Auf dem in einem Waldstück am Rande von Empfingen gelegenen Innovationscampus möchte das DLR ein Testzentrum "Center for Crash und Impact Test" errichten. Foto: Baiker

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) möchte ein europaweit einmaliges Testzentrum für Luftfahrtstrukturen in Empfingen aufbauen.

Empfingen - Gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung soll das DLR-"Center for Crash und Impact Test" (CITE) in Zukunft große Komponenten und ganze Flugzeuge beziehungsweise Hubschrauber testen und zertifizieren können. Das gibt Empfingens Bürgermeister Ferdinand Truffner in einer Pressemitteilung bekannt.

Der Schwerpunkt soll auf dem "Crash- und Impact"-Verhalten liegen. Beides sind zentrale Elemente bei Zulassungen in der Luftfahrt. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 25 Millionen Euro. Das Land Baden-Württemberg hat eine Förderung für das Projekt mit knapp 21 Millionen Euro in Aussicht gestellt – nun fixiert im Staatshaushalt für Baden-Württemberg. Vier Millionen Euro sollen dann aus Mitteln des DLR stammen. Standort der neuen DLR-Testeinrichtung wird der Innovationscampus Empfingen sein.

Flugzeuge der nächsten Generation

Die Flugzeuge der nächsten Generation sollen emissionsarm beziehungsweise emissionsfrei und effizient unterwegs sein. Technologisch gesehen werden sie auf neuen Materialien, Bauweisen und Antriebskonzepten beruhen, die sich erheblich vom heute Bekannten unterscheiden. Was gleich bleibt: Sie müssen weiterhin höchste Sicherheitsansprüche erfüllen, heißt es in der Mitteilung. "CITE" soll Anlaufpunkt für Luftfahrzeughersteller, Zulassungsbehörden, mittelständische Unternehmen und Start-Ups sein. Gemeinsam werde die DLR dann die experimentellen und digitalen Methoden, auch die Zertifizierungsverfahren für die emissionsfreie Luftfahrt gemeinsam entwickeln. Auch die damit verbundenen Strukturen und Leichtbaulösungen sollen entworfen und getestet werden.

Neue Designansätze

"Um Fliegen ohne Emissionen möglich zu machen, setzen Luftfahrtindustrie und Luftfahrtforschung auf neue Energieträger, wie Wasserstoff oder erneuerbare Kraftstoffe für Mittel- und Langstreckenflugzeuge, hybrid-elektrisch und rein elektrisch angetriebene Regionalflugzeuge und elektrisch betriebene Flugtaxis. Alle diese neuen Fluggeräteklassen erfordern komplett neue Designansätze sowie innovative konstruktive und materialtechnische Lösungen. Es gilt alternative Antriebsstränge inklusive der benötigten Batterien, Wasserstofftanks, Leitungen und Steuerungselementen in die Flugzeugstruktur zu integrieren und dabei möglichst leicht zu bauen. Antriebe können anders verteilt sein, folglich ändert sich auch die aerodynamische Auslegung und damit auch das ganze Aussehen von Luftfahrzeugen", heißt es in der Mitteilung.

Heinz Voggenreiter, Leiter des DLR-Instituts für Bauweisen und Strukturtechnologie in Stuttgart, wird für das Projekt verantwortlich zeichnen. Bereits vor ein paar Jahren sei diese Idee bei Voggenreiter gereift, der nun endlich die Zielgerade für dieses Projekt vor Augen hat.

Vernetzung von physischen und simulierten Prozessen

Neben den realen Test- und Zertifizierungskapazitäten spiele das digitale Ökosystem der CITE-Anlage eine zentrale Rolle. Es ermögliche das Zusammenspiel und die Vernetzung von physischen und simulierten Prozessen in Echtzeit – also eine umfassende Digitalisierung im Sinne von Industrie 4.0. Die ganze Prozesskette vom Design über das Testen und Zertifizierungen werde auch virtuell abgebildet. Dies mache die Prozesse schneller, effizienter und zuverlässiger.

Für das DLR-Testzentrum CITE sollen nach Erhalt des Förderbescheids durch das Wirtschaftsministerium dann auf dem Innovationscampus Empfingen in den nächsten Jahren zwei ökoeffiziente Gebäude entstehen: eine Crash-Halle mit einer Fläche von 450 Quadratmetern und eine Impact-Halle mit 816 Quadratmetern Fläche. Zum Großteil sollen beide aus recycelten und wiederverwendbaren natürlichen Materialien wie Holz und Flachs bestehen. Die Stromversorgung soll hauptsächlich über Solarzellen erfolgen. Bis Ende oder Mitte der Jahre 2023/2024, so die Planung, soll das Testzentrum fertig aufgebaut und bis spätestens Mitte 2027 vollständig in Betrieb genommen sein.

Wirtschaftsstandort Empfingen in der Champions League

Auf dem Innovationscampus Empfingen ist das DLR bereits mit der Ausgründung "msquare" und einem Forschungsobservatorium, das im Frühjahr 2022 eröffnet werden soll, vertreten. Ebenfalls entsteht dort aktuell ein Testfeld für Brennstoffzellen in der Luftfahrt und Mobilität generell.

Bürgermeister Ferdinand Truffner (CDU), der von der ersten Idee an das Projekt eng begleiten durfte, konnte das Grinsen nicht mehr verbergen: "Mit diesem Projekt steigt der Wirtschaftsstandort Empfingen in die ›Champions League‹ auf. Der Innovationscampus wird nun ein wichtiger DLR-Standort für Luftfahrt und unsere geplanten Flächen im interkommunalen Gewerbegebiet Kompass81 jetzt Premiumflächen für Weltfirmen direkt an der Lebensader A 81. Wir werden hierzu auch unser Ansiedlungsprofil schärfen."

Truffner bedankte sich ausdrücklich bei der hiesigen CDU-Landtagsabgeordneten Katrin Schindele, die stets den Kontakt zwischen Gemeindeverwaltung, Innovationscampus und zuständigen Ministerien gepflegt hatte und immer zur Stelle war. Auch dem CDU-Fraktionschef im Landtag, Manuel Hagel, wie auch Rezzo Schlauch von den Grünen zollte Truffner Respekt für dessen persönlichen Einsatz in enger Abstimmung mit ihm. Das Projekt der DLR sei zudem im grün-schwarzen Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg ausdrücklich enthalten, da allerdings noch ohne Nennung des Standorts Empfingen. Großen Dank sprach Truffner dem ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretär und Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Fuchtel für dessen Zusammenarbeit in diesem Projekt aus. "Es ist nicht immer selbstverständlich, wenn ein ›kleiner‹ Flecken-Schultes in der ›großen‹ Politik agiert und dann für so ein Projekt solch unkomplizierte Unterstützung erfährt", so Truffner an die Adresse der Abgeordneten.

Stärkung für den ländlichen Raum

Truffner weiter: "Mit der Anfrage zu einem möglichen DLR-Projekt zur Beobachtung von Weltraumschrott mit einem Forschungsobservatorium war für mich klar, wenn sich einmal DLR in Empfingen angesiedelt hat, so werden sicher auch andere DLR-Institute auf den einmaligen Standort Innovationscampus aufmerksam. Und: Es hat sich bewahrheitet. Der Innovationscampus und auch die Gemeinde Empfingen werden die DLR so schnell nicht mehr aus den Fingern lassen." Auch der Gemeinderat, so Truffner, begrüße diese Ansiedlung, die ein deutliches Stärkungssignal für den ländlichen Raum bedeute, nicht nur mit der Schaffung von Arbeitsplätzen im Forschungsbereich.

Auch Landrat Klaus Michael Rückert, der sich ebenso mit voller Kraft für das Projekt eingesetzt hatte und seit den ersten Überlegungen mit im Boot war, freute sich über die Entscheidung: "Ich freue mich außerordentlich, dass die DLR mit dem Projekt CITE ein weiteres großartiges Zukunftsprojekt in Empfingen verwirklicht, in welchem die aktuell dringend erforderliche Transformation der Luftfahrt zu umweltgerechten Antrieben und neuen Bauformen sowie Baumaterialien wissenschaftlich begleitet wird. Der Innovationscampus Empfingen erhält damit weitere internationale Strahlkraft. Mein Dank gilt schon heute dem Bund und dem Land, die diese Ansiedlung mit erheblichen Finanzmitteln ermöglichen werden. Durch dieses Projekt wird einmal mehr deutlich, dass im Landkreis Freudenstadt und hier konkret in Empfingen Zukunft gestaltet wird. Mein Glückwunsch gilt der Gemeinde Empfingen und ihrem Bürgermeister."

Geschäftsführer des Campus sind begeistert

Armin und Volker Gallatz, Geschäftsführer und Betreiber des Innovationscampus sagen: "Der Innovationscampus Empfingen wurde mit dem Anspruch gegründet, Projekten und Firmen im Bereich Forschung und Entwicklung einen Raum zu bieten, in welchem in interdisziplinärem Austausch an neuen und nachhaltigen Technologien geforscht und gearbeitet werden kann. Durch die Förderung solcher Technologien soll ein attraktiver Forschungsstandort etabliert werden, von dem sowohl die Gemeinde Empfingen, als auch das Land Baden-Württemberg profitiert. Trotz der vielen Hürden und hohen Kraftanstrengungen, die dieses ambitionierte Projekt mit sich bringt, sind wir auf einem sehr guten Weg, unsere Vision zu verwirklichen. Nach den hinter uns liegenden Anstrengungen sind wir stolz und freuen uns, dass wir nach BALIS (Testfeld für Brennstoffzellen-Antriebe, d. Red.) auch das DLR-Großforschungsprojekt CITE bald auf unserem Standort begrüßen dürfen. Dank dem visionären Denken von Bürgermeister Ferdinand Truffner, dem Empfinger Gemeinderat und Landrat Rückert, deren Unterstützung die Ansiedlung dieses Projekts ermöglicht hat, kann der Innovationscampus künftig zur wirtschaftlichen Entwicklung von Empfingen und der umliegenden Region beitragen."