Mona Karaki hat das Explosionsunglück in Beirut direkt erlebt. Die Libanesin lebte als Kind und Jugendliche sieben Jahre in Donaueschingen. Foto: Schwarzwälder Bote

Libanesin lebt seit sieben Jahre im Schwarzwald-Baar-Kreis. Mona Karaki: "Beirut braucht Hilfe."

Donaueschingen - Mona Karaki hat einen Traum. "Ich möchte noch einmal durch den Donaueschinger Schlosspark spazieren", sagt die zweifache Mutter am Telefon, das wird jedoch schwer, sie lebt in Beirut.

Straßengeräusche setzen dem Traum ein jähes Ende. Die 40-Jährige ruft via Facebook aus Beirut an; aus einer quirligen, kriegs- und noterprobten Metropole, die es mit der Explosion am Hafen vergangene Woche härter getroffen hat wie jemals zuvor in ihrer Jahrtausende alten Geschichte. Die Stadt, die einst Paris des Nahen Ostens genannt wurde.

Karaki kam 1986 mit ihrer Familie als Flüchtlingskind nach Donaueschingen. 1986 wurde sie in die Erich-Kästner-Schule eingeschult, später wechselte sie auf das Fürstenberg-Gymnasium. 1994 kehrte sie in den Libanon zurück, musste sich erst die Amtssprache Arabisch aneignen, erlebte 1996 einen Krieg, wurde später zwangsverheiratet und ist längst geschieden. An Donaueschingen hat sie schöne Erinnerungen. Schule, Freunde und Lehrer etwa, die dem klugen Mädchen aus einer später achtköpfigen Familie geholfen haben. An die Hilfsbereitschaft der Menschen, die sie damals erleben durfte, appelliert sie jetzt wieder.

Starke Erschütterungen gespürt

Die verheerende Explosion am vergangenen Dienstagabend hat sie zu Hause erlebt: Rund anderthalb Kilometer entfernt vom Hafen. Die Erschütterungen waren so stark, dass die Libanesin erst drei Stunden später ihre Wohnung verlassen konnte. Erst einem Handwerker gelang es, die Wohnungstür zu öffnen. Mit einem Taxi ging es 160 Kilometer nach Süden in ihr Heimatdorf. "Auch dort hat man den Knall gehört", sagt sie.

Wie viele Beiruter hat Karaki mehrere Jobs, um ihre Miete bezahlen zu können. Daheim arbeitet sie für ein Online-Unterhaltungsportal. Zu ihren vielen Talenten gehört das Singen. Sie habe schon mehrere Hits im Radio gehabt. Vermutlich war das Homeoffice ihr Glück. Denn die zierliche, dunkelhaarige Frau hat auch einen Kneipenjob. Und der liegt nur ein paar hundert Meter vom Hafen entfernt. In dieser von Restaurants geprägten Ausgehstraße habe es viele Zerstörungen gegeben. Menschen, die sie kennt, wurden getötet oder schwer verletzt. Ihr Freund ist obdachlos, eine Freundin, mit der sie erst noch vor kurzem sorglos feierte, hat ihr Haus verloren und wurde schwer an der Schulter verletzt.

Sohn Rami kann erstmal nicht studieren

Zum Glück habe es niemanden aus der Familie getroffen, sagt sie und räumt ein, immer noch ein wenig unter Schock zu stehen. Doch die Zukunftsperspektiven sind düster. Nicht nur für die Restaurants, weil doch niemand mehr Geld hat, auszugehen. Auch für ihren älteren Sohn. Der 20-jährige Rami hatte als Kellner in einem Pub gearbeitet. 14 Stunden für einen Tageslohn von 15 Dollar. Das Pub gibt es nicht mehr. Seinen Traum vom Studieren muss der junge Mann vorerst begraben. Zumindest aber war er schon zehn Tage ins Dorf zurückgekehrt.

Mona Karaki ist wieder zurück in Beirut; in ihrer Heimat seit zehn Jahren. Mit Wurzeln im Hafenviertel, wo sich eine pulsierend-junge, offene Gesellschaft entwickelt, in der Religion und Hautfarbe niemanden interessieren. Das ist nur noch Nebensache, nachdem 300 000 Menschen auf einen Schlag obdachlos und Medikamente und der Weizen für eine ganze Stadt binnen Augenblicke pulverisiert wurden.

Jetzt geht es für die Menschen um das reine Überleben. "Was sollen wir essen?", fragt sie bange. Schließlich gebe es fast nichts mehr zu kaufen. Die frühere Donaueschingerin kombiniert diese bange Frage mit fundamentaler Kritik an der (inzwschen zurückgetretenen) Regierung ihres Landes. Wo es nichts mehr zum Handeln oder Verteilen gibt, funktioniert auch nicht mehr das Netzwerk gegenseitiger privater Hilfe. Doch es gibt Ausnahmen. Momente der Hoffnung. Ein paar Minuten nach dem Telefonat schickt Mona Karaki Bilder: Auf der Straße vor ihrem Haus verteilen Jugendliche Brotlaibe.

Explosion: Am Dienstag, 4. August, detonierten hochexplosive Materialien, die in Lagerhallen gelagert waren. Mindestens 160 Menschen starben bei der Explosion, rund 6000 wurden verletzt.

Spenden: Die Aktion Deutschland Hilft bündelt die Aktivitäten von 23 deutschen Hilfsaktionen. Für das Projekt Beirut/Libanon kann online unter www.aktion-deutschland-hilft.de.

Staat: Der Libanon ist ein Staat am Mittelmeer, der nördlich von Israel liegt. Die Fläche umfasst bei mehr als sechs Millionen Einwohnern ein Drittel der Fläche von Baden-Württemberg. Mehrere Kriege kennzeichnen die jüngere Geschichte des Staates, der durch eine durch den Religionenproporz definierte und als massiv korrupt bezeichnete Regierung geführt wird. In der Hauptstadt Beirut, der konfessionell vielfältigsten Stadt im Nahen Osten, leben rund 2,5 Millionen Menschen.