Foto: Schwarzwälder Bote

Detonation: In Beirut ist nichts mehr wie früher / Hauptstadt des Libanon leidet unter den Folgen

Der Alltag von Mona Karaki ähnelt einem Albtraum: "Beirut befindet sich immer noch wie in einem Schockzustand", erzählt die 40-Jährige am Telefon. "Ich fühle mich in meiner Stadt nicht mehr sicher", ergänzt die zweifache Mutter via Facebook-Anruf. Deswegen wünsche sich Karaki, noch einmal in ihre alte Heimat zurückzukehren.

Beirut/Donaueschingen. Sie ist in Donaueschingen aufgewachsen, da sie 1986 mit ihrer Familie hierher geflüchtet war. Auch ihre Schulbildung absolvierte sie an der Erich-Kästner-Schule und später am Fürstenberg-Gymnasium. Karaki kehrte in den Libanon zurück, später wurde sie zwangsverheiratet, mittlerweile ist sie jedoch geschieden.

"Aus dem einst lebendigen, quirligen und aktiven Beirut ist eine Metropole geworden, die in Angst und Armut lebt" sagt Karaki. Das Leben in der Metropole habe sich grundlegend geändert. Grund dafür ist die Explosion im Beiruter Hafen am 4. August 2020. Laut Behörden sei in einem Lagerraum für Feuerwerkskörper durch Schweißarbeiten Feuer entstanden. Das explodierende Feuerwerk habe wiederum die daneben gelagerten 2750 Tonnen Ammoniumnitrat entzündet. Die Folgen: Eine Detonation und über 190 Verstorbene und 6500 Verletzte. Karaki erlebte die Explosion zuhause mit, etwa eineinhalb Kilometer vom Hafen entfernt: "Die Explosion hat einen riesigen Schaden hinterlassen und meine Stadt zerstört."

Rund um den Hafen befindet sich das normalerweise pulsierende Nachtleben sowie die Gastronomie der Stadt. Scheiben sind zersprungen, Türen verbarrikadiert, Gebäude sind eingestürzt – so schildert Karaki die Situation der Ausgehmeile. Nur wenig Leben komme zurück, denn den Gastronomen fehlen die Mittel, um Bars und Restaurants wieder aufzubauen. Die Konsequenz: Tausende Arbeitslose, wie auch Karaki selbst, und eine Stadt, die ihre Seele verloren habe. Aufgrund der Armut steige die Kriminalität in Beirut. "Die Menschen plündern, sie stehlen und brechen ein", so Karaki. "Die Situation ist einfach viel zu viel für alle." Auch die Krankenhäuser seien zerstört, es habe viel zu wenig Plätze – und das während der Corona-Pandemie.

"Beirut fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen", so Karaki. Die sei laut Karaki korrupt. "Bei den Menschen kommen keine Lebensmittel an." Zwar habe Beirut Hilfen von der Staatengemeinschaft bekommen, darunter auch Deutschland, doch die Regierung verkaufe die gespendeten Lebensmittel an Supermärkte. Karaki habe seit August einen Lebensmittelkorb bekommen, das Geld in ihrer Bank sei durch die Explosion zerstört und "die Wechselkurse der libanesischen Währung sind im Keller", sagt sie. Deshalb haben die Apotheken auch wenig Medizin und wenn doch welche verfügbar sei, sei sie zu teuer für die Bevölkerung.

Die Jugend zeige sich solidarisch, denn sie helfe bei Aufbauarbeiten und verteile Lebensmittel. "Die Jugend kämpft für die Stadt, sie möchte nicht aufgeben", so Karaki. Sie erzählt, dass die Bevölkerung der Stadt in Angst lebt: "Niemand fühlt sich mehr sicher." Die Menschen seien schreckhaft und zucken bei jedem Geräusch zusammen. "Niemand weiß, was passiert; wir leben in Angst." Deswegen blieben die Menschen zuhause, man treffe keine Freunde mehr: "Die Stadt ist wie ausgestorben", so Karaki.

Erinnerungen an Krieg und Terror hervorgebracht

D ie Explosion sei das Schlimmste, das Karaki je erlebt habe. Die Explosion habe Erinnerungen von Krieg und Terror in ihr hervorgebracht. "Ich sehe keine Zukunft mehr, keinen Zweck mehr in meinem Land." Die 40-Jährige sei seelisch zerstört. "Denn ich fürchte mich vor einem neuem Krieg im Libanon", die Stimmung sei dort momentan ziemlich angespannt. Einen weiteren Krieg könne das Land nicht verkraften. "Ich habe Angst, jemanden aus meinem Umkreis zu verlieren." Daher versuche sie wieder nach Deutschland zu kommen. Sie wolle alles probieren, um Geld für das Visum zu verdienen, wie etwa durch ihre Leidenschaft: das Singen.

Der Staat Libanon liegt im Nahen Osten, umgeben von Israel und Syrien. Die Krisenregion erlebte viele Kriege zwischen pro-westlichen Gruppen und konservativen Muslimen. Im Libanon leben Menschen unterschiedlicher Konfessionen. Aufgrund dieser religiösen und politischen Differenzen erlebte das Land einen Bürgerkrieg von 1975 bis 1990, in welchen auch Syrien und Israel eingreifen. Zu weiteren Kämpfen zwischen der libanesischen Hisbollah-Miliz (islamische Terrormiliz) und Israel kam 2005 – wie auch während des Syrienkriegs in 2013. Auch nach dieser Zeit kommt es im Libanon weiterhin zu Gefechten zwischen Regierungsanhängern und der Opposition. Das Land leidet immer noch unter den Folgen: Politische Spaltungen im Land, Misswirtschaften wie Korruption der Regierung und negativen Auswirkungen auf Wirtschaft sowie Bankwesen. Im August 2020 detonierte eine Lagerhalle im Beiruter Hafen und sorgte für enorme Zerstörung. Der Libanon leidet abermals unter Leid und Armut.