Er habe in der Zeitung von ihr gelesen und ihre Geschichte habe ihn sofort angesprochen, sagt Johan von Mirbach, der erfolgreiche Dokumentarfilmer und der Sohn des grünen VS-Stadtrates Joachim von Mirbach. Seine Dokumentation "Die Kryptoqueen – Der große OneCoin-Betrug" ist am 1. November auf ARTE zu sehen.
Schwarzwald-Baar-Kreis - Ruja Ignatowa ist vor fünf Jahren verschwunden, nachdem sie mit Hilfe einer falschen Kryptowährung rund drei Millionen Menschen um ihre Ersparnisse gebracht hat. Der geschätzte Schaden von 15 bis 20 Milliarden Dollar brachte ihr inzwischen einen Platz unter den vom FBI und Interpol zehn meistgesuchten Menschen ein. Dass die Deutsch-Bulgarin in Schramberg lebte, in etwa gleichen Alters ist und dass er ehemalige Mitschüler ihres jüngeren Bruders Konstantin auf der Königsfelder Zinzendorfschule kennt, steigerten bei Johan von Mirbach die Spannung.
Sie wollte "sehr, sehr reich" werden
Das Ergebnis seiner Arbeit zusammen mit der Kölner Produktionsfirma "A&O-Büro" wurde soeben auf dem Kölner Filmfest vorgestellt und besteht aus einer 90-minütigen Dokumentation über das Strickmuster des momentan weltweit größten Kleinanlegerbetrugs sowie einer vierteiligen True-Crime-Serie von je 30 Minuten, die ab dem 5. November in der ARD-Mediathek abrufbar sein wird und sich insbesondere mit der Person Ruja Ignatova beschäftigt. Und die ist wahrlich schillernd.
Als Zehnjährige kam sie mit ihrer Familie nach Schramberg und durchlief eine überaus erfolgreiche Schulkarriere. Ihre Leistungsbeurteilungen in Deutsch ebneten ihr gar den Weg zu einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung. Nach dem Jura-Studium war sie Mc-Kinsey-Beraterin und lernte dort, Geld international zu bewegen und durch Firmengründungen Steuern zu sparen. In der Abi-Zeitung war sie zuvor mit der Aussage zitiert worden, dass sie einmal "sehr, sehr reich" werden wolle. Dieser Wunsch leitete sie letztlich offensichtlich auf die schiefe Bahn.
Eines der größten Betrugssysteme aller Zeiten
Zusammen mit dem Schweden Sebastian Greenwood gründete sie das Netzwerk OneCoin und verdiente zwischen 2014 und 2016 damit 3,4 Milliarden US-Dollar. In einem Pyramidensystem verkauften die beiden völlig überteuerte "Bildungspakete" und versprachen enorme Kursgewinne. Zugleich sollten die Käufer hohe Provisionen kassieren, wenn sie selbst weitere Käufer für OneCoin werben. Bei Massenevents versprach sie, die Macht der Banken zu brechen und das Finanzsystem durch ein transparentes, demokratisches Geldsystem zu ersetzen.
Tatsächlich hatte die damals 37-Jährige eines der größten Betrugssysteme aller Zeiten erschaffen: ein als Kryptowährung getarntes illegales Schneeballsystem. Ab 2016 wurden die Behörden zunehmend misstrauisch, im Sommer 2017 erfuhr Ruja Ignatova, dass sie vom FBI gesucht wurde. Am 25. Oktober bestieg sie ein Flugzeug von Ryan Air nach Athen. Dort sei sie, so die Aussage ihres Bruders, von zwei russisch sprechenden Männern abgeholt worden. Seither fehlt von der "Kryptoqueen" jede Spur.
Spuren um den ganzen Globus
Viel Energie wandte Johan von Mirbach dafür auf, Menschen für Interviews zu gewinnen, die Ruja Ignatova nahe standen. "Viele wollten Geld dafür" erzählt er, "aber wir bezahlen generell nicht". Gleichwohl werden Zeitzeugen, darunter auch das isländische Model Asdis Rau, eine Freundin, erzählen, wie Ruja Ignatova flüchtete, wer ihr half unterzutauchen und ihr Geld zu waschen. Die Spuren ziehen sich um den ganzen Globus. Sie kommen sowohl in der Dokumentation als auch in der Serie zu Wort und versuchen zu verstehen, wie aus einem charismatischen, intelligenten und hübschen Mädchen eine der weltweit meistgesuchten Verbrecherinnen werden konnte.
Info: "Die Kryptoqueen"
Auf ARTE ist der Film "Die Kryptoqueen" am 1. November um 22.40 Uhr zu sehen. Ab dem 30. Oktober ist er in der ARTE-Mediathek verfügbar. Die ARD zeigt die 90-minütige Dokumentation am 28. November um 23.20 Uhr. Die vier Kryptoqueen-Episoden sind ab 5. November in der ARD-Mediathek abrufbar.
Zur Person: Johan von Mirbach
Als Dokumentarfilmemacher ist Johan von Mirbach preisgekrönt. "Die geheimen Machenschaften der Ölindustrie" brachten ihm 2018 den deutschen Naturfilmpreis ein. Reizthemen sind seine Spezialität. In "Gun Germany" (2016) berichtete er von deutschen Bürger, die sich mit Gaswaffen eindecken, in "Deutschland dopt" widmete er sich 2017 dem freizügigen Konsum von Medikamenten im Breitensport und in "Die schwarze Axt" (2021) ging es um die Machenschaften der nigerianischen Mafia in Deutschland. Johan von Mirbach ist 44 Jahre alt und lebt mit Frau und zwei Söhnen in Köln.