Pascale Peukert (vorne rechts) mit Teilnehmern des Treffens zum Thema Motorradlärm, zu dem sie und ihr Mann Olaf nach Dornstetten eingeladen hatten. Foto: Frey

"Wir sind für Motorradfahrer", betonte Freudenstadts OB Julian Osswald in einer Gesprächsrunde zum Thema Motorradlärm – "für die, die heute da sind. Um die geht’s aber gar nicht." Olaf und Pascale Peukert, ebenfalls Motorradfahrer, hatten dazu eingeladen, das brandaktuelle Thema zu diskutieren.

Dornstetten/Region - In Wahlkampfzeiten ließ sich die regionale Politprominenz nicht lange bitten. Bundestagskandidat Klaus Mack, Landtagsabgeordnete Katrin Schindele, Oberbürgermeister Julian Osswald, Dornstettens Bürgermeister Bernhard Haas, sein Amtskollege Christoph Enderle aus Loßburg, Ortsvorsteher Helmut Klaißle vom Kniebis und Markus Schindele als Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung kamen nach Dornstetten. Begeisterte Motorradfahrer, aber auch Vertreter von Tourismus, Gastronomie, Fachgeschäften, Fahrschulen, Motorradclubs und Eventveranstaltern ergänzten die Runde.

Pascale Peukert, CDU-Parteifreundin von Klaus Mack und Katrin Schindele, hatte eine Präsentation vorbereitet, die sie zusammen mit Michael Müller, Chef eines Freudenstädter Autohauses und Motorradhändler, vorstellte. "Wir Motorradfahrer werden verteufelt", meinte Müller und zielte damit auf die Lärm-Initiative des Verkehrsministeriums ab, in der sich mehr als 150 Kommunen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam gegen Motorradlärm vorzugehen. Entsetzt zeigte sich Müller darüber, dass unter anderem auch die Stadt Freudenstadt der Initiative beigetreten ist.

Müller: Unterm Helm sind alle Verbündete

Biker kämen aus allen Schichten, Generationen, allen Rassen, allen Geschlechtern – und unter dem Helm seien sie alle Verbündete, meinte Müller. Neben gemeinsamen Ausfahrten gehe es auch um Geselligkeit und Gemeinschaft. "Du fährst – du bist frei" sei die Lebenseinstellung der Biker. In den angedrohten Sperrungen besonders beliebter Strecken und den Tempolimits extra für Biker sieht er keine Lösung. Viele Motorradfahrer seien schließlich "ordnungsgemäß unterwegs".

Pascale Peukert sah gar die "Tourismusmarke Schwarzwald bedroht" und fragte in die Runde: "Sind die Motorradfahrer bei uns nicht herzlich willkommen?" Sie zitierte Tilo Lutz, Chef des Hotels Albans Sonne in Schapbach. Es sei ein ausgewiesenes Motorrad-Hotel, etwa 25 Prozent der Gäste seien Biker, die wiederum 50 Prozent mehr Geld im Restaurant liegen ließen als andere Gäste. "Der durchschnittliche Biker ist eher gesetzteren Alters, cruist in der Gruppe und hat Geld", hat Lutz beobachtet. Neben Deutschen habe er viele Gäste aus dem benachbarten Ausland, mit seinem Betrieb liege er optimal für Biker – ein Verbot von Strecken wäre für ihn "verheerend".

Karin Birkel plant in ihrer Eventagentur "Good Souls" Touren für Biker. Sie schätzt, dass "90 Prozent aller Biker ordentlich fahren", aber alle anderen für die schwarzen Schafe, Raser und Lärmverursacher, den Kopf hinhalten müssten. Das sahen auch die vielen Biker in der Gesprächsrunde so. Mit der Initiative gegen Motorradlärm sei eine Stimmungsmache, in Teilen sogar eine regelrechte Hetzkampagne gegen Biker verbunden. Sie fühlen sich zu Unrecht stigmatisiert. In den sozialen Medien, aber nicht nur dort, werden Bilder geteilt mit Überschriften "Biker stirb" oder "Leg dich in dein Sarg" (wir berichteten).

Zahlungskräftige Zielgruppe für Tourismus

Ob Motorradfachgeschäfte, Gastronomiebetriebe, Campingplatzbesitzer, sie alle sehen in der Lärm-Initiative einen Imageschaden, manche fürchten sogar um ihre Existenz, sollten die Forderungen nach Beschränkungen und Verboten vom Bundestag als Gesetz verabschiedet werden. Daher bitten sie nun die politischen Vertreter vor Ort um Unterstützung. Erreichen wollen sie, dass auch ihre Argumente Gehör finden, sie in die Diskussion eingebunden werden und nicht, wie bisher, außen vor bleiben.

Klaus Mack, als Bürgermeister von Bad Wildbad Beschwerden über Motorradlärm gewohnt, sprach in der Runde als Bundestagskandidat der CDU. Für ihn gehört Motorradfahren zur "persönlichen Freiheit". Er habe Verständnis für die Biker, die die Tourismusangebote im Schwarzwald genießen wollten. Auch er sieht sie als "wichtige, zahlungskräftige Zielgruppe", kennt aber aus seiner kommunalpolitischen Arbeit auch die Anliegen der Anwohner an den beliebten Rennstrecken. Sein Gemeinderat habe über den Beitritt zur Lärminitiative beraten, aber beschlossen, dass Biker in Bad Wildbad willkommen seien. Er selbst wolle die Biker nicht unter Generalverdacht stellen und sagte zu, sich dafür in der Bundespolitik einzusetzen.

Freudenstadts Oberbürgermeister Julian Osswald hat nicht das Gefühl, dass in seiner Stadt die Biker nicht willkommen sind. Er erinnerte an die wichtigsten Forderungen der Lärminitiative: "Motorräder müssen leiser werden, sie müssen leiser gefahren werden, und rücksichtsloses Fahren muss deutliche Folgen haben." Die Schwarzwaldhochstraße sei ein Beispiel für gegenläufige Interessen. Die eine suchten Ruhe und Erholung, die anderen den Kick in Kurven, an Steigungen und auf Gefällstrecken. Freudenstadt wolle keine Fahrverbote, sondern suche nach anderen Lösungen für das Lärmproblem. Osswald weiß um die starke Belastung durch Verkehrslärm gerade in Freudenstadts Höhenstadtteil Kniebis. Er wünscht sich eine stärkere Verkehrsüberwachung. Fahrverbote sind für ihn das "letzte Mittel, wenn sonst nichts mehr hilft". Und er stellte fest: "Nur leise Mobilität ist auch nachhaltig."

"Leise geht nicht", hielt Michael Müller dem entgegen. Die geforderte Beschränkung auf 80 Dezibel sei technisch nicht machbar.

Rocky Lowag ist Mitglied des privaten Präventionsprojekts sportlich motorradfahrender Polizisten "Rennleitung 110", kennt das Problem also von beiden Seiten. Er war online zugeschaltet und fasste das Problem in einem Satz zusammen: "Zum leisen, sozialverträglichen Fahren gibt es kein Regelungsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit." Die Einsparungen bei der Polizei der vergangenen Jahre seien massiv, ein Polizist sei nicht mehr gern auf der Straße gesehen, ein schlanker Staat sei gewünscht. Und nun, wo die Auswirkungen dieser Politik sichtbar würden, fehle es überall: am Personal, an Qualität und Quantität.

Klaißle will Geldstrafen wie in der Schweiz

Ortsvorsteher Helmut Klaißle vom Kniebis berichtete, dass sein Stadtteil generell unter dem Verkehrslärm leide, der durch Lastwagen, Autos und eben Motorräder entstehe. Inzwischen seien sogar die Parkplätze an der Hochstraße beliebte Spielplätze für "Poser und Drifter", die sich dort abends in Gruppen treffen und ihre Autos zur Schau stellen. Die verhängten Strafen seien lächerlich. Klaißle fordert einen Führerscheinentzug für mindestens vier Wochen oder Geldstrafen wie in der Schweiz. Dort koste jeder Kilometer Tempolimitüberschreitung 100 Schweizer Franken. "Das tut richtig weh", so Klaißle.

Loßburgs Bürgermeister Christoph Enderle war als Vertreter einer als motorradfreundlich ausgezeichneten Gemeinde an diesem Abend "einer der Guten", wie Kollege Osswald neidvoll anmerkte. Enderle ist selbst Biker, fährt nach eigenem Bekunden altersgemäß, aber regelgerecht. Er bestätigte, dass seine Gastronomiebetriebe sehr von der Gruppe der Biker profitieren. Auch für Enderle ist die kaum vorhandene Kontrolle der schwarzen Schafe eines der größten Probleme bei der Lärmbekämpfung. Sein Gemeinderat habe beschlossen, der Initiative nicht beizutreten, er sehe aber schon die Notwendigkeit, dass lärmgeplagte Kommunen Unterstützung brauchen. In der fehlenden Rücksichtnahme erkennt Enderle ein gesellschaftliches Problem.

Dornstettens Bürgermeister Bernhard Haas erläuterte, dass in seinem Gemeinderat das Thema nicht diskutiert wurde, da Dornstetten nicht in besonderem Maße betroffen sei. Auch er sieht in Fahrverboten "das letzte Mittel in massivsten Konflikten".

In kleinen Gruppen beschäftigten sich die Teilnehmer noch intensiv mit den Auswirkungen der Lärmschutzinitiative.