Städtepartner: Am Anfang stand der Wunsch nach Freiheit / Gedicht von Sándor Petöfi gibt den Anstoß

Silberhochzeit mit Vác: Vor 25 Jahren entstand die Partnerschaft mit Donaueschingen. Der Alt-OB erinnert sich.

Donaueschingen/Vác. Die Partnerschaft zwischen Donaueschingen und dem ungarischen Vác wird 25 Jahre alt. Wenn dieses Jahr das Jubiläum in beiden Donaustädten gefeiert wird, wird auch an eine bewegte Vorgeschichte erinnert: In der Politik drehte sich 1989 und zu Beginn der 1990er-Jahre ein ganz großes Rad. Der "Eiserne Vorhang" fiel friedlich, und DDR-Bürger, Tschechen und vor allem Ungarn halfen mit, eine neue Freiheit für Europa zu schaffen: Die Verhältnisse wurden nicht nur im damals geteilten Deutschland grundlegend umgekrempelt.

Hoffnung auf Demokratie und Freiheit, es gab freie Wahlen, und überall herrschte Aufbruchsstimmung. Auch Donaueschingen konnte ein neues Kapitel aufschlagen. Die Quellstadt an der Donau suchte, mit Hilfe des Gemeindetags Baden-Württemberg, eine Partnerstadt in Ungarn. Der Weg dahin war allerdings mehr als schwierig.

Aber es gelang. Am 22. Mai 1993, exakt um 18.15 Uhr, wurden die Partnerschafts-Urkunden im Varoshaza, dem Rathaus von Vác, unterzeichnet. Bernhard Everke (CDU), damals noch Bürgermeister von Donaueschingen, und Ferenc Bartos (Partei Christliche Demokraten) unterzeichneten Partnerschaftsurkunden. Rund fünf Wochen danach wird Everke zum Oberbürgermeister ernannt, weil seine Stadt Große Kreisstadt geworden war. Und Ferenc Bartos wird bei den Kommunalwahlen kurz zuvor von einer Mehrheit seiner Bürger zum Bürgermeister von Vác gewählt.

Beide hatten sich zur feierlichen Zeremonie und Besiegelung der Urkunden Verstärkung mitgebracht: Adrien Zeller, langjähriger Bürgermeister von Donaueschingens damals einziger Partnerstadt Saverne, und Erkki Kukkonen, Verwaltungschef von Järvenpää, der finnischen Partnerstadt von Vác.

"Wir waren dankbar für die Rolle, die Ungarn bei der Öffnung des Eisernen Vorhangs spielte", erinnert sich Everke an die Zeit vor 25 Jahren, "wir verehren die Ungarn wegen ihrer Freiheitsliebe." Aber viele deutsche Städte hatten schon einen Partner in Ungarn. Vác selbst hatte zunächst die Mosel-Stadt Trier in Rheinland-Pfalz ins Auge gefasst. Aber die angeblich älteste Stadt Deutschlands beantwortete bis heute keinen Brief aus Vác.

In Donaueschingen half am Ende ein Freiheitsgedicht weiter. Bernhard Everke erinnert sich an den Herbst 1991, als er im Sitzungssaal des Donaueschinger Rathauses ein paar Zeilen von Sándor Petöfi vortrug. Der Poet lebte von 1823 bis 1849, wurde gerade mal 26 Jahre alt und gilt als ungarischer Nationaldichter.

"Freiheit und Liebe", so zitiert Everke Sándor Petöfi, "sind all mein Bestreben, für meine Liebe könnt ich das Leben, doch für die Freiheit die Liebe selbst geben". Von diesem Gedicht schwärmt der Alt-OB bis heute. Bei seiner Rede hatte er vor allem viele Zuhörer aus Ungarn vor sich. Zum Beispiel Lehrer, die in Stuttgart einen Deutschlehrgang absolviert hatten.

In Donaueschingen, an der damals noch bestehenden Akademie für Lehrerfortbildung, brachten sie vier Tage zu, um das Gelernte in der Praxis auszuprobieren. Unter diesen Gästen war auch Martha Arvay, Lehrerin aus Vác. Sie trat aus der Menge nach vorne und sagte, tief beeindruckt von Everkes Rede: "Ich weiß eine Stadt in Ungarn für Sie", und schlug ihre Heimatstadt Vác vor. Sie war es, die danach viele Türen öffnete, Kontakte herstellte und die beiden Städte zusammenbrachte. "Sie ist die Mutter der Partnerschaft", würdigt Everke Martha Arvays Einsatz. "Sie hat das in die Wege geleitet", ist er überzeugt.

Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, waren in Ungarn "Deutsch" und die deutsche Sprache im Trend. Ironie der Geschichte: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16 lässt Viktor Orbàn, den die Ungarn 2010 zum Ministerpräsidenten gewählt hatten, wieder einen eisernen Zaun bauen. Vier Meter hoch, entlang der 175 Kilometer langen serbischen Grenze und streng bewacht von Polizisten und Soldaten. Aber während zu Ostblock-Zeiten die Ungarn im Land festgehalten wurden, schottet sich Ungarn wieder ab, weil es Flüchtlinge und den Islam draußen halten will.