Ein Blick in die Produktionshalle der Südbadischen Gummiwerke in Neudingen. Hier werden im Wesentlichen Gummimetall- und Gummiverbundteile hergestellt. Fotos: Wursthorn Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: Unternehmen strebt Vorreiterschaft in Verbundtechnologie an / Neubau soll kommen

Der Name klingt nach alter Welt. Doch das täuscht. Die Südbadischen Gummiwerke (SBG) sind drauf und dran, herauszuwachsen aus dem Markt der vielen Anbieter.

Donaueschingen-Neudingen (wur). Das Ziel des Unternehmens, nicht nur die Produktion zu revolutionieren, sondern auch deutlich mehr Aufträge aus dem Geschäftsbereich Automotive zu bekommen, ist ehrgeizig. "Der Werkstoff Kunststoff wird Metall weiter verdrängen", sagt Dietmar Bolay, Geschäftsführer der Firma, die in einer durch Feinmechanik geprägten Region gewissermaßen einen Exotenstatus genießt. Bolay sieht diesen Status als Aufgabe und Chance für den Gummiproduzenten.

Es ist ein diffiziler chemischer Prozess, welcher der Verbindung von Kunststoff und Kautschuk zu einem Funktionsteil eines Haushaltsgerätes oder zu einem Bauteil eines Automotivkunden aus einem Guss vorausgeht. Bisher waren zwei Arbeitsgänge an zwei Orten notwendig. Bolay will diesen Prozess in einem Schritt schaffen und den Kautschuk-Kunststoff-Verbund (KK) durch das K+K-Verfahren ersetzen.

Er verspricht sich durch einen automatisierten Fertigungsprozess und eine Spritzgussfertigung 30 Prozent weniger Kosten. Weniger Arbeitsgänge bieten weniger Fehlerpotenzial und erhöhen die Qualität. Dazu kommen die Gewichts- und Antikorrossionsvorteile aus dem Werkstoff Kunststoff.

"Wir wollen Vorreiter in der Verbundtechnologie werden", sagt Bolay. Erste Serien der innovativen Technik liefen bereits erfolgreich. 2020 soll die Umstrukturierung abgeschlossen sein, "dann können wir raus", so der Diplom-Betriebswirt. Diesen Neustart in Richtung Weltmarkt möchte er zwar der nächsten Generation zuschreiben, schaut man aber auf die Langzeitstrategie, SBG auch international stärker aufzustellen, mag man das kaum glauben.

Wer mit Kunststoff plant, muss dessen Produktion beherrschen. 2015 ging vor dem Neudinger Ortseingang die erste Kunststoff-Spritzgussmaschine in Betrieb. Weitere Maschinen folgten. "Wir produzieren für den Eigenbedarf", erläutert der Geschäftsführer den Ausstoß an Kunststoff-Serienteilen. Der Umsatzanteil bleibt dementsprechend unter zehn Prozent. Denn wer eine technische Entwicklung forcieren möchte, tut gut daran, die bestimmenden Komponenten auch räumlich zusammenzufassen. Das wird ein Neubauprojekt ermöglichen.

SBG reißt im nächsten Jahr einen mehr als 60 Jahre alten Produktionstrakt ab. Die rückwärtig gelegene Verbindung zum Versand wird ersetzt durch ein modernes Gebäude, das mit einer Höhe von knapp neun Metern auch optisch an das bestehende Produktionsgebäude anschließt. Statt der bisher 500 Quadratmeter wird die Grundfläche bei 32 mal 30 Metern Seitenlänge fast auf das doppelte anwachsen.

Etwa eine Million Euro wird der Bau kosten, zirka ein Zehntel steuert das Land über das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum bei. Teurer wird das Innenleben. Untergebracht werden bereits vorhandene Fertigungsautomaten, einen mittleren Millionenbetrag will Bolay zudem ausgeben, bis das "Labor" digitaler Industrieproduktion – Stichwort Industrie 4.0 – die technische Ausstattung für Verbundtechnik und anspruchsvolle Großserien bietet.

"Ende Dezember müssen die Arbeitsplätze umgesiedelt sein, im Februar erfolgen die Abrissarbeiten, im April wird die Bodenplatte gegossen und in einem Jahr wollen wir den neuen Bereich in Betrieb nehmen", steckt Bolay den Zeitplan ab. Ein ehrgeiziges Vorhaben für die etwa 100 Mitarbeiter in Neudingen. 40 weitere gehören einer über die Jahre gut gewachsenen Tochterfirma in Thüringen an.

Mit Qualität und Einsatz seiner Mannschaft ist Bolay mehr als zufrieden. Ein Personalabbau infolge der Automatisierung komme nicht in Frage. Im Gegenteil: Fachpersonal ist gesucht. Erfahrene Gummispezialisten, exakt Verfahrenstechniker Kunststoff- und Kautschuktechnik genannt, sind rar. Auch weitere Fachkräfte, die in Entwicklung, Konstruktion, Prozesstechnik oder Projektmanagement eingesetzt werden sollen, rennen der Firma trotz naher Autobahn nicht die Tür ein. Bolay bleibt zuversichtlich: "Denn wir können jungen Leuten eine interessante Aufgabenstellung bieten."

Die positive Entwicklung des im niedrigen Millionenbereich angesiedelten Umsatzes ist für ihn nicht die wichtigste Kernziffer. Fundiertes Wachstum müsse auf einem klaren Konzept beruhen, auf durchdachten Prozessen, auf Zukunftsfähigkeit. Brauche dies länger, sei das nicht tragisch. "Wichtiger ist mir, dass wir uns beim Ertrag in einem unteren zweistelligen Prozentbereich bewegen." Stimmen die Produktionskosten bei Großserien – Automatisierung ersetzt den Mann an der Gummipresse –, gerät samt Innovations- und Qualitätsvorsprung der Weltmarkt in den Blick: Denn Maschinen und Rohstoffe müssen die Konkurrenten zu ähnlichen Kosten erwerben. Geplant ist dann auch ein neuer Schub für den Export. Der steuert derzeit gerade mal 20 bis 30 Prozent zum Umsatz bei. Geschäfte macht Bolay gegenwärtig eher mit ausländischen Tochterfirmen deutscher Kunden. Es steckt offensichtlich noch viel Potenzial in den SBG.