Foto: Wurtshorn

Morgendlichen Bring-Verkehr an Eichendorffschule. 20 Minuten ganz normaler Wahnsinn.

Donaueschingen - Drei Männer stehen in der Dämmerung vor der Eichendorffschule: Eine halbe Stunde vor Schulbeginn richten Reinhard Streuber, Reinhard Mohr und Uwe Witfer ihre Klemmbretter. Zum zweiten Mal in diesem Jahr dokumentieren die Mitglieder des Auto-Club Europa (ACE) den Bringverkehr an der Eichendorffschule.

Es folgt ein Schauspiel mit Steigerungsmomenten. "Die letzten zehn Minuten haben es in sich", sagt Streuber, der ACE-Regionalbeauftragter Baden-Württemberg ist. Er soll recht behalten. Knapp 20 Minuten vor dem Gong. Die erste Mutter lässt ihren Sprössling aus dem Auto. Sie fährt weiter. Die Straße ist frei. Während Reinhard Mohr einen jugendlichen Radler auf fehlenden Helm und Beleuchtung hinweist, klumpt der Verkehr in Richtung Steinstraße. Geduldfahrt um korrekt geparkte Autos und mit Rücksicht auf Gegenverkehr. Mancher hat es eilig.

Schon hält eine offroadtaugliche Familienkutsche kurz mal eben auf dem Gehweg. Im Bereich der Bushaltestelle, wo gehalten werden darf, rutschen Kinder aus den Autos. Am Zebrastreifen, den Jugendliche in Gruppen, aber auch Mütter mit Kindern passieren, reißt der Geduldsfaden. "Haben Sie das gesehen?", sagt Witfer. Ja. Auf der einen Seite hält eine Autofahrerin an, der Gegenverkehr rollt ungerührt über den Zebrastreifen. Eine Mutter und ihr Kind bleiben jäh stehen. Es wird noch besser. Ein Hupen. Während ein Fahrzeug am Zebrastreifen hält, dauert das einem Autofahrer offenbar zu lange. Zwischenzeitlich stehen die Werkrealschüler in Gruppen auf dem Gehweg. Kaum ein Durchkommen. Kurz vor Schulbeginn schieben sich zwei Donaubusse aneinander vorbei.

Verkehrsbelastung muss gemindert werden

Die Verkehrsaktivisten in den roten Jacken werden angesprochen. "Heute läuft es vorbildlich. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was sich sonst hier abspielt", sagt Simone Vosseler, Mutter eines Schulkinds. Die Ankündigung des Beobachtungsmorgens habe sich herumgesprochen. Mit Folgen. "Heute sind die ganzen Seitenstraßen zugeparkt." Auch für Marisa Glaser, die gerade ihren Sohn zu Fuß zur Schule begleitet hat, ist die Situation an der Eichendorffschule gefährlich. "Da muss der Bus manchmal ganz knapp auf den Gehweg. Sonst kommt er nicht durch." Ihr Sohn, der die erste Klasse besucht, könnte zwar den ganzen Weg laufen. Doch lieber begleitet sie ihn auf dem letzten Stück.

7.45 Uhr. Schulbeginn. Straße und Gehweg sind wie leergefegt. Burcu Kozanoglu, die seitens des Gemeindevollzugsdienstes die Aktion aus selbst gewähltem Abstand begleitet, schreibt ein paar Falschparker auf, die sich hinter die Parkinseln aufgestellt haben. Witfer und Streuber schauen über die ausgefüllten Bögen. Erste Bilanz. Rückwärtsfahrer gab es heute nicht, alle Kinder sind auf der Beifahrerseite ausgestiegen. Und was die Ankündigung der Aktion im Vorfeld anbelangt: Streuber registrierte mit seinem Handzähler 65 haltende Fahrzeuge, elf mehr als im April.

Die Notwendigkeit, die Verkehrsbelastung zu mindern bleibt. Trotz regelmäßiger Kontrollen im geschwindkeitsreduzierten und mit Halteverbot behafteten Abschnitt vor der Grund- und Werkrealschule und etlicher Verwarnungen passiert nichts. "Sie verstehen es einfach nicht", sagt Kozanoglu resigniert. Auch Schulleiter Wolfram Möllen kämpfe schon lange vergeblich. "Er hat auch kein Patentrezept", sagt Witfer. Der ACE-Kreisvorsitzende arbeitet als Produktmanager und hat schon Enkel. Der Schulweg als Thema ist in Sichtweite. Ein neues Betätigungsfeld für den ACE könnte sich derweil um die Mittagszeit anbieten: der Abholverkehr. "Da stauen sich wartende Elternautos", weiß Streuber im Allgemeinen. "Die Humboldtstraße", liefert Kozanoglu die Ortskenntnis zu.

Initiative Goodbye Elterntaxi gestartet

Der Autoclub Europa (ACE) hat in diesem Jahr die Initiative Goodbye Elterntaxi gestartet. Ziel ist es, die Verkehrsicherheit bei der Schulanfahrt zu verbessern. Dabei wird in allen 111 ACE-Kreisen mit gut 1000 ehrenamtlichen Mitarbeitern die Situation in der Nähe ausgesuchter Schulen analysiert.

Hintergrund: Statistiken sagen, dass immer weniger Kinder zu Fuß zur Schule gehen. Die Gründe liegen bei den Eltern. Sie reichen, so der ACE von Angst über Zeitdruck bis zu Bequemlichkeit. Dabei brauche der Umgang mit Verkehr Erfahrung und Zeit. Schon kleinen Kindern könne man den Straßenverkehr erklären. Wenn Kinder mit Elterntaxi gebracht werden, funktioniere diese Entwicklung aber nicht.

Empfehlung: Es heiße nicht, dass Kinder generell nicht gefahren werden sollten, sagt der ACE-Kreisvorsitzende Uwe Witfer. Wichtig sei, dass Kinder die letzten 300 bis 400 Meter zur Schule laufen. Das mache den Kopf frei, bedeute Bewegung und Gesellschaft mit Gleichaltrigen. Und entzerre die Verkehrssituation vor der Schule.

Fortsetzung: Bei der Aufarbeitung sieht der ACE eine gemeinsame Beratung mit Schulverantwortlichen und Elternbeiräten sowie Präsentationen für die Kommunen vor.