Mordprozess: Deutsch-Syrer räumt vor dem Landgericht Tübingen freimütig auch kriminelle Grenzbereiche ein

Tübingen/Dobel. Der Prozess um den nächtlichen Mord an einem kurdisch-irakischen Autohändler im Wald zwischen Dobel und Bad Herrenalb ist gestern am Landgericht Tübingen mit den Aussagen des älteren Angeklagten fortgesetzt worden. Dem aus Syrien stammenden 49-Jährigen und einem 23-jährigen Mazedonier wirft die Anklage gemeinschaftlichen Mord vor. Der Tote war im September 2018 an der Landesstraße mit drei Schusswunden aufgefunden worden. Er soll zunächst mit einem Elektroschocker betäubt und dann regelrecht hingerichtet worden sein. Die Sonderkommission "Tanne" erzielte bei ihren Ermittlungen schnelle Ergebnisse.

Der ältere Angeklagte war wohl der Geschäftspartner des Getöteten. Man handelte gemeinsam mit Autos, die hauptsächlich nach Afrika verkauft wurden. Aber nicht nur. Bei seiner Aussage schilderte der Deutsch-Syrer ein Netz von persönlichen Beziehungen und Geschäften, das nicht nur grenzübergreifend von Deutschland über Frankreich, dann über Spanien und Marokko und vor allem in den Nahen Osten reichte, sondern auch um Waffen, aber vor allem Schleuser- und Schlepper-Aktivitäten im Umfeld von asylsuchenden Flüchtlingen ging.

"Er war kein Engel. Ich auch nicht"

"Er war kein Engel. Ich auch nicht", sagte der Angeklagte über den Getöteten und räumte freimütig auch kriminelle Grenzbereiche ein.

Zunächst schilderte er in stark akzentuiertem, aber flüssigem Deutsch seine Herkunft. In der syrischen Hauptstadt Damaskus als Sohn eines Militärs geboren, wuchs er während der dortigen Bürgerkriegsjahre im Libanon und der Hauptstadt Beirut auf. Nach seinen Angaben wurde er in der Nachfolge seines Vaters gleichfalls Geheimdienstoffizier, heiratete eine "französische Libanesin" und hatte mit ihr zwei Kinder.

Um die Jahrtausendwende will er aber beschlossen haben, zu desertieren und den Weg nach Europa und nach Deutschland einzuschlagen. Die Familie sollte folgen. Mit falscher Identität gelangte er im Jahr 2000 ins Land. Eine Abschiebung konnte der Mann aber trotzdem immer irgendwie vermeiden und im Laufe der Jahre nach und nach die engeren und weitere Angehörigen nachholen, vor allem seit Beginn des syrischhen Bürgerkriegs im Jahr 2011. Auch seinen krebskranken Vater, den er bis zu dessen Tod im Jahr 2016 gepflegt haben will. Er selber war nach Problemen in einer neuen Beziehung zeitweise wegen Depressionen in stationärer Behandlung.

Ein neben anderen Geschäften entstandenes Netzwerk sollte auch die Schwester und den Neffen des später Erschossenen und Auto-Geschäftspartners als anerkannte Flüchtlinge aus Spanien nach Deutschland bringen. Da seien 35 000 Euro im Spiel gewesen, aber auch Differenzen aufgekommen – auch im Zusammenhang mit einer türkisch-kurdischen Anwaltsgehilfin aus Karlsruhe, die zunächst nur "Bekannte" und fachkundige Asylrechtsexpertin gewesen sei, laut Anklage aber zur Lebensgefährtin und "Ziehmutter" des mazedonischen Mitangeklagten wurde. Unter anderem sei der Aufenthalt der Schwester strittig gewesen, der zeitweise auch eine psychiatrische Einrichtung war.

Das komplexe Geflecht dieser Schilderung war für die Prozessbeobachter ohne Aktenkenntnis schwer nachzuvollziehen. Es ging in den Angaben des Beschuldigten etwa um ungarische Führerscheine, MPU-Untersuchungen, albanische Waffenbeschaffer für die spätere Tatwaffe, eine "Parabellum". Es ging um Passfälschungen und innereuropäische Personen-Transfers von illegal Eingereisten. Auch arrangierte Ehen und Scheinehen gehörten demnach zum Programm. Aber dann auch, so der Angeklagte, Drohungen mit kurdischer Blutrache.

Der zunächst bis Ende Mai terminierte Prozess wird fortgesetzt. Auch der jüngere mazedonische Mitangeklagte will Angaben zur Person und zur Sache machen, hatte sein Anwalt am ersten Prozesstag angekündigt.