatigen Turnus im Gemeindehaus am Irmapark stattfinden.

Donaueschingen. Auf Initiative der evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenbezirk Villingen werden bei den "Anstößen" aktuelle Themen in den Fokus gerückt. Die jüngste Ausgabe beschäftigte sich mit dem Wert und der Wirkung der Tugend in der heutigen Zeit.

Das Thema führte die zahlreich erschienenen Zuhörer rasch auf die vielfältigen Auswirkungen des Begriffs Tugend. Einem Ausdruck der ursprünglich eine herausragende Eigenschaft beschreibt und sich vom Verb "taugen" ableitet.

Doch in der heutigen Zeit haftet dem Begriff zunehmend ein negatives Image an, das die Frage nach einem "Terror der Tugend" aufkommen lässt.

Auf die Suche nach Antworten zu dieser Frage trafen sich der Versicherungskaufmann und liberale Kommunalpolitiker Nico Reith, der ehemalige Pflegeheimleiter und Sozialpolitiker Reinhard Isak sowie Familientherapeutin und stellvertretende Schulleiterin Elke Scho-Schemmann. Die Journalistin und Kreisredaktionsleiterin der Tageszeitung Schwarzwälder Bote Cornelia Spitz moderierte die Veranstaltung, bei der die zahlreich erschienenen Zuhörer sich streng an die aktuell gültigen Hygienevorschriften hielten. Was zwangsläufig dazu führte, dass das Plenum auch die Maskenpflicht und alle mit der Pandemie verbundenen Auflagen thematisierte.

Eine gute Regel sollte nachvollziehbar sein

Nico Reith verwies darauf, dass eine gute Regel nachvollziehbar sein muss, um uneinheitliche Reaktionen zu vermeiden. Kritisch beäugte er die Rolle des Staates, der seiner Meinung nach aktuell versucht über Regeln vieles zur Tugend machen zu wollen. "Der Staat darf nicht die Rolle übernehmen, jeden zur Vernunft zu zwingen", meint Reith. Die Funktion des Staates sieht er als einen Impulsgeber der Empfehlungen und Gesetze erarbeitet und dadurch die Selbstbestimmung der Mitbürger stärkt.

Den Respekt gegenüber Mitmenschen beurteilte Reinhard Isak zweigleisig und verwies darauf, dass es in der Gesellschaft immer schwache und kranke Menschen geben wird. "Wir konzentrieren uns momentan auf eine Krankheit die sich ›Corona‹ nennt und vergessen dabei, dass es Krankheiten gibt, bei denen wesentlich mehr Menschen sterben." Isak hielt es zudem für gefährlich, dass andere existente Brennpunkte wie beispielsweise der Klimawandel, der Umweltschutz oder die Flüchtlinge in den Hintergrund treten. Er plädierte dafür, Regeln und Tugenden mit Sinn und Verstand zu leben.

Schokoladenschaumkuss oder Negerkuss?

Für Scho-Schemmann geben Regeln eine Orientierung und Sicherheit zur Schärfung der Tugenden. Sie sollen die Kinder in der Entwicklung ihrer eigenen Meinung unterstützen.

Unter diesem Aspekt erschien es für die Teilnehmer umso schwieriger Erklärungen zu finden, weshalb eine Traditions-Gaststätte sich nicht mehr "Mohren" nennen darf oder warum Begriffe wie Schaumküsse mit Schokoladenüberzug den Negerkuss ersetzen. Dass die Änderungen Bestseller der Weltliteratur und Filme wegen sogenannter falscher "Begriffe" treffen, geht vor allem für Isak eindeutig zu weit.

Der ehemalige Heimleiter sieht darin ein Zeichen einer zunehmend eingeengten Gesellschaft, die zwanghaft auf ursprünglich nicht negativ belegte Entwicklungen viel Wert legt und dabei die eigentlichen Tugenden vergisst. Reith erachtete es als wichtig den Kindern bereist in jungen Jahren die Tugenden beizubringen die auf einer guten Grundlage basieren wie beispielsweise Anstand oder Ehrlichkeit. Scho-Schemmann bezeichnete die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern als elementar für das Verhältnis zu einer Tugend.

Prägung in der Kindheit sei elementar

"Zeitlich findet bei einem Neugeborenen die Herzensbindung an die Eltern statt, die wiederum Grenzen abstecken und die Grundlagen er Tugenden vermitteln. Im Jugendalter fangen die Kinder dann an selbstständig ihre Meinung zu bilden", bezeichnete Michael Blaurock das erste Lebensjahrzehnt eines Kindes als elementar für seine Einstellung. Auf Grund der regen Diskussion freute sich die Leiterin der Erwachsenenbildung, Karin Nagel, auf die nächste Diskussionsrunde der "Anstöße", die am 25. November Corona und seine Folgen thematisieren wird.