Die deutsche Vorstellung von Indianern beschränkt sich oft auf Menschen mit Federschmuck, Pferde und Mokassins. Doch die unterschiedlichen Kulturen der Native Americans umfassen viel mehr als das. (Symbolfoto) Foto: TORWAISTUDIO/ Shutterstock

Nicht nur seit dem Film "Der junge Häuptling Winnetou" gibt es Kontroversen um die Bezeichnung "Indianer". Carmen Kwasny von der Native American Association of Germany (NAAoG) erklärt, warum dieses Wort der Vielfalt indigener Lebensweisen nicht gerecht wird - aber auch, warum Alternativen schwierig sind.

Die NAAoG ist eine Bildungsstätte für Europäer, die ihr Wissen über indianische Nationen (Native American Nations) erweitern wollen. Ebenso ist sie Anlaufstelle für Native Americans, die in Europa leben. In den Blog-Artikeln, die Kwasny auf der Homepage schreibt, ist ihr vor allem ein differenzierter Blick wichtig. Deshalb sind ihrer Meinung nach Bezeichnungen wie "Indigene" oder "Native Americans" nicht zielführend, wenn mit diesen Wörtern weiterhin falsche Bilder von Generation zu Generation weitergegeben werden.

"Allein in den USA gibt es 574 anerkannte indigene Communities, die den Status souveräner Nationen haben", schreibt sie. Die kanadische Verfassung zähle die "First Nations", die Inuit sowie die Métis als Angehörige der "Indigenous Peoples" auf. Allein den First Nations gehörten über 630 indianische Gemeinden mit mehr als 50 Nationen und über 50 indigene Sprachen an. Somit ergäben sich für die USA und Kanada hunderte Nationen, die sich massiv voneinander unterschieden. "Sie sprechen verschiedene Sprachen und haben sehr unterschiedliche Kulturen, Traditionen, Glaubensüberzeugungen, Zeremonien, Wertvorstellungen und Lebensstile", macht Kwasny die Pluralität der Menschen deutlich.

"Indianer" bedeutet Einheitsbrei

Doch der Oberbegriff "Indianer" werde dieser Unterschiedlichkeit nicht gerecht. So habe sich nämlich in der deutschen Gesellschaft ein stereotypes Bild "des" Indianers verfestigt. "In Schulen oder Kindergärten werde ich oft von den Kindern gefragt, ob ich 'indianisch' spreche", nennt sie ein Beispiel aus ihren Informationsveranstaltungen in pädagogischen Einrichtungen. Nicht nur die Sprache, auch die Lebensweise "der" Indianer sei in der deutschen Sichtweise äußerst homogen. So hätten diese Federn im Haar, lebten in Tipis, ritten auf Pferden und machten mit Pfeil und Bogen Jagd auf Büffel, fasst sie die Erfahrungen der Kinder zusammen.

Vielfalt zeigen

Diese Verengung auf einige in der Prärie lebenden Stämme ist jedoch irreführend. So unterscheiden sich die am Pazifik vom Fischfang lebenden Kwakiutl davon grundsätzlich. Gleiches gilt für die Irokesen mit ihren aus Rinde erbauten Langhäusern oder die an der Grenze zu Mexiko ansässigen Hopi, die sich größtenteils durch Maisanbau ernährten. Solch eine Fokussierung auf umherziehende Prärie-Stämme werde auch durch die Fernsehserie "Yakari", die von den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF ausgestrahlt wird, gefördert.

Einen Schritt weiter zu einem differenzierteren Bild sei man in den USA. Die Zeichentrick-Serie "Molly of Denali" dreht sich um ein zehnjähriges Mädchen, das den Alaska Natives angehört. Oft ist es ein Mangel an Wissen, durch den solche Stereotypen an die nächste Generation weitergegeben werden, meint Kwasny. "Es steckt keine böse Absicht dahinter." Wichtig sei in diesem Fall jedoch die Aufklärung, indem man Kindern die Vielfalt der indianischen Nationen vermittele. Bei einem Schulbesuch mit Native Americans stellten diese verschiedene Trachten ihrer Völker vor - jenseits von Federschmuck mit Mokassins. "Die Kinder wollten daraufhin die Faschingskostüme gar nicht mehr anziehen", schildert sie die Reaktion der Schüler auf ihre klischeehaften Verkleidungen.

Wörter austauschen hilft nicht

"Solange stereotype Vorstellungen an die nächste Generation weitergegeben werden, bringt uns der Verzicht auf die Wörter 'Indianer' und 'indianisch' keinen Schritt weiter", ist sich Kwasny sicher. Denn auch, wenn man den an sich richtigen englischen Begriff "Native Americans" im Deutschen verwendet, ergeben sich dadurch gewisse Probleme.

Im Englischen werde eine Person nämlich auch als "Native" bezeichnet, wenn "sie an einem bestimmten Ort geboren oder durch Geburt mit einem Ort verbunden ist, unabhängig davon, ob sie später dort ansässig ist oder nicht". Dies werde etwa immer wieder von nicht-indianischen Amerikanern betont, die von sich sagen: "Ich bin hier geboren, also bin ich ebenfalls ein Native."

Gleichzeitig ergebe sich im Deutschen auch eine weitere Schwierigkeit. Zutreffend wäre beispielhaft die Bezeichnung "indigene Künstler aus Nordamerika". Doch da diese Begrifflichkeiten in Deutschland kaum bekannt sind, stelle "indianisch" einfach die leichtere Variante dar. "Bei 'indianische Künstler' weiß jeder sofort, wer damit gemeint ist", so Kwasny abschließend.